Entscheidungsstichwort (Thema)
Massezugehörigkeit von Einkommensteuerschulden auf Kapitalvermögen und VuV
Leitsatz (redaktionell)
1) Für die Frage, ob eine Steuerforderung Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung ist, kommt es auf den Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung und nicht auf die steuerliche Entstehung oder Fälligkeit an. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird.
2) Einkommensteuern auf Einkünfte aus Kapitalvermögen des Insolvenzschuldners und aus Vermietung und Verpachtung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahren verwirklicht werden, sind Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch dann, wenn die vermieteten Grundstücke unter Zwangsverwaltung stehen.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 38, 80 Abs. 2 S. 2; ZVG § 148 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang Einkommensteuerschulden zur Insolvenzmasse gehören.
Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen. Das Insolvenzverfahren wurde am 8.8.2006 eröffnet. Inzwischen wurde dem Beigeladenen Restschuldbefreiung erteilt.
Im Vermögen des Beigeladenen befanden sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens drei Grundstücke und ein Erbbaurecht, die bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Zwangsverwaltung standen. Die Zwangsverwaltung wurde von der Bank C betrieben, die Inhaberin von Grundschulden auf den Grundstücken war. In allen Fällen war der Diplom-Betriebswirt O aus N zum Zwangsverwalter bestellt worden. Dem Beigeladenen wurde durch die Beschlagnahme der Grundstücke die Verwaltung und die Benutzung der Objekte entzogen. Der gesamte Grundbesitz wurde vermietet.
Für das Streitjahr 2008 reichte der Kläger für den Beigeladenen eine Einkommensteuererklärung beim Beklagten ein, in der er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn 14.400 EUR) sowie Kapitalerträge (1.732 EUR) angab. Einnahmen aus den vermieteten Grundstücken erklärte er zunächst nicht.
Der Beklagte berücksichtigte im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid, der gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter erging, neben den erklärten Einkünften auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 65.000 EUR.
Im Rahmen des hiergegen eingelegten Einspruchs gab der Kläger die Mieteinkünfte mit 23.614,30 EUR an und legte hierzu Berechnungen des Zwangsverwalters vor. Zugleich machte er geltend, dass eine Steuerfestsetzung gegen ihn als Insolvenzverwalter nicht hätte erfolgen dürfen, da weder der Arbeitslohn noch die Mieteinnahmen zu einer Mehrung der Insolvenzmasse geführt hätten. Der Arbeitslohn habe unterhalb der Pfändungsfreigrenze gelegen und sei deshalb in vollem Umfang an den Beigeladenen geflossen. Die Insolvenzmasse habe auch keine Einnahmen aus der Vermietung des Grundbesitzes erzielt. Gemäß § 148 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken im Wege der Zwangsvollstreckung (ZVG) sei der Grundbesitz der Verwaltung und Benutzung des Klägers entzogen gewesen. Aufgrund dieser Bestimmung habe es einer Freigabe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht bedurft. Da die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung danach nicht der Insolvenzmasse, sondern dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen seien, sei eine Steuerfestsetzung gegen die Insolvenzmasse nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer mit der Einspruchsentscheidung auf 7.608 EUR herab. Dabei berücksichtigte er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 13.480 EUR, aus Kapitalvermögen in Höhe von 931 EUR und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 23.614 EUR.
Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Steuernachzahlung sei insgesamt als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) zu behandeln. Da nach der BFH-Rechtsprechung auch Einkommensteuererstattungsansprüche, die im Zusammenhang mit pfändungsfreiem Arbeitslohn stehen, zur Insolvenzmasse gehörten, müsse dies umgekehrt auch für entsprechende Steuernachforderungen gelten. Die der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücke seien weiterhin vom Insolvenzbeschlag erfasst und nicht mit einem Aussonderungsrecht (§ 47 InsO), sondern lediglich mit einem Absonderungsrecht (§§ 49 ff. InsO) belegt. Der nach Befriedigung des Absonderungsberechtigten verbleibende Teil des Verwertungserlöses stehe der Insolvenzmasse zu. Wem letztendlich das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zugute komme, sei in Fällen der Zwangsverwaltung für die einkommensteuerliche Zurechnung der Einkünfte unmaßgeblich. Der Kläger hätte als Insolvenzverwalter auch die Möglichkeit gehabt, die Grundstücke aus der Insolvenzmasse freizugeben, wenn aufgrund der Höhe der Belastungen nicht mit einem Überschuss für die Insolvenzmasse zu rechnen gewesen wäre.
Mit seiner Klage trägt der Kläger ergänzend zur Einspruchsbegründun...