Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung eines Neubaus durch Umbaumaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
Der Umbau eines 100-jährigen Gebäudes führt nur dann zu Errichtung eines Neubaus, wenn die bestimmenden Gebäudeteile vollständig verschlissen sind oder die neuen Gebäudeteile das Gesamtgebäude bautechnisch geprägt haben.
Normenkette
InvZulG 1999 § 2 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob durch Renovierungs- und Umbauarbeiten ein Neubau i.S.v. § 2 Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1999 entstanden ist.
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in B. Mit notariellem Kaufvertrag vom 18.11.1999 erwarb sie von der Stadt A ein bebautes Grundstück an der Straße 441 (Teilfläche 2.880 qm). In dem Gebäude (Baujahr 1889) waren ehemals eine landwirtschaftliche Berufsschule und auch eine Textilfabrik untergebracht. Im Kaufvertrag (vgl. § 9) verpflichtete sich die Klägern zur Sanierung und Neugestaltung des Grundstücks und zur Verlagerung ihrer Lichtwellenleiter-Konfektion sowie des Lagers an das Kaufobjekt. Der Kaufpreis betrug 72.000 DM einschließlich der aufstehenden Baulichkeiten. Hinsichtlich der Bauverpflichtung/Nutzungsbindung wird auf § 9 des Kaufvertrags verwiesen.
Die Ausdehnungen des Gebäudes betragen 23,5 m x 13,5 m; es ist an der Straßenseite ca. 13,5 m, an der Hofseite 10,3 m hoch; es hat drei Geschosse und ist teilweise unterkellert. Ursprünglich befanden sich in jedem Geschoss je 10 Fenster auf der Längsseite und 5 Fenster auf den Schmalseiten. Das Gebäude bestand aus tragenden Mauerwerkswänden mit Holzbalkendecken und einem Kaltdach mit Bahnendeckung. Die Deckenbalken lagen teilweise auf innerhalb des Gebäudes verlaufenden tragenden Wänden auf. Wegen des Zustandes des Gebäudes und der durchgeführten Baumaßnahmen wird auf die von der Fa. X in A mit Datum vom 11.01.2000 erstellte Genehmigungsplanung Bezug genommen.
Die Gebäudeplanung war auf die Beschäftigung von 15 Arbeitskräften abgestellt. Dazu waren im Erdgeschoss Lager- und Büroräume, im ersten Obergeschoss Produktionsräume und im zweiten Obergeschoss Sozialräume vorgesehen.
Die Klägerin hatte bereits 1999 vor Erteilung der Baugenehmigung mit den Arbeiten begonnen und diese im Wesentlichen mit Zeitarbeitskräften selbst durchgeführt (vgl. im Einzelnen die vorgelegten Rechnungen). Zunächst wurden nichttragende Wände, Putz und Dämmmaterial und ein gemauerter Kamin auf dem Dach des Gebäudes entfernt sowie Deckenbalken freigelegt. Die tragenden Außenwände wurden im Erdgeschoss durch Schließen von fünf Fenstern, den Einbau eines Rolltores an Stelle zweier Fenster sowie durch Zumauern eines halben Fensters im Treppenhausbereich verändert. Im ersten Obergeschoss wurden ein Fenster im Treppenhausbereich und zwei Fenster im Bereich der Produktion zugemauert.
Tragende Innenmauern wurden
- im Erdgeschoss auf einer Länge von 2,50 m zur östlichen Außenwand hin entfernt, um einen Durchgang zu schaffen; an weiteren drei Stellen wurden vorhandene Türöffnungen erweitert;
- im ersten Obergeschoss an vier Stellen in einer Breite von 1,50 m durchbrochen um Durchgänge zu schaffen;
- im zweiten Obergeschoss an drei Stellen zum Einbau von Türen von je 88,5 cm Breite durchbrochen und die vorher bestehenden Türöffnungen wieder verschlossen.
An den freigelegten Holzdecken im ersten und zweiten Obergeschoss wurden durch den Sachverständigen Schäden festgestellt. Zur Sanierung wurden die Deckenbalken Nr. 10, 11 und 12 im ersten Obergeschoss erneuert. An vier weiteren Balken im 1. Obergeschoss wurden Verstärkungen bzw. Rückschneidungen von 30 cm bis 100 cm, verbunden mit Anschuhen und einer Mauerwerkssanierung vorgenommen. Im zweiten Obergeschoss wurde der Balken Nr. 27 komplett ersetzt. Im ersten Obergeschoss befinden sich 25, im zweiten Obergeschoss 27 Holzbalken. Im Rahmen der Baugenehmigung im Sommer 2000 wurden statische Berechnungen durchgeführt, die zu Versteifungen durch diagonal verlaufende Eisenträger an der Decke über dem ersten Obergeschoss führten. Im Hinblick auf die an der Decke über dem Erdgeschoss schon eingebrachten neuen Rohrleitungen wurde auf eine weitere Verstärkung verzichtet (vgl. Prüfbericht Nr. 209/3 vom 05.06.2000 Ingenieurbüro in den Bauakten).
Die Grundmauern wurden aufgegraben, Drainage und Isolation erneuert und durch gegossene Betonfundamente verstärkt.
Die Dachkonstruktion blieb unverändert; defekte Schweißbahnen wurden ersetzt.
Als weitere Baumaßnahmen wurden im zweiten Obergeschoss Innenwände als gedämmte Ständerwände mit Gipskartonbekleidung erstellt und sanitäre Anlagen eingebaut. Die Heizungsanlage einschließlich der Heizkörper wurde erneuert.
Die Holzbalkendecken erhielten aus brandschutztechnischen Gründen eine Gipskartonunterdecke mit Mineraldämmstoffauflage. Auf den Holzbalkendekken wurde schwimmender Estrich zur Trittschalldämmung verlegt, der mit verschiedenen Bodenbelägen versehen wurde, altes Dämmmaterial wurde entfernt. Im Erdgeschoss wurde ein armierter Betonboden von ca. 10 cm Stärke eingebrac...