Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung durch Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung - Verwirkung
Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Steuerbescheide noch geändert werden können, wenn zwei Monate nach der Einleitung eines Strafverfahrens und des Beginns einer Fahndungsprüfung die Prüfung aus in der Sphäre des Finanzamts liegenden Gründen für nahezu zehn Jahre unterbrochen wird und im Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Prüfung für die Tatbestände, wegen denen das Strafverfahren eingeleitet wurde, Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.
Normenkette
AO § 171 Abs. 5
Tatbestand
Der Antragsteller - Ast. - betrieb in den Streitjahren ein Ingenieurbüro. Er reichte die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre wie folgt ein:
Umsatzsteuererklärung 1991 am 24.08.1992
Umsatzsteuererklärung 1992 am 03.08.1994
Umsatzsteuererklärung 1993 am 11.05.1995
Umsatzsteuererklärung 1994 am 28.05.1996
Umsatzsteuererklärung 1995 am 07.10.1997
Die Umsatzsteuererklärungen galten als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 168 AO.
Am 15.10.1998 wurde beim Ast. eine Steuerfahndungsprüfung begonnen. Der Grund hierfür war, dass im Rahmen von Bankenermittlungen festgestellt worden war, dass der Ast. und seine Ehefrau am 29.01.1993 anonym 390.000 DM nach Luxemburg transferiert hatten; entsprechende Kapitalerträge waren nicht erklärt und der Herkunft für die Mittel der Geldanlage erschienen anhand der dem Antragsgegner - Ag. - vorliegenden Unterlagen nicht plausibel.
Am 08.10.1998 - dem Ast. bekannt gegeben am 15.10.1998 - wurde ein Strafverfahren eingeleitet wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer der Jahre 1991 bis 1998, Vermögensteuer 1993 bis 1994 und Umsatzsteuer 1992 (Bl. 18 Steufa-Akte Band I).
Im Dezember 1998 wurde die Fahndungsprüfung aus in der Sphäre des Ag. liegenden Gründen unterbrochen. Im November 2008 wurde die Prüfung fortgesetzt.
Am 19.01.2010 fand eine Schlussbesprechung statt. Einwendungen gegen die Prüfungsfeststellungen wurden nicht erhoben.
Am 24.02.2010 der Prüfungsbericht erstellt. Die umsatzsteuerlich relevanten Prüfungsfeststellungen ergeben sich aus den Textziffern 4.1 bis 4.5.
Am 06.05.2010 ergingen aufgrund des Prüfungsberichts geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Der Ast. legte gegen die Bescheide Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung - AdV -, zunächst ohne den Einspruch zu begründen.
Der Ag. lehnte die AdV mit Schreiben vom 14.06.2010 ab und forderte zugleich die Einspruchsbegründung an mit einer Frist bis zum 07.07.2010.
Am 19.07.2010 ging der Antrag des Ast. auf AdV bei Gericht ein.
Zur Begründung trägt der Ast. vor, im Zeitpunkt des Erlasses der geänderten Umsatzsteuerbescheide am 06.05.2010 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO, der als Voraussetzung für eine weitere Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist bestimme, dass die Unterbrechung der Außenprüfung nicht länger als sechs Monate dauern dürfe, sei auf die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO entsprechend anzuwenden.
Im Streitfall sei die Fahndungsprüfung unmittelbar nach der Sicherstellung der Unterlagen unterbrochen worden. Weitere Prüfungshandlungen hätten nicht stattgefunden.
Die Gründe für die Unterbrechung des Verfahrens habe allein der Ag. zu vertreten.
Die Bescheidänderungen über 12 Jahre nach Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuererklärungen verstoße gegen Treu und Glauben. Der Ast. habe nach so langer Zeit darauf vertrauen dürfen, dass die Prüfung beendet sei.
Den Urteilen, mit denen der BFH aufgrund bloßer Untätigkeit des Finanzamts keine Verwirkung angenommen habe, hätten keine derart langen Zeiträume zugrunde gelegen.
Der Antragsteller beantragt,
- die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1995 vom 6. Mai 2010 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
Er ist der Auffassung, ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide seien nicht gegeben.
Im Anschluss an die Beschlagnahme seien die sicher gestellten Beweismittel gesichtet worden. Wegen der Einbindung der Prüferin in ein Großverfahren habe die Prüfung Ende des Jahres 1998 unterbrochen werden müssen. Aufgrund permanenter Arbeitsüberlastung der Prüferin habe die Prüfung erst im November 2008 wieder aufgenommen werden können. Am 26.02.2009 habe eine vorläufige Schlussbesprechung mit dem Ast. stattgefunden. Es habe Einigkeit bestanden, dass die Festsetzungsverjährung unterbrochen und eine Änderung der Steuerfestsetzungen möglich sei. Seitens der Steuerfahndung sei klar gestellt worden, dass die Wiederaufnahme der Prüfung nach langjähriger Unterbrechung nicht gegen Treu und Glauben verstoße; der Ast. habe hiergegen keine Einwendungen erhoben. Vielmehr hätten er und seine Steuerberaterin zum Ausdruck gebracht, dass sie froh seien, dass die Sache nach so langer Zeit nun endlich abgeschlossen werde.
Der Ast. habe sich bereit erklärt, die noch ungeklärten Sachverhalte aufzuklären. Dies sei bis zur z...