Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit bei Verwertung durch absonderungsberechtigten Gläubiger
Leitsatz (amtlich)
Durch die Überlassung von Sicherungsgut an einen absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 170 InsO (nur) zur Verwertung erfolgt keine echte Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag, so dass die aus der Veräußerung resultierende Einkommensteuer Masseverbindlichkeit ist.
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 166, 170 Abs. 2; EStG § 2 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist (im Wesentlichen), in welcher Höhe die Einkommensteuerschuld 2013 Masseverbindlichkeit ist.
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - (11 IN …/12) vom 1. November 2012 wurde über das Vermögen des Klägers zu 2. (Inhaber der Firma S) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 9. März 2015 bat der Kläger zu 1. den Beklagten, die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO im Wege der Schätzung zu ermitteln, weil Masseunzulänglichkeit drohe. Auf Rückfrage des Beklagten teilte eine Mitarbeiterin des Klägers zu 1. (Frau S) am 18. März 2015 telefonisch mit, dass der für 2013 erklärte Umsatz in Höhe von 85.150 € aus dem Verkauf von Betriebsvermögen resultiere, und übersandte eine entsprechende Liste des verkauften (beweglichen) Anlagevermögens (Drehmaschinen usw.), auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird.
Der Beklagte wandte sich sodann mit Schreiben vom 30. März 2015 an den Kläger zu 1. und wies darauf hin, dass sich laut der von ihm eingereichten Aufstellung für das aus dem Massevermögen veräußerte betriebliche Anlagevermögen ein Verkaufserlös (netto) in Höhe von 85.150 € ergeben habe. Dem habe zum Zeitpunkt des Verkaufs ein Buchwert in Höhe von 36.369,50 € gegenübergestanden. Der sich daraus ergebende Gewinn in Höhe von 48.780,50 € sei der Einkommensteuer zu unterwerfen. Die darauf entfallende Einkommensteuer sei dem Massevermögen zuzurechnen.
Der Kläger zu 1. erwiderte, die Verwertung sei durch die Kreissparkasse A durchgeführt worden und in die Masse sei nur der Massekostenanteil von 4 % auf den Verkaufspreis (4.053,14 €) geflossen.
Der Beklagte verwies auf die Entscheidung des BFH vom 16. Mai 2013 (IV R 23/11), wonach die Einkommensteuerschuld auch dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit sei, wenn das verwertete Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet gewesen sei und der tatsächlich zur Masse gelangte Erlös nicht ausreiche, um die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu befriedigen, und erließ mit Datum vom 8. Juli 2015 sodann folgende drei Bescheide:
- Einen an den Kläger zu 1. als Insolvenzverwalter adressierten und die Einkommensteuer als Masseforderung betreffenden Einkommensteuerbescheid 2013, mit dem die Einkommensteuer - im Wege der Zusammenveranlagung des Klägers zu 2. und seiner Ehefrau - auf 15.452 € festgesetzt und im Verhältnis der Teileinkünfte (d.h. soweit die Einkünfte die Masse oder das insolvenzfreie Vermögen betreffen) in Masseforderung (8.922,74 €) und insolvenzfreie Forderung (6.529,26 €) aufgeteilt wurde. Das Leistungsgebot betraf ausschließlich die Masseforderung.
- Einen an den Kläger zu 2. adressierten, "für Herrn und Frau …" ergangenen und die insolvenzfreie Forderung betreffenden Einkommensteuerbescheid 2013. Das Leistungsgebot bezog sich dementsprechend (nur) auf die Einkommensteuer als insolvenzfreie Forderung.
Einen an die Ehefrau des Klägers zu 2. adressierten und ebenfalls "für Herrn und Frau …" ergangenen Einkommensteuerbescheid 2013. In diesem Bescheid erfolgte kein Hinweis, dass er nur die insolvenzfreien Forderungen betreffe und auch die Steuerschuld wurde nicht aufgeteilt. Die Ehefrau des Klägers zu 2. wurde vielmehr aufgefordert, die festgesetzte Einkommensteuer i.H.v. 15.452 € abzüglich Lohnsteuer (2.558 €) zu zahlen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage der Ehefrau des Klägers zu 2. war ursprünglich ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Klage, wurde aber in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2020 abgetrennt, nachdem die Vertreterin des Beklagten erklärt hatte, dass der Bescheid aufgehoben werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen) vorgenannten Bescheide sowie die Niederschrift vom 3. März 2020 verwiesen.
Mit E-Mail vom 22. Juli 2015 nahm Frau S Bezug auf ein Telefonat mit dem Beklagten und übersandte als Anlage ein Schreiben der Sparkasse C vom 17. Juli 2015, in dem die (zum 1. Juni 2015 durch Fusion der Kreissparkasse A mit der Kreissparkasse B entstandene) Bank mitteilt, dass die Verwertung der Maschinen und des Inventars abgeschlossen sei und sie den Massekostenanteil und die Mehrwertsteuer gemäß beigefügter Aufstellungen der B GmbH auf das Insolvenzanderkonto überweisen werde.
Am 28. Juli 2015 ging beim Beklagten die Einkommensteuererklärung des Klägers zu 2. und seiner Ehefrau für 2013 ein, mit der sie die Einzelveranlagung beantragten.
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