Rz. 60

Die Erbschaft kann entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden. Bei der entgeltlichen Übertragung handelt es sich regelmäßig um einen Erbschaftskauf. Dies ist ein Verpflichtungsgeschäft unter Lebenden, in dem sich der Erbe als Verkäufer zur Übertragung der Erbschaft bzw. der Miterbe zur Übertragung seines Erbanteils im Ganzen verpflichtet.[1] Gegenstand des Vertrags ist nicht das Erbrecht als solches, sondern die Erbschaft oder der Erbteil. Für die von der Übertragung der Erbschaft bzw. Erbteilsübertragung erfasste Rechtsstellung des Erwerbers ist von dem erbrechtlichen Grundsatz auszugehen, dass nur Erbe werden kann, wer vom Gesetz oder vom Erblasser hierzu berufen ist.[2] Beim Alleinerben erfasst der Erbschaftskauf die gesamte Erbschaft, also den Inbegriff aller Vermögensgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten. Aus dem Verpflichtungsgeschäft mit einem Miterben folgt für den Käufer der Anspruch auf Abtretung des Erbanteils nach § 2033 Abs. 1 BGB. Wird entsprechend der Verpflichtungen verfügt, tritt der Erwerber an die Stelle des Erben bzw. Miterben in die vermögensrechtliche Stellung am Nachlass ein. Die (Mit-)Erbenstellung als solche erhält der Erwerber dagegen nicht, da in seiner Person die Voraussetzungen der Berufung zum Erben nicht gegeben sind.

 

Rz. 61

Erbschaftsteuerrechtlich folgt daraus, dass der Erwerber einer Erbschaft oder eines Erbanteils kein Erwerber von Todes wegen i. S. d. § 3 ErbStG ist und der Erbe durch die Verfügung über die Erbschaft bzw. seinen Erbteil von der Erbschaftsteuerpflicht nicht frei wird. Inwieweit der Erwerber neben dem Veräußerer die Erbschaftsteuerpflicht übernimmt, richtet sich also nicht nach § 3 ErbStG, sondern nach den vertraglichen Beziehungen zwischen dem Veräußerer und dem Übernehmer, im Fall des Erbschafts- oder Erbteilskaufs nach § 2381 Abs. 1 S. 1 BGB, bei unentgeltlicher Zuwendung des Erwerbs nach § 20 Abs. 5 ErbStG.[3] Eine abweichende Regelung trifft § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG für den Fall der Übertragung einer Nacherbenanwartschaft (Rz. 550). Da hier das Entgelt an die Stelle der Anwartschaft tritt, muss die Steuerpflicht für die Nacherbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls den Übernehmer der Anwartschaft treffen. Nach Ansicht des BFH[4] gilt dies auch für den Fall einer unentgeltlichen Übertragung des Anwartschaftsrechts. Der BFH betont, dass der Erwerber materiell-rechtlich voll in die Rechtsstellung des Nacherben eintritt und ihm und nicht mehr dem Nacherben (Veräußerer oder unentgeltlich Verfügender) bei Eintritt des Nacherbfalls die Erbschaft gem. § 2139 BGB i. V. m. § 1922 Abs. 1 BGB – ohne Durchgangserwerb des Nacherben[5] – anfällt. In Konsequenz richten sich Steuerklasse, Steuersatz und Höhe des persönlichen Freibetrags in diesem Fall nach dem Verhältnis des Erwerbers zum Vorerben bzw. zum Erblasser, nicht hingegen nach dem Verhältnis des Nacherben zu den genannten Personen.

[3] Hannes/Holtz, in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 3 Rz. 12.
[5] Lieder, in MünchKomm, BGB, 2020, § 2100 Rz. 62 m. w. N.

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