Rz. 386

[Autor/Stand] Systematik und Kritik. Satz 3 bildet seinem Tatbestand nach die komplementäre Vorschrift zu Satz 1. Während jene Vorschrift ausdrücklich auf Zurechnungsadressaten anzuwenden ist, welche "ihre Einkünfte nicht nach dem Körperschaftsteuergesetz ermitteln", regelt diese die Verhältnisse bei Personen, "die ihre Einkünfte nach dem Körperschaftsteuergesetz ermitteln" (zur damit erfassten Personengruppe im Einzelnen vgl. nachfolgend Rz. 388). In seiner Rechtsfolge gleicht Satz 3 jedoch überraschenderweise Satz 2. Damit verfehlt das Gesetz für körperschaftsteuerpflichtige Zurechnungsadressaten eine sinnvolle Regelung.[2] Da Satz 1 nach seinem Wortsinn auf diese Personen nicht anwendbar ist, fehlt dem Gesetzestext eine dieser Regelung vergleichbare Anordnung über die Zuordnung der zugerechneten Einkünfte. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Zurechnung von Einkünften zu körperschaftsteuerpflichtigen Personen betrachtet, für die § 8 Abs. 2 KStG nicht gilt, also insbesondere rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Stiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 KStG). Dazu ergibt die Regelung in Satz 3 Halbs. 2 keinen rechten Sinn, wenn man bedenkt, dass die Parallelvorschrift in Satz 2 Halbs. 2 gerade darauf abzielt, einen unberechtigten Vorteil zu vermeiden, der aus der spezifischen Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen resultiert (vgl. Rz. 368 f.). Ferner fehlt der Rechtsfolge des Satz 3 Halbs. 1 der Bezugspunkt. Es ist unklar, wovon die in § 8 Abs. 2 KStG angeordnete Rechtsfolge "unberührt" bleiben soll. Satz 3 Halbs. 1 regelt das Konkurrenzverhältnis der Fiktion gewerblicher Einkünfte zu einer anderen Norm, ohne dass erkennbar ist, um welche andere Norm es sich dabei konkret handelt.

 

Rz. 387

[Autor/Stand] Interpretationsmöglichkeiten. Ob angesichts dieser gravierenden Mängel im textlichen Befund Satz 3 überhaupt eine Regelung enthält, und wenn ja, welche, ist in der Literatur erst im Ansatz diskutiert. Die Auffassung von Rundshagen, Abs. 8 Satz 3 bewirke für alle Körperschaften eine Zurechnung von Einkünften als solche aus Gewerbebetrieb, ist schwerlich mit dem Gesetz vereinbar.[4] In Betracht kommt einerseits, am Wortsinn von Abs. 8 festzuhalten. Da dessen Satz 1 auf körperschaftsteuerpflichtige Zurechnungssubjekte explizit nicht anwendbar ist, wären folglich die Einkünfte der Stiftung dem Zurechnungsadressaten "tel quel" zuzurechnen (vgl. zum Begriff Rz. 342). Für juristische Personen und Vermögensmassen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 8 Abs. 2 KStG gälte dies uneingeschränkt; der Vorbehalt zugunsten von § 8 Abs. 2 KStG wäre – parallel zu dem hier vertretenen Verständnis von Abs. 8 Satz 2 Halbs. 1 – als eine entsprechende Anwendung der Subsidiaritätsregeln zu verstehen. Andererseits ist eine analoge Anwendung von Abs. 8 Satz 1 zu erwägen.[5] Die dazu erforderliche planwidrige Regelungslücke könnte sich damit begründen lassen, dass die vom Referentenentwurf zum JStG 2013 v. 5.3.2012[6] vorgeschlagene Fassung des § 15 Abs. 8 auch bei allen Zurechnungsadressaten gleichermaßen die Zuordnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anordnete. Der Regierungsentwurf v. 19.6.2012[7] enthält die Formulierung, die der heutigen Gesetzesfassung entspricht, ohne dass sich in der Begründung der Bundesregierung der kleinste Hinweis darauf finden würde, dass damit eine inhaltliche Änderung der Regelung beabsichtigt gewesen wäre.[8] Mit der Umformulierung könnte sich also eine Regelungslücke eingeschlichen haben. Dafür spricht auch Satz 3 Halbs. 2, der im Gesetzgebungsverfahren inhaltlich unverändert blieb. Die darin enthaltene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 8 b KStG ("nur insoweit ..., als ...") setzt gedanklich eine anderweitig angeordnete Ausdehnung seines Anwendungsbereichs voraus (vgl. zur Parallelregelung in Satz 2 Halbs. 2 Rz. 368 f.). Diese planwidrige Regelungslücke kann durch entsprechende Anwendung von Abs. 8 S. 1 geschlossen werden[9]; der oben geschilderten Gesetzgebungsgeschichte des Abs. 8 kann kaum entnommen werden, dass die begriffliche Einschränkung der Rechtsfolge auf der ESt unterliegende Personen andere Zurechnungsadressaten ausschließen sollte. Ein Vergleich der Begründungen zum Referentenentwurf und zum Regierungsentwurf des JStG 2013 zeigt, dass die korrekte Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausprägungen des Subsidiaritätsgrundsatzes (§ 20 Abs. 8 EStG einerseits, § 8 Abs. 2 KStG andererseits) im Mittelpunkt stand. Mit einer solchen Analogie würde vor allem Satz 3 Halbs. 2 einen sinnvollen Regelungsbereich erhalten, zumal andernfalls eine gravierende Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften und Stiftungen als inländischen Zurechnungsadressaten droht.

 

Beispiel

Die ausländische Familienstiftung F bezieht (in ihrem Privatvermögen) Dividenden (i.H.v. 100) aus einer Beteiligung von 100 % an einer ausländischen Kapitalgesellschaft K. Zurechnungsadressat ist die inländische Körperschaft S.

Bei einer Zurechnung "tel quel" unterliegen die Dividenden systemwidrig in voll...

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