... aus Sicht des Leistenden und des jeweiligen Leistungsempfängers anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden ...

 

Rz. 911

[Autor/Stand] Gesetzliche Beschränkung auf eine ertragswertbasierte Bewertung. Der hypothetische Fremdvergleich ist von seiner Grundkonzeption ein Denkmodell, bei dem gemessen am Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Seiten des leistungserbringenden wie auf Seiten des leistungsempfangenden Unternehmens (doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, Rz. 227 ff.) Soll-Vergleichstatbestände für beide Kontrahenten durch Nachdenken ermittelt werden und ein Preisbildungsprozess simuliert wird (Rz. 902 ff.).[2] Nach welchen Grundsätzen die Preisgrenzen als Soll-Vergleichstatbestände konkret zu bestimmen sind, ist gesetzlich lediglich für den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der sog. Einigungsbereichsbetrachtung geregelt. § 1 Abs. 3 Satz 7 bestimmt, dass der hypothetische Fremdvergleich "unter Beachtung des Absatzes 1 Satz 3 aus Sicht des Leistenden und des jeweiligen Leistungsempfängers anhand ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden durchzuführen" ist. Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass der hypothetische Fremdvergleich zwar auf dessen Kern, nämlich ökonomisch fundiertes Nachdenken, zurückgeführt wird, letztlich jedoch unverändert auf die Anwendung ökonomisch anerkannter Bewertungsmethoden begrenzt wird.[3] Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 7 sind solche "ökonomisch anerkannte Bewertungsmethoden" insbesondere Ertragswert- und Discounted-Cashflow-Methoden, die auf innerbetrieblichen Planrechnungen beruhen.[4] Insofern ist ungeachtet dessen, dass weder § 1 Abs. 3 Satz 7 noch § 1 Abs. 3a Satz 5 mit § 1 Abs. 3 Satz 6 a.F. vergleichbare Anforderungen an die Grenzpreisermittlung enthält, die Ermittlung eines Ertragswerts bzw. eines Barwerts der finanziellen Überschüsse erforderlich. So wird nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 7 die Anwendung von auf Einkünften beruhenden Bewertungsmethoden, vor allem solchen, die auf der Berechnung des abgezinsten Werts prognostizierter zukünftiger Einnahmeströme bzw. Cashflows basieren, als "hilfreich" erachtet.[5]

Die Ermittlung des Ertragswerts bzw. des Barwerts der finanziellen Überschüsse hat aus zweierlei Perspektiven zu erfolgen, nämlich aus Sicht des Leistenden wie auch aus derjenigen des Leistungsempfängers (§ 1 Abs. 3 Satz 7). Hierbei treten dieselben Aspekte in den Vordergrund, die die Unternehmensbewertung prägen:[6]

  • Isolierung und Prognose der künftigen, zurechenbaren Gewinne,
  • Ermittlung der Nutzungsdauer und
  • Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes.

Fraglich ist, ob diese durchaus aufwendige Vorgehensweise für jedwede Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs – auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit – gerechtfertigt ist. M.E. ist dies nur dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Preisobergrenze des Empfängers und die Preisuntergrenze des Leistenden wesentlich voneinander abweichen.

Solche Abweichungen können insbesondere auf Synergieeffekte, Standortvorteile und strategische Überlegungen zurückgehen und sind wohl am ehesten bei Funktionsverlagerungen i.S.v. § 1 Abs. 3b relevant. Offenkundig ist der Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs exklusiv auf diese zugeschnitten, obgleich er stets dann zur Anwendung kommt, wenn für einzelne Transaktionsgegenstände mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs keine zuverlässigen Vergleichswerte festgestellt werden können.

 

Rz. 912

[Autor/Stand] Konkrete Regelungen nur für Funktionsverlagerungen. Die Grenzpreisermittlung aus Sicht des Leistungserbringers wie aus Sicht des Leistungsempfängers ist durch die Funktionsverlagerungsverordnung vom 18.10.2022[8], für vor dem 1.1.2022 verwirklichte Funktionsverlagerungen durch die VWG-Funktionsverlagerung vom 13.10.2010[9] und für nach dem 31.12.2021 verwirklichte Funktionsverlagerungen durch die VWG VP[10] lediglich für Funktionsverlagerungen umfassend geregelt (vgl. zu Funktionsverlagerungen grds. Rz. 1101 ff.). Für die Verrechnungspreisermittlung außerhalb von Funktionsverlagerungsfällen gelten die allgemeinen Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 7 und Abs. 3a Sätze 5 und 6. Nach welchen Grundsätzen die Preisgrenzen des Einigungsbereichs konkret zu ermitteln sind, ist bisher nicht näher bestimmt. Die Verordnungsermächtigung des BMF in § 1 Abs. 6, die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 bis 3e und 5 im Rahmen einer Rechtsverordnung zu konkretisieren, wurde bisher durch Erlass der FVerlV nur für die "Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen" ausgeübt. Außerhalb von Funktionsverlagerungen fehlen dagegen vereinheitlichende Regelungen zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes.

Da ungeachtet des konkreten Bewertungsobjekts (Einzelwirtschaftsgut oder Transferpaket) die Ableitung von Fremdvergleichspreisen durch einen hypothetische...

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