Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 19
Der Wortlaut des § 2a Abs. 1 EStG wirft die Frage auf, ob die in dieser Vorschrift aufgeführten Einkünfte in eine bestimmte, in der jeweiligen Nummer des § 2a Abs. 1 EStG aufgeführte Einkunftsart fallen müssen, oder ob § 2a Abs. 1 EStG immer anwendbar ist, wenn sachlich die Definitionen des Abs. 1 zutreffen, unabhängig davon, in welche Einkunftsart diese Einkünfte fallen. Die Ansicht, § 2a Abs. 1 EStG sei nur bei Einkünften anwendbar, die bei § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in die Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft, bei Nr. 2 in die Einkunftsart Gewerbebetrieb, bei Nr. 5 in die Einkunftsart Kapitalvermögen und bei Nr. 6 in die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung fallen, hätte im Wesentlichen folgende Konsequenzen:
- Stille Beteiligung, partiarisches Darlehen, unbewegliches Vermögen und Sachinbegriffe, die zu einem Betriebsvermögen gehören, führen wegen der Subsidiaritätsklauseln in §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3 EStG zu betrieblichen Einkünften, nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung. § 2a Abs. 1 EStG wäre nicht anwendbar, da diese Einkünfte dann nicht im Rahmen der in § 2a Abs. 1 Nr. 3, 4 EStG genannten Einkunftsarten anfallen.
- Da Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 2 KStG nur gewerbliche Einkünfte haben können, wäre bei ihnen § 2a Abs. 1 EStG auf die in § 2a Abs. 1 Nr. 1, 5, 6 EStG genannten Einkünfte nicht anwendbar, soweit keine Betriebsstätte besteht. Gleiches würde auch bei anderen Umqualifizierungen von Einkünften in gewerbliche Einkünfte gelten (GmbH & Co. KG, Betriebsaufspaltung).
- Bei beschr. Stpfl. wäre § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 6 EStG nicht anwendbar, wenn diese Einkünfte im Rahmen einer inl. Betriebsstätte bezogen werden (Rz. 18).
Rz. 20
Für die Auslegung, dass § 2a Abs. 1 EStG bestimmte Einkunftsarten festlegt und nicht nur die Umschreibung bestimmter steuerlich relevanter Vorgänge, unabhängig davon, in welche Einkunftsart sie jeweils einzuordnen sind, spricht die systematische Stellung des § 2a Abs. 1 EStG und die Verwendung des Begriffs "Einkünfte". Nach § 2 EStG gibt es nicht "isolierte" Einkünfte, sondern immer nur Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart. "Einkünfte" allein sind steuerlich irrelevant; von Bedeutung sind nur "Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart". Hinzukommt, dass bei ähnlicher Fragestellung die "isolierende Betrachtungsweise" in § 49 Abs. 2 EStG ausdrücklich geregelt ist, aus dem Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 2a Abs. 1 EStG also geschlossen werden könnte, dass die Einkunftsart maßgebend ist. M. E. sind diese Argumente jedoch nicht stichhaltig. Die Qualifikation bestimmter Einkünfte als zu einer bestimmten Einkunftsart gehörend ist nach dem System des ESt-Rechts nicht Teil der Regelung des § 2 EStG; sie erfolgt nach § 2 Abs. 1 S. 2 EStG im Rahmen der §§ 13ff. EStG, die auch die Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3 EStG enthalten. Aus der systematischen Stellung des § 2a EStG nach § 2 EStG lässt sich also nicht zwingend schließen, dass § 2a Abs. 1 EStG die Einordnung in bestimmte Einkunftsarten voraussetzt. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 2a Abs. 1 EStG. So wird in Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 von Einkünften aus einer "land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte" bzw. aus "einer gewerblichen Betriebsstätte" gesprochen, nicht von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft bzw. aus Gewerbebetrieb. Gerade wenn aus systematischen Überlegungen Folgerungen gezogen werden sollen, darf der von § 2 EStG abweichende Wortlaut des § 2a EStG nicht übersehen werden. Entsprechend bleibt eine Beteiligung als stiller Gesellschafter bzw. ein partiarisches Darlehen auch dann eine stille Beteiligung bzw. ein Darlehen, wenn die Einkünfte in betriebliche Einkünfte umqualifiziert werden. Auch die Vermietung und Verpachtung (als bürgerlich-rechtliche Begriffe verstanden) bleibt eine Vermietung und Verpachtung, wenn sie im Rahmen einer Betriebsstätte anfällt.
Rz. 20a
Lediglich in den durch das Gesetz v. 25.2.1992 neu eingefügten Nrn. 3 und 7a ist ausdrücklich bestimmt, dass das Wirtschaftsgut zu einem Betriebsvermögen gehören muss; hier ist also eine Eingrenzung auf die betrieblichen Einkünfte erfolgt. Daraus kann aber geschlossen werden, dass bei den anderen Nummern, die eine solche Zuordnung nicht enthalten, eine solche Eingrenzung auf eine bestimmte Einkunftsart eben nicht erfolgt ist.
Rz. 20b
Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Tatbestände des § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 EStG ihre Reichweite nicht durch Anknüpfung an eine jeweils bestimmte Einkunftsart festlegen, sondern durch Umschreibung bestimmter wirtschaftlicher Sachverhalte. § 2a Abs. 1 EStG greift ein, wenn diese wirtschaftlichen Sachverhalte verwirklicht sind, ohne Rücksicht darauf, in welcher Einkunftsart die Einkünfte im Einzelfall anzusetzen sind. Diese wirtschaftlichen Sachverhalte werden aber durch die Definitionen der §§ 13ff. EStG umschrieben. Maßgebend sind also die Definitionen der Einkünfte in den §§ 13ff. EStG, nicht aber die darauf aufbauende Ein...