Rz. 85

[Autor/Stand] Einziehung bzw. Wertersatz ordnet das Gericht im Urteil bzw. nachträglich (§ 76 StGB) durch Beschluss an. Die Anordnung kann auch – anders als die Anordnung der Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit – in einem Strafbefehl (§ 407 Abs. 2 Nr. 1 StPO, nicht aber im selbständigen Verfahren, streitig, s. Rz. 110)[2] oder selbständigen Beschlussverfahren (§ 435 StPO) erfolgen. Die zuständige FinB kann einen entsprechenden Antrag stellen (§§ 400, 401 AO).

 

Rz. 86

[Autor/Stand] Das Ob und der Umfang der Einziehung einer Sache nach § 74 Abs. 1 StGB oder § 74 Abs. 2 StG i.V.m. § 375 Abs. 2 AO stehen – im Gegensatz zur obligatorischen Einziehung nach §§ 73 ff. StGB nach neuem Recht seit 2017 (s. § 399 Rz. 301) – im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.[4]

Aus den Gründen der die Einziehung anordnenden Entscheidung muss daher hervorgehen, dass die Einziehung als eine Frage des Ermessens erkannt und von diesem Ermessen auch Gebrauch gemacht worden ist[5] sowie aufgrund welcher Rechtsgrundlage (§ 74 StGB bzw. § 375 Abs. 2 AO) sie beruht.

Bei Einziehungsobjekten von einigem Wert müssen die Entscheidungsgründe des einziehenden Urteils erkennen lassen, dass das Gericht den Wert des eingezogenen Gegenstands im Rahmen der zur Strafzumessung erforderlichen Gesamtbetrachtung gewürdigt hat[6].

Die Einziehung des Wertersatzes aus einer Steuerhinterziehung erfordert Feststellungen, die eine hinreichende Überprüfung des Verkürzungsumfangs ermöglichen. Es müssen der Inhalt der Einkommensteuererklärung sowie alle weiteren Parameter festgestellt werden, die für die zutreffende Festsetzung der Einkommensteuerschulden relevant sind.[7]

 

Rz. 87

[Autor/Stand] Entsprechend dem Zweck der anzuwendenden Einziehungsnorm und unter Berücksichtigung der Umstände im konkreten Fall muss der Richter untersuchen, ob die Einziehung geboten erscheint.

Hat der Angeklagte bereits wirksam auf die Rückgabe sichergestellter Gegenstände verzichtet, kann die Anordnung der Einziehung unterbleiben. Ergeht sie dennoch, hat sie nur deklaratorischen Charakter und ist mangels Beschwer nicht anfechtbar.[9] Hat die Einziehung im konkreten Fall Strafcharakter, so muss sie tat- und schuldangemessen, d.h. neben der ausgesprochenen Hauptstrafe erforderlich sein.[10] Allgemein gültige Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Ein gewisser Spielraum für richterliche Wertentscheidungen bleibt erhalten.

 

Rz. 88

[Autor/Stand] Dient die Einziehung dagegen überwiegend oder ausschließlich einem Sicherungsbedürfnis, ist zu prüfen, ob sie überhaupt taugliches Mittel zur Zweckerreichung sein kann. Zudem wird in diesen Fällen das richterliche Ermessen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders begrenzt sein. Zwingend vorgeschrieben ist hingegen – wegen der besonderen Gefährlichkeit – z.B. die Einziehung gefälschter Steuerzeichen nach § 150 StGB und geschmuggelter Waffen gem. § 54 Abs. 1 WaffG.

 

Rz. 89

[Autor/Stand] Wie jede in die Rechte des Bürgers eingreifende staatliche Maßnahme unterliegt auch die Einziehung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. dazu § 385 AO Rz. 43). Für die Fälle der strafähnlichen Einziehung (§ 74 Abs. 2 Nr. 1, § 74a StGB) ordnet dies § 74f Abs. 1 StGB (n.F. zum 1.7.2017) – wegen der weit gefassten Tatbestände – ausdrücklich an. Der Grundsatz gilt aber als Verfassungsprinzip für jede Einziehung.[13] Danach darf die Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie außer Verhältnis zur begangenen Tat, zum Schuldvorwurf gegen den betroffenen Tatbeteiligten oder Dritten oder zur Gefährlichkeit des einzuziehenden Gegenstandes steht.[14] Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände; die Anknüpfung allein an den Hinterziehungsbetrag genügt nicht.[15] Unzureichend ist z.B. auch die Formulierung im Urteil: "Die Einziehung ist auch nicht unverhältnismäßig."[16] Daneben ist auch zu berücksichtigen, dass der von der Einziehung Betroffene für hinterzogene Steuern nach § 71 AO als Haftender in Betracht kommt.[17]

 

Rz. 90

[Autor/Stand] In den Fällen der §§ 7474b und § 74d StGB ordnet der Richter die einschneidende Eigentumssanktion zunächst nur unter Vorbehalt an, wenn der Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme, z.B. Unbrauchbarmachung, Beseitigung bestimmter Einrichtungen oder Veränderung der Gegenstände, Verfügung über die Gegenstände (vgl. § 74f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–3 StGB), erreicht werden kann.[19] Dabei ist freilich darauf hinzuweisen, dass die Unbrauchbarmachung einer Sache sich oftmals einschneidender auswirken wird als die Einziehung derselben.

 

Rz. 91

[Autor/Stand] Auf der gleichen Ebene der "abgestuften Sanktion" liegt § 74f Abs. 1 Satz 4 StGB, der bei fakultativer Einziehung eine Teileinziehung zulässt.[21] Eine solche wird allerdings bei Steuervergehen kaum praktisch werden (allenfalls denkbar bei Branntweinmischung)[22].

 

Rz. 92

[Autor/Stand] Die Anordnung im Urteilstenor bzw. im Strafbefehl hat unter konkreter Bezeichnung der einzelnen Gegenstände zu erfolgen. Die Bezugnahme auf die Anklageschrift oder ein Asservate...

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