Rz. 1013
Mit der Europäischen Ermittlungsanordnung (im Folgenden "EEA") besteht erstmals ein einheitliches Instrument im Bereich der Beweisrechtshilfe. Die Idee einer vereinfachten und praxisgerechten Rechtshilfe in Beweissachen unter Berücksichtigung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung geht bereits auf die Tagung des Europäischen Rates vom 15./16.10.2009 in Tampere und auf Überlegungen im Haager Programm des Europäischen Rates zur Stärkung von Freiheit Sicherheit und Recht in der EU vom 4. und 5.11.2004 zurück. Zur Entstehung und Stärkung eines Europäischen Rechtsraumes sollte neben Maßnahmen zur Bildung des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit der jeweils anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung auch forciert darauf hingewirkt werden, dass bestehende rechtliche Hindernisse in der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen abgebaut werden. Ermittlungen in grenzüberschreitenden Fällen sollten hierdurch besser koordiniert und konzentriert werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die oben bereits erläuterte Umsetzung der sog. Schwedischen Initiative (s. Rz. 979 ff.), zurückgehend auf den Rahmenbeschluss 2006/960 JI des Rates vom 18.12.2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der EU (RbDatA). Hier wurde der Grundsatz der Verfügbarkeit von Informationen umgesetzt.
Rz. 1014
Erklärtes Ziel der EEA ist die Vereinfachung und Beschleunigung der grenzüberschreitenden Beweiserhebung innerhalb der EU. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Rechtshilfeersuchen mitunter sehr zeitintensiv waren, wurden nun explizit Fristen in die Europäische Ermittlungsanordnung aufgenommen, die in der Praxis auch meist eingehalten werden.
Rz. 1015
Rat und Parlament haben am 14.3.2014 die endgültige Fassung der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung (RL EEA) verabschiedet und einen einheitlichen Rahmen für den strafprozessualen Beweistransfer innerhalb der EU geschaffen. Die Richtlinie ersetzt u.a. drei Jahre nach Inkrafttreten das EuRHÜbK 1978 und bereits jetzt die Europäische Beweisanordnung deren Frist zur Umsetzung im Januar 2011 verstrichen ist, ohne dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten, u.a. auch Deutschland mit einer Umsetzung begonnen hat.
Rz. 1016
Durch die EEA werden sowohl die Europäische Beweisanordnung als auch die Europäische Sicherstellungsanordnung und die auf europäischen Übereinkommen basierende sonstige Rechtshilfe ersetzt, soweit die EEA Anwendung findet (Art. 34 RL EEA). Die Europäische Beweisanordnung war in ihrem Anwendungsbereich ohnehin beschränkt, da sie nur für bereits vorhandene Beweismittel galt. Die Europäische Sicherstellungsanordnung war lediglich auf eine Sicherstellung beschränkt. Um die Übergabe der sichergestellten Gegenstände zu erreichen, musste der Rechtshilfeweg beschritten werden. Ein solches System des Nebeneinanders von verschiedenen Regelungen für den Bereich der Beweismittelrechtshilfe auf europäischer Ebene wurde durch die Kommission als "zu stark zersplittert und zu kompliziert" befunden.
Rz. 1017
Die EEA wurde mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 5.1.2017 mit Wirkung zum 22.5.2017 in nationales Recht umgesetzt und ist insb. für eingehende EEA von besonderer Relevanz (§§ 91a ff. IRG). Was ausgehende EEA betrifft, sind die jeweiligen ausländischen Regelungen i.V.m. der RL EEA vorrangiger Prüfungsmaßstab was die Zulässigkeit betrifft. Ausgehende Ersuchen sind nunmehr in § 91j IRG geregelt. Geregelt ist auch, dass die übrigen Vorschriften zur Rechtshilfe anwendbar bleiben, da nicht sämtliche Staaten der EU an der EEA teilnehmen (z.B. Dänemark oder Irland).