Rz. 217

[Autor/Stand] Nur eine grobe Orientierung bietet es daher, wenn insb. der BFH in st. Rspr. zu Recht betont, dass Ermittlungen "ins Blaue hinein", Ausforschungsermittlungen oder sog. "Rasterfahndungen" unzulässig sind[2]. Der Begriff "Rasterfahndung" entstammt dem Polizeirecht. Er beschreibt die Methode, welche darin besteht, durch Anlegung bestimmter Merkmalraster Personen oder Gegenstände aus einer großen Gruppe herauszufiltern, bis sich ein konkreter Verdacht verdichtet hat (vgl. ausführlich Rz. 220). Anhand dieser prägnanten Begrifflichkeiten werden der Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens und das zu wahrende Gebot der Verhältnismäßigkeit hervorgehoben, wonach die Bedeutung der Steueraufsicht für die Sicherung der Staatseinnahmen und das Allgemeininteresse an Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit in ausgewogenem Verhältnis zu den Interessen des von einer Fahndungsmaßnahme Betroffenen stehen müssen[3]. In der konkreten Anwendung allerdings wird damit zumeist nur in negativer Abgrenzung zu verbotenen Ermittlungsmaßnahmen im Ergebnis die Zulässigkeit der Ermittlungen begründet[4].

 

Beispiel

Eine unzulässige "Rasterfahndung" hat der BFH erstmals in der Entscheidung vom 25.7.2000[5] bzgl. Vorfeldermittlungen betr. Inhaber von Tafelpapieren angenommen. Konkret wurden dabei steuerstrafrechtliche Ermittlungen bei einem Kreditinstitut zielgerichtet ausgenutzt, um die sichergestellten Unterlagen planmäßig auch gleich danach durchzusehen, ob sich daraus nicht "Zufallsfunde" dafür finden lassen, dass über die konkret verdächtigen Personen hinaus weitere Bankkunden steuerpflichtige Geschäfte getätigt haben. Die Voraussetzungen für derartige steuerrechtliche Ermittlungen lagen nicht vor.

 

Rz. 218

[Autor/Stand] Die "Rasterfahndung" wird somit als Synonym für unzulässige Ermittlungsmethoden verwandt, die eine systematische Gesamtüberprüfung bestimmter Tätigkeitsfelder von Stpfl. unter Missachtung der gesetzlichen Ermittlungsschwellen bezwecken, also faktisch der Ermittlungsmethode "Rasterung" ähneln[7].

 

Rz. 219

[Autor/Stand] Damit ist vor allem kein maschineller Datenabgleich im Sinne einer eigentlichen Rasterfahndung etwa nach § 98a StPO gemeint. Abgesehen davon hat eine solche Maßnahme in Steuerstrafverfahren keine Praxisrelevanz, ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Gemäß § 98a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO kann eine Rasterfahndung angeordnet werden, wenn eine Straftat "von erheblicher Bedeutung gewerbs- oder gewohnheitsmäßig" begangen worden ist. Diese Voraussetzung kann auch bei der einfachen Steuerhinterziehung erfüllt sein. Das Gesetz verlangt nicht, dass die Straftat für die gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Begehungsweise explizit unter besonderer Strafandrohung (wie nach § 370a AO in der Zeit zwischen 2002 und 2007) steht oder dass die betreffenden Delikte die Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit – wie etwa bei § 260 StGB – als Tatbestandsmerkmal oder – wie etwa bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB – als Regelbeispiel enthalten[9].

 

Rz. 220

[Autor/Stand] Trotz der allgemeinen Beschreibung unzulässiger Ermittlungen folgen Maßnahmen der Steufa im Ergebnis dennoch der allgemeinen Rasterfahndungsmethodik, wenn mit großer Streubreite eine Vielzahl von bislang allenfalls potentiell "verdächtigen" Personen überprüft wird. Deutlich zeigt dies eine Entscheidung des BFH, in der das Erfordernis der Befragung und Überprüfung von Prostituierten damit begründet wird, dass die während der Inaugenscheinnahme des Bordellbetriebs erlangten Erkenntnisse "weitere Ermittlungen erst möglich und nötig" werden lassen[11]. Ein solcher Ermittlungsanlass lässt keinen Unterschied mehr zu einer Verdachtsgewinnung im Vorfeld konkreter Ermittlungen erkennen, wie sie für eine Rasterfahndung charakteristisch ist. Bei der Methode der Rasterfahndung wird auf einer ersten Stufe an das Vorhandensein abstrakter "Raster"-Merkmale wie Berufszugehörigkeit, Geschäftstätigkeit etc. angeknüpft und werden die so beschriebenen Sachverhalte oder Personen daraufhin überprüft, ob sich (weitere) verdächtige Umstände ergeben. In umgekehrter Richtung zu herkömmlichen Ermittlungen, die an hinreichende Anhaltspunkte (strafrechtlicher Anfangsverdacht oder steuerrechtlicher hinreichender Anlass) anknüpfen, soll erst ein Ermittlungsansatz hervorgebracht werden[12]. (Vorfeld-)Ermittlungen der Steufa gleichen dann einer "Rasterfahndung" nicht im wörtlichen, aber im übertragenen Sinne.

[Autor/Stand] Autor: Bode, Stand: 01.01.2023
[2] BFH v. 24.3.1987 – VII R 30/86, BStBl. II 1987, 484; hierzu Frick, BB 1988, 109 = DB 1987, 1619 = CR 1988, 562; BFH v. 18.2.1997 – VIII R 33/95, BStBl. II 1997, 499 = DB 1997, 1257 = FR 1997, 487 m. Anm. Harenberg; BFH v. 21.3.2002 – VII B 152/01, BStBl. II 2002, 495 = BFHE 198, 42 = EWiR 2003, 249 (Marxen/Pridik) = ZIP 2002, 1025; BFH v. 4.10.2006 – VIII R 53/04, BStBl. II 2007, 227 (230) = DB 2006, 2789 = FamRZ 2006, 2302; BFH v. 9.12.2008 – VII R 47/07, BStBl. II 2009, 509 (513) = BFHE 224, 1 = DB 2009, 659 = ZIP 2009, 856; BFH v. 1...

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