Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 48
Den wichtigsten Fall eines Prozesshindernisses stellt die Verjährung (Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung) dar. Die Frist hängt bei Ordnungswidrigkeiten grds. von der Höhe der Bußgelddrohung ab (§ 31 Abs. 2 OWiG). Gemäß der Sonderregelung des § 384 AO ist die Ahndung einer Tat als Steuerordnungswidrigkeit in den Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung, der Steuergefährdung und der Gefährdung von Abzugsteuern (§§ 378–380 AO) nach Ablauf von fünf Jahren ausgeschlossen. Daran hat sich auch seit Verlängerung der Verfolgungsverjährung in § 376 AO i.d.F. des JStG 2009 auf zehn Jahre für schwere Fälle der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–5 AO nichts geändert.
Die Gleichstellung dieser Steuerordnungswidrigkeiten mit der (einfachen) Steuerhinterziehung wird vor allem durch die gleichen Schwierigkeiten bei der Aufdeckung dieser Taten gerechtfertigt. Zum anderen ist eine Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nach subjektiven Kriterien vielfach erst in der gerichtlichen Hauptverhandlung möglich (s. § 384 Rz. 3). § 384 AO gilt entsprechend für die in Nr. 106 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 106) aufgeführten Zuwiderhandlungen gegen Prämien- und Zulagengesetze.
Rz. 48.1
In drei Jahren (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG) verjähren §§ 383, 384a AO, § 26a Abs. 1 UStG, § 50f Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 31a ZollVG.
Rz. 48.2
In zwei Jahren (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) verjähren §§ 381, 382, 383a AO, § 50e Abs. 1 Satz 2 EStG (Ausnahme: soweit § 378 AO anwendbar ist, gilt § 384 AO – fünf Jahre) sowie § 26a Abs. 2 UStG (ausgenommen § 26a Abs. 2 Nr. 3 UStG: sechs Monate) und § 39 Abs. 9 EStG (missbräuchliche Verwendung eines ELStAM).
Rz. 48.3
Steuerordnungswidrigkeiten nach § 33 Abs. 4 ErbStG verjähren nach sechs Monaten (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG).
Rz. 48.4
Bei den Ordnungswidrigkeiten nach dem StBerG reicht die Verfolgungsverjährung von sechs Monaten (vgl. die in § 162 Abs. 2 Halbs. 2 StBerG genannten Fälle) über zwei Jahre (§§ 160–162 StBerG) bis zu drei Jahren (§ 163 StBerG).
Zum Beginn der Verjährungsfrist s. die Ausführungen bei § 377 Rz. 151 ff.; § 376 Rz. 66 ff.
Beispiel
S hat in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 leichtfertig unrichtige Angaben gemacht. Der zu niedrige Einkommensteuerbescheid wurde ihm am 10.9.2014 zugestellt. Die Verfolgung der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO), die gem. § 384 AO in fünf Jahren verjährt, wäre am 11.9.2019 verjährt.
Rz. 49
Nach dem abschließenden Maßnahmenkatalog des § 33 OWiG wird die Verjährung bei der Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten unterbrochen. Auf die ausführliche Darstellung in § 377 Rz. 156 ff. wird verwiesen. Die Wirkung der Unterbrechung besteht darin, dass mit dem Tage ihres Eintritts jeweils eine neue Verjährungsfrist beginnt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Allerdings ist die Verfolgung einer Steuerordnungswidrigkeit spätestens verjährt, wenn seit dem Tag, an dem sie begangen wurde, das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist, mindestens aber zwei Jahre verstrichen sind, ohne dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, sog. absolute Verjährung (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
Beispiel
Wie im vorstehenden Beispiel. Die Ahndung der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) wäre spätestens am 11.9.2019 ausgeschlossen.
Die Unterbrechung der Verjährung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht (§ 33 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Bei mehreren Tätern kann danach eine unterschiedlich lange Verjährungsfrist in Gang gesetzt werden. In den Fällen des § 33 Abs. 1 Nr. 1–7, 11, 13, 15 OWiG tritt die Verjährung auch dann ein, wenn die Handlung auf die Verfolgung der Tat als Straftat gerichtet ist (§ 30 Abs. 4 OWiG).
Beispiel
Teilt die FinB dem Unternehmer U mit, dass gegen ihn ein Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet sei, so unterbricht diese Mitteilung den Lauf der Verjährung auch dann, wenn sich später herausstellen sollte, dass dem U nur leichtfertiges Handeln vorgeworfen werden kann.
Rz. 50
Für das Ruhen der Verjährung gelten im Bußgeldverfahren grds. keine Besonderheiten (vgl. § 32 OWiG). Als weiteres Verfolgungshindernis bestimmt § 410 Abs. 1 Nr. 5 AO i.V.m. § 396 AO die Aussetzung des Bußgeldverfahrens (s. Rz. 43).
Rz. 51
Die Vollstreckung von Geldbußen wegen Steuerordnungswidrigkeiten verjährt bei einer Geldbuße von mehr als 1.000 EUR in fünf Jahren, bei einer Geldbuße bis zu 1.000 EUR in drei Jahren nach Rechtskraft der Entscheidung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 OWiG).