Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsschuldner für Arbeitszeugnis nach Insolvenzeröffnung
Leitsatz (amtlich)
Ein titulierter Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses aus einem beendeten Arbeitsverhältnis ist auch im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung weiterhin gegen den bisherigen Arbeitgeber vollstreckbar.
Normenkette
ZPO § 888; InsO § 89
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Beschluss vom 23.06.2003; Aktenzeichen 6 Ca 3455/02 v) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 01.07.2003 gegen den Zwangsgeld-Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom23.06.2003 – 6 Ca 3455/02 v –, zugestellt am 25.06.2003, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Beschwerdewert: 1.000,– /.
Gründe
1. Mit Vergleich vom 05.09.2002 verpflichtete sich die Beklagte (Schuldnerin), dem Kläger (Gläubiger) ein Zeugnis zu erteilen. Im April 2003 erfolgte der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Juni 2003 erließ das Arbeitsgericht einen Zwangsgeld-Beschluss gegen die Schuldnerin zur Erteilung des Zeugnisses. Mit der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde macht die Schuldnerin geltend, infolge der eingetretenen Insolvenz zu Erklärungen und zur Zeugniserteilung nicht mehr befugt zu sein.
2. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die vom Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin festgesetzte Zwangsgeldmaßnahme ist rechtlich zutreffend.
a) Soweit die Schuldnerin mit ihrer Beschwerde hiergegen einwendet, sie habe ihre Geschäftstätigkeit (zum 30.04.2003) eingestellt und es sei (im April 2003) Insolvenzantrag gestellt worden, ist dies unerheblich. Die Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit entbindet die Schuldnerin nicht von ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich der Parteien vom 05.09.2002, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen. Hinzu kommt, dass diese Verpflichtung seit dem 05.09.2002 bestanden hat, während die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin nach ihren Angaben erst zum 30.04.2003 erfolgt ist. Zusätzlich war jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerde vom 01.07.2003 nach dem eigenen Vorbringen der Schuldnerin eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erfolgt.
b) Selbst wenn indessen ein Insolvenzverfahren zwischenzeitlich eröffnet worden sein sollte, entbindet dies die Schuldnerin und ihre Geschäftsführer ebenfalls nicht von ihrer Verpflichtung, den titulierten Zeugnisanspruch des Gläubigers zu erfüllen. Es handelt sich bei der Erteilung des Zeugnisses um einen Anspruch auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung im Sinne des § 888 ZPO (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl., § 888 Rdn. 3; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl., § 888 Rdn. 2; Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 5. Aufl. 2001, Rdn. 397). Da derartige Ansprüche keine Insolvenzforderungen bilden und auch die Insolvenzmasse weder schmälern noch betreffen, werden sie vom Vollstreckungsverbot des § 89 InsO nicht erfasst. Sie können weiterhin gegen den Schuldner vollstreckt werden (Gottwald/Gerhardt, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 33 Rdn. 4, S. 459 m. w. N.; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht 2002, Rdn. 714, S. 525; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 89 Rdn. 16).
c) Der Zeugnisanspruch des Gläubigers ist auch im Falle einer Insolvenzeröffnung von der Schuldnerin und deren Geschäftsführern zu erfüllen, nicht vom Insolvenzverwalter. Unstreitig hat hier das Arbeitsverhältnis der Parteien am 28.08.2002 geendet (Ziff. 1 des Vergleichs vom 05.09.2002), mithin vor einer etwaigen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. In derartigen Fällen ist für die Erteilung eines Arbeitszeugnisses der bisherige Arbeitgeber der Vollstreckungsschuldner, nicht der Insolvenzverwalter. Selbst ein noch anhängiger Rechtsstreit über eine Zeugniserteilung würde nicht nach § 240 ZPO unterbrochen (BAG vom 28.11.1966 – 5 AZR 190/66 – BAGE 19, 146 [152], zu 3. der Gründe) und wäre gegen den Insolvenzschuldner fortzusetzen, nicht gegen den Insolvenzverwalter (BAG vom 30.01.1991 – 5 AZR 32/90 – AP Nr. 18 zu § 630 BGB unter Hinweis auf BAG vom 28.11.1966 – 5 AZR 190/66 – a. a. O.; Hess, Insolvenzarbeitsrecht 2. Aufl., § 113 InsO Rdn. 690; Zwanziger, Das Arbeitsrecht in der InsO, § 108 InsO, Rdn. 37, S. 143; Eisenbeis/Mues, Arbeitsrecht in der Insolvenz, Rdn. 168, 169). Ohnehin kann ein Zeugnis mit sachgerechtem Inhalt am ehesten der bisherige Arbeitgeber erteilen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.
Unterschriften
Dr. Kaup
Fundstellen
Haufe-Index 1169561 |
GdWZ 2005, 53 |
LAGReport 2004, 255 |