Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Behauptung mit Nichtwissen
Leitsatz (amtlich)
1. Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und beruht eine auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung oder Tatsachenannahme, so muss das Abmahnungsschreiben vollständig aus der Personalakte entfernt werden.
2. Eine Behauptung mit Nichtwissen über Vorgänge im eigenen Geschäftsbereich ist unzulässig, wenn die Partei versäumt hat, sich über den Gegenstand der Behauptung zuvor im eigenen Geschäftsbereich zu erkundigen
Normenkette
BGB §§ 242, 1004; ZPO § 138 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Urteil vom 25.04.2005; Aktenzeichen 2 Ca 2246/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.04.2005 – 2 Ca 3346/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit dreier dem Kläger erklärter Abmahnungen.
Der 56 Jahre alte, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.01.1999 als Chefarzt bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsverdienst beträgt durchschnittlich 9.900,00 EUR.
Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus.
Die Beklagte hat den Kläger unter dem 10.08.2004 drei Abmahnungen erteilt.
Zwischenzeitlich wurde das Arbeitsverhältnis von der Beklagten unter dem 21.09.2005 ordentlich zum 31.03.2006 gekündigt.
Der Kläger hat die Thorax- und Kardiovascularchirurgische Abteilung im Hause der Beklagten geleitet. Dem Dienstverhältnis liegt der Dienstvertrag vom 19.11.1998 zugrunde, der in § 12 vorsieht, dass bei Meinungsverschiedenheiten aus diesem Dienstvertrag vor Beschreiten des Rechtsweges zunächst die beim Diakonischen Werk in Münster bestehende Schlichtungsstelle anzurufen. Das Schlichtungsverfahren wurde hinsichtlich der streitgegenständlichen Abmahnungen am 04.11.2004 ergebnislos durchgeführt.
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 10.08.2004 folgende „Abmahnung – Vorfall vom 31.03.2004”:
„…am 31.03.2004 wurde auf Ihre Veranlassung bei einem Patienten eine Narkose eingeleitet, um eine Lungenoperation vorzunehmen. Diese Narkose wurde nach rd. 1½ Stunden wieder ausgeleitet, ohne daß der Patient operiert worden war.
Es fällt Ihnen als pflichtwidriges Verschulden zur Last, daß die Operation in Ansehung der von Ihrer Abteilung mit Schreiben vom 29.03.2004 angezeigten Häufung von Infektionen nach Thoraxoperationen eingeleitet worden ist. In Ansehung des Ihrer Abteilung am 31.03.2004 und damit vor Einleitung der Anästhesie am 01.04.2004 vorliegenden Schreibens des hygieneverantwortlichen Ärztlichen Direktors Prof. Dr. R3xxxx war für thoraxchirurgische Eingriffe kein Raum.
Obwohl es sich bei den angezeigten drei Infektionen nach Ihrer Einschätzung um ungewöhnliche auf einer beseitigbaren systemischen Ursache beruhenden Sepsen handelte, haben Sie es unterlassen, nach Kenntnis von dem dritten Infektionsfall – 15.03.2004 – unverzüglich die notwendigen Schritte zur Klärung des Sachverhaltes einzuleiten. Bekanntlich konnte noch am 31.03.2004 unter Einschaltung des Krankenhaushygienikers, Herrn Prof. Dr. B5xxxxx, der Hygienefachkraft und der an den in dem – verspäteten – Schreiben vom 29.03.2004 aufgezeigten Operationen Beteiligten eine Klärung der Frage des epidemiologischen Zusammenhangs der drei Sepsisfälle nach Lungenresektionen herbeigeführt werden, und zwar in dem Sinne, daß ein epidemiologischer Zusammenhang zu verneinen war. Dieses Ergebnis hätte sich auch schon unverzüglich nach dem 15.03.2004 und dem Tag der Kenntnis von dem dritten Sepsisfall herbeiführen lassen, wobei es Ihnen als pflichtwidriges Verhalten zur Last fällt, die notwendige Aufklärung nicht umgehend eingeleitet zu haben. Statt dessen haben Sie Ihre Operationstätigkeit fortgesetzt und am 31.03.2004 zugelassen, daß der auf Ihre Veranlassung intubierte Patient über 1 ½ Stunden in diese Zustand verblieb, während Sie mit Herrn Prof. Dr. R3xxxx über die Hintergründe der im Schreiben vom 29.03.2004 aufgeführten Infektionen diskutiert haben. Eine zufällige Häufung oder eine in der Erkrankungskonstellation der im Schreiben vom 29.03.2004 aufgeführten Patienten haben Sie als Ursache verworfen und als Ursache ein noch unerkanntes hygienisches Problem vermutet. Sie sind damit von einer Situation ausgegangen, die per se jede Operation und zwar schon nach Kenntnis von dem letzten Schreiben vom 29.03.2004 angezeigten Sepsisfall verbot.
Wir mahnen das vorstehende Verhalten hiermit ab und weisen darauf hin, daß Sie im Falle weiterer Pflichtverletzungen mit dem Ausspruch einer Kündigung rechnen müssen.”
Die Abmahnung wurde vor folgendem Hintergrund erteilt:
Im Februar und März 2004 wurden nach Thoraxoperationen drei Sepsen, die letzte am 15.03.2004, festgestellt. Der Kläger veranlasste über den Oberarzt Dr. S4xxxxx die Information der Hygieneschwester W2xxxx am 19.03.2004. Mit Schreiben vom 29.03.2004, wegen dessen Inhalts auf Bl. 74 GA Bezug genommen w...