Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz bei Auflösungsverschulden. zeitliche Begrenzung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Ausbildende die Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses zu vertreten, so ist der daraus folgende Verdienstausfallschaden des Auszubildenden begrenzt auf den Zeitraum, um den sich die Ausbildung konkret verlängert.
Normenkette
BBiG § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 1 Ca 362/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 22.6.2005 – 1 Ca 362/04 – teilweise abgeändert. Ziff. 1 und 2. werden insgesamt wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 966,79 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11.2004 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Verdienstausfall-Schaden zu 50 % zu ersetzen, der ihr aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund ihrer Eigenkündigung vom 10.02.2004 entstehen kann, höchstens jedoch für einen Zeitraum von 12 Monaten.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der vorzeitigen Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses.
Der Beklagte betreibt ein Reisebüro. Dort war die Klägerin seit dem 1. August 2003 als Auszubildende zur Reiseverkehrskauffrau beschäftigt. Die Ausbildungsvergütung betrug 368,00 EUR brutto. Am 29. Januar 2004 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien, weil die Klägerin in einem Telefongespräch den Namen des Gesprächspartners nicht notiert hatte. In weiteren Verlauf rief die Klägerin ihren Vater zu Hilfe. Dessen Anwesenheit veranlasste wiederum den Inhaber der Beklagten, die Polizei zu holen und Strafanzeige zu erstatten. Ein weiteres Gespräch am Folgetag unter Beteiligung der Mutter der Klägerin und des Ausbildungsberaters Ederer endete ebenfalls im Streit. Mit Schreiben vom 10. Februar 2004 (Bl. 18 – 19 d.A.) hat die Klägerin das Ausbildungsverhältnis fristlos gekündigt und Schadensersatz geltend gemacht. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 19.03.2004 (Bl. 85 d.A.) das Ausbildungsverhältnis wegen angeblicher Falschangaben der Klägerin angefochten.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe von Beginn des Ausbildungsverhältnisses an in erheblichem Umfang seine Pflichten als Ausbilder verletzt. Sie begehrt Ersatz des ihr aus der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schadens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Ein weiterer Streitpunkt Zeugniserteilung (Antrag zu 3.) ist rechtskräftig erstinstanzlich erledigt.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.565,58 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu erstatten, der ihr aufgrund ihrer Eigenkündigung vom 10.02.2004 entstanden ist,
- …
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 368,00 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G sowie des Zeugen K und E (Protokoll Bl. 200 – 2002 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Inhaber der Beklagten habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten. Er habe einer Auszubildenden, die einen Fehler gemacht habe, in völlig unangemessener Weise zugesetzt. Ein derart unangemessenes, unkontrolliertes und unbeherrschtes aggressives Verhalten habe sich die Klägerin nicht bieten lassen müssen. Die Beklagte habe deswegen Schadensersatz zu leisten in Höhe der entgangenen Ausbildungsvergütungen für die Zeit von Februar bis Juli 2004. Das von der Klägerin durchgeführte kostenlose Praktikum in einem Reisebüro sei nicht zu beanstanden gewesen, weil es geeignet gewesen sei, um für die Berufsausbildung in Übung zu bleiben. Für die Zukunft sei festzustellen, dass der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet sei, der Klägerin auch einen eventuell zukünftigen Schaden nach § 16 Abs. 1 aF BBiG zu ersetzen.
Gegen dieses ihm am 12. Oktober 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. November 2005 Berufung eingelegt und diese am 24. November 2005 begründet.
Zur Begründung hat er ausgeführt, das Gericht habe es unterlassen, den entscheidungserheblichen Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln, die Beweiswürdigung sei lückenhaft und hinsichtlich der Schadenshöhe sei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum sogenannten Verfrühungsschaden außer Acht gelassen worden.
Der Beklagte ist de...