Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme eines rechtswidrigen Rentenbewilligungsbescheides für die Zukunft. grobe Fahrlässigkeit. Ermessen. Vertrauensschutzprüfung. Behördenverschulden
Orientierungssatz
1. Zur Rücknahme eines rechtswidrigen Rentenbewilligungsbescheides für die Zukunft wegen Berücksichtigung der doppelten Anzahl an Entgeltpunkten durch den Rentenversicherungsträger.
2. Zum Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bei zwischenzeitlichem Tod des Versicherten und zur Vertrauensschutz- und Ermessensprüfung.
3. Der Anwendungsbereich des § 45 SGB 10 würde zu stark eingeengt, ließe man den Umstand der alleinigen Verantwortlichkeit für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts genügen, um das öffentliche Interesse an der Einstellung der rechtswidrig bewilligten Dauerleistung als weniger gewichtig zu bewerten (vgl BSG vom 21.6.2001 - B 7 AL 6/00 R).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Teilaufhebung eines Rentenbescheides für die Zukunft.
Der 1952 in B geborene, 2011 verstorbene, geschiedene Kläger, ist Vater von zwei Kindern gewesen (S, geboren 1982; und S, geb. 1997), für die er unterhaltspflichtig war. Er verfügte über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine begonnene Ausbildung zum Fleischer brach er nach eigenen Angaben im letzten halben Jahr vor der Beendigung ab. Seine Kumpels auf dem Bau hätten damals mehr verdient. Er arbeitete zuletzt vor dem Rentenbezug als Hilfsschlosser, Produktionshelfer und Gabelstaplerfahrer.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 27. August 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01. August 1996 bis 30. Juni 1997 mit einem anfänglichen Zahlbetrag im Monat August 1996 in Höhe von 1.002,52 DM (unter Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung). Der Rentengewährung lagen persönliche Entgeltpunkte von 23,2351 zugrunde. Da der Kläger ab 4. September 1996 freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung war, gewährte ihm die Beklagte auf seinen Antrag die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit monatlichen Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung; der Zahlbetrag der Rente und Zuschüsse betrug ab 4. September 1996 1.166,26 DM (Bescheid vom 17. Dezember 1996). In dem Antrag erklärte der Kläger u. a. keine “andere Rente„ zu beziehen. Im Dezember 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten die unbare Rentenzahlung auf das Konto seiner damaligen Ehefrau.
Den Antrag des Klägers vom 01. März 1997 auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Wegfallmonat hinaus, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. April 1997 ab. Der Kläger sei über dem Wegfallmonat hinaus zum damaligen Zeitpunkt weder berufs- noch erwerbsunfähig gewesen. Mit seinem vorhandenen Leistungsvermögen habe er noch Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben können.
Der Kläger beantragte am 18. Februar 1998 erneut die Gewährung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit. In dem Antrag gab der Kläger u. a. an, Arbeitslosengeld bezogen zu haben. Mit Schreiben vom 20. Februar 1998 meldete das Arbeitsamt B bei der Beklagten die Erstattung von Sozialleistungen an, weil es Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gezahlt habe bzw. zahle, die später für den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 24. Mai 1998 geltend gemacht wurden.
Mit Bescheid vom 15. Mai 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. März 1998 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres (Beginn der Regelaltersrente). Der Zahlbetrag ab Rentenbeginn betrug 1.873,91 DM (unter Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung) und im Juli 1998 1.886,06 DM (wiederum unter Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung). Dieser Rentenbewilligung lagen sowohl 23,2351 persönliche Entgeltpunkte als auch 23,2351 persönliche Entgeltpunkte/Ost zugrunde. In der Anlage 6 des Rentenbescheides S. 1 am Ende/S. 2 oben heißt es: “Persönliche Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente waren, sind weiterhin zugrunde zu legen, wenn sie zu einer höheren Rente führen. Die bisherigen Entgeltpunkte betragen 46,4702.„
Da der Kläger erneut bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung gestellt hatte, wurde die Rente “neu berechnet„ und dem Kläger monatlich ab Juli 1998 2.206,92 DM gezahlt; Bescheid vom 22. Juli 1998.
Der Kläger zahlte an die Kranken- und Pflegeversicherung nicht die Beiträge, weswegen die A B ein Verrechnungsersuchen an die Beklagte über den Betrag von 2.568,24 DM im März 1999 stellte. Die Beklagte behielt daraufhin mit Einverständnis des Klägers einen monatlichen Betrag von anfänglich 181,50 DM von der Rente ein. Der Zahlbetrag der Rente und Zuschüsse betrug ab 1. Juli 1999 2.067,13 DM; Bescheid vom 7. Mai 1999. Ab 1. Februar 20...