Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Herausgabe von Handakten des Anwalts. Kein Zurückbehaltungsrecht. Laufendes Verfahren. Notgeschäftsführung. Kein Gegenanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Rechtsstreit für erledigt erklärt, hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich einen Anspruch gegen den Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin auf Herausgabe der Handakten betreffend verschiedene Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin. Im laufenden Verfahren tritt mit der Eröffnung der Insolvenz der Insolvenzverwalter an die Stelle der Gemeinschuldnerin.
2. Der Prozessbevollmächtigte hat kein Zurückbehaltungsrecht, auch wenn das Mandat noch nicht beendet ist und der Anwalt im Wege der Notgeschäftsführung einige Verfahren weiter betreiben muss. Der Insolvenzverwalter muss so schnell wie möglich einen vollständigen Überblick über die laufenden Geschäfte einschließlich der dazu entstandenen Dokumente erhalten und ist verantwortlich für das weitere Schicksal rechtshängiger Verfahren.
Normenkette
InsO § 148 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 15.03.2004; Aktenzeichen 310 O 33/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss de LG Hamburg vom 15.3.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Streitwert des Verfahrens auf 2.000 EUR festgesetzt wird.
Gründe
Die zulässige (§ 91a Abs. 2, S. 1 ZPO) sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen unbegründet. Allerdings ist eine (weitere) Herabsetzung des Streitwertes geboten.
1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es - wie das LG zutreffend ausgeführt hat - billigem Ermessen, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil er nach Sachlage unterlegen wäre. Der grundsätzliche Anspruch des Antragstellers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Mandantin des Antragsgegners auf Herausgabe der Handakten betreffend verschiedene Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin stützte sich auf § 148 Abs. 1 InsO. Dass dieser Anspruch u.a. die Handakten des früheren Prozessbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin umfasst (weil es sich insoweit nicht um eigene Arbeitsergebnisse des Anwalts handelt), ist unbestritten (vgl. u.a. BGH v. 30.11.1989 - III ZR 112/88, BRAK 1990, 55 = MDR 1990, 315 = ZIP 1990, 48 ff.; ZIP 1995, 25 ff.; ZIP 1995, 227; Uhlenbruck, InsO, § 148 Rz. 3, 9; Füchsl/Weisshäupl in MünchKomm/InsO, 2000, § 148 Rz. 16; Braun, InsO, 2004, § 51 Rz. 48; jeweils m.w.N.). Ein Zurückbehaltungsrecht des bisherigen Prozessbevollmächtigten steht diesem insoweit nicht zu, und zwar auch dann, wenn das Mandat noch nicht beendet ist. In den laufenden Verfahren trat mit der Eröffnung der Insolvenz ggf. der Antragsteller an die Stelle der Gemeinschuldnerin. Soweit der Antragsgegner Letztere wegen der laufenden Prozesse einstweilen weiter vertrat, bzw. Schriftsätze verfasste, rechtfertigt dies kein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen, die grundsätzlich dem Mandanten (nunmehr dem Verwalter) zustanden.
Soweit der Antragsgegner das Zurückbehaltungsrecht darauf gestützt hat, dass er - was streitig war - seinerseits im Wege der "Notgeschäftsführung" einige Verfahren weiter betreiben musste, rechtfertigte dies genauso wenig ein Zurückbehaltungsrecht wie der Hinweis auf die Kosten für die Erstellung von Kopien der Akten vor der Herausgabe. Es steht nicht im Ermessen des früheren Prozessbevollmächtigten zu entscheiden, ob und wann er selbst sein Mandat für beendet ansieht. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass der Verwalter in der Regel immer darauf angewiesen ist, so schnell wie möglich einen vollständigen Überblick über die laufenden Geschäfte einschließlich der dazu entstandenen Dokumente zu erhalten. Die Voraussetzungen einer echten Notgeschäftsführung für den Antragsteller lagen deshalb nicht vor.
Im Gegenzug ist nach der Eröffnung der Insolvenzverwalter nicht nur zuständig, sondern auch verantwortlich für das weitere Schicksal rechtshängiger Verfahren einschließlich eventueller Fehler, die er dabei in zeitlicher oder tatsächlicher Hinsicht begeht.
Dem Antragsgegner stand schließlich auch kein Gegenanspruch wegen der Erstellung von Kopien der Schriftstücke des Mandanten zu, da die Fertigung von Unterlagen für die eigenen Zwecke des Anwalts die Herausgabe der Mandantenunterlagen nicht berührt.
2. Er war jedoch geboten, den Streitwert des Verfahrens wie erfolgt zu reduzieren.
Abgesehen davon, dass es sich - wie schon das LG zutreffend entschieden hat - um ein einstweiliges Verfahren handelte, orientierte sich der Gegenstandwert nicht an der Summe der Streitwerte in den Arbeitsgerichtsverfahren, sondern des zu schätzenden Aufwands des Klägers, die maßgeblichen Zahlen ggf. aus anderen Unterlagen als den Handakten des Antragsgegners zu ermitteln und anschließend in die Verfahren einzubringen. Selbst wenn dies im vorliegenden Fall nicht (vollständig) möglich gewesen wäre, ist nicht dargetan, dass durch die auf Grund der unberechtigten Weigerung des Ant...