Leitsatz (amtlich)
Das Verlangen einer "Bearbeitungsgebühr für Anschaffungsdarlehen" von 2 % des Darlehensbetrags, mindestens jedoch 50 EUR, aufgrund einer formularmäßigen Bestimmung im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts ist im Bankverkehr mit Verbrauchern sowohl wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als auch wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Eine solche Klausel stellt - jedenfalls bei "kundenfeindlichster" Auslegung und mit Blick auf die Mindestgebühr - nicht hinreichend klar, ob die Gebühr auch dann anfällt, wenn ein Vertrag mit dem Kunden nicht zustande kommt. Offen ist auch, ob und ggf. in welcher Weise im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung oder bei Ausübung des Widerrufsrechts eine Erstattung der Gebühr erfolgt. Unklar bleibt auch, was unter einem "Anschaffungsdarlehen" konkret zu verstehen ist und ob insoweit der Erwerb eines körperlichen Gegenstands vorausgesetzt wird.
Zudem handelt es sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede, durch die - in Verbrauchern gegenüber unzulässiger Weise - ein Entgelt vom Kunden für eine Tätigkeit verlangt wird, welche die Bank in ihrem eigenen Interesse erbringt.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 05.07.2010; Aktenzeichen 10 O 169/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 5.7.2010 - 10 O 136/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
4. Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 4.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, der in der Liste der qualifizierten Einrichtungen gem. § 4 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragen ist, verlangt von der beklagten Bank die Unterlassung der Verwendung einer Entgeltklausel für die Bearbeitung von Darlehensverträgen mit privaten Kunden. Ferner soll ihm die Befugnis zugesprochen werden, die Urteilsformel auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger bekanntzumachen.
Die Beklagte hat in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis, das auf ihrer Internetseite veröffentlicht war, u.a. eine Klausel verwandt, wonach sie bei "Anschaffungsdarlehen" eine "Bearbeitungsgebühr" von 2 % aus dem Darlehensbetrag, mindestens jedoch 50 EUR, erhebt. Nachdem der Kläger dies am 29.10.2009 festgestellt hatte, hat er die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 4.11.2009 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich dieser Entgeltklausel aufgefordert, was diese abgelehnt hat. In dem daraufhin angestrengten Verfahren hat das LG Karlsruhe durch Urteil vom 30.11.2010 die beantragte einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel erlassen (10 O 554/09). Das Urteil ist durch Rücknahme der hiergegen eingelegten Berufung der Beklagten rechtskräftig geworden. Zu einer Abschlusserklärung ist es jedoch nicht gekommen. Vielmehr verteidigt die Beklagte die streitbefangene Klausel weiterhin.
Der Kläger hat vorgetragen, die Klausel benachteilige die Kunden unangemessen. Das geforderte Entgelt für die Bearbeitung des Darlehensantrags betreffe eine Leistung, die ausschließlich im Interesse der Bank vorgenommen werde. Dies gelte insbesondere für die im Vorfeld der Darlehensgewährung vorzunehmende Bonitätsprüfung. Es handele sich um eine Klausel, die als sog. Preisnebenabrede im Sinne der Rechtsprechung kontrollfähig sei. Zudem verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich bereits daraus, dass die Beklagte vorgerichtlich auf die Abmahnung nicht reagiert habe und die Klausel auch nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung verteidige.
Die Beklagte hat geltend gemacht, bei der beanstandeten Klausel handele es sich um eine der AGB-rechtlichen Prüfung entzogene (Haupt-)Preisabrede. Dies folge schon aus dem Umstand, dass als Preis des Darlehens der Effektivzinssatz anzusehen sei, in den die Bearbeitungsgebühr eingehe. Die Bearbeitungsgebühr stelle deshalb nur einen unselbständigen Teil des lediglich kalkulatorisch aufgespaltenen Gesamtentgelts für die Inanspruchnahme der gesamten Leistungen aus dem Verbraucherdarlehensvertrag dar. Außerdem halte diese Klausel auch einer Inhaltskontrolle stand. Da nach § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 BGB (a.F.) die Kosten des Darlehens zwingend anzugeben seien und in die Berechnung des effektiven Zinssatzes gem. § 6 Preisangabenverordnung (PAngV) eingingen, erachte der Gesetzgeber die Erhebung von Bearbeitungsgebühren für zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ihrer Rechtsausführungen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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