Leitsatz (amtlich)

Die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens führt zu einer Unterbrechung aller Aktiv- und Passivprozesse der Erben, die diese als solche führen. Die Wirkung des § 240 ZPO tritt nur hinsichtlich solcher Prozesse nicht ein, die ausschließlich das nicht das zum Nachlass gehörende persönliche Vermögen der Erben betreffen.

 

Normenkette

InsO §§ 4, 315 ff.; ZPO § 240

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 10 O 396/01)

 

Tenor

Eine Entscheidung über das Gesuch des Beklagten und Berufungsklägers vom 11.10.2002, ihm für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, und über das Gesuch der Klägerin und Berufungsbeklagten vom 2.8.2002, ihr für die Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, kann derzeit nicht ergehen.

 

Gründe

1. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als Erben auf Zahlung eines Vermächtnisses i.H.v. 50.000 DM in Anspruch. Unter dem 1.3.2002 hat das LG den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte mit Schriftsatz seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 4.4.2002 Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung, hilfsweise der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, eingelegt. Bereits mit Beschl. v. 28.3.2002 hat das AG Bonn, 98 IN 205/01, über den Nachlass der Erblasserin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich einen Insolvenzverwalter bestellt. Der Senat hat unter dem 23.9.2002 die Parteien auf die Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens hingewiesen.

Mit Schriftsatz seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 11.10.2002 hat der Berufungskläger einen (erneuten) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens gestellt. Ebenfalls mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.8.2002 hat die Berufungsbeklagte um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren nachgesucht und unter dem 10.10.2002 um eine alsbaldige Entscheidung über diesen Antrag gebeten.

2. Der Senat ist derzeit daran gehindert, über die nach Eintretung der Unterbrechung gestellten Gesuche des Berufungsklägers und der Berufungsbeklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Durch Beschluss des AG – Insolvenzgericht – Bonn vom 28.3.2002, 98 IN 98/02, ist nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils das Insolvenzverfahren über den Nachlass der Erblasserin eröffnet worden (§§ 315 ff. InsO). Damit ist der Rechtsstreit nach § 240 ZPO unterbrochen, da der Streitgegenstand, worauf der Senat die Parteien bereits mit Beschl. v. 23.9.2002 hingewiesen hat, einen Bezug zur Masse dieses (Nachlass-)Insolvenzverfahrens hat. Die von Amts wegen zu berücksichtigende Unterbrechung des Rechtsstreits (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 240 Rz. 2; Feiber in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 240 Rz. 7) umfasst hier auch das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren.

Die Frage, inwieweit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem unterbrochenen Rechtsstreit noch über ein Gesuch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden werden kann, wird in der Lit. und Rspr. unterschiedlich beantwortet. Eine in der Kommentarliteratur weit verbreitete, meistens nicht näher begründete Ansicht und ein Teil der Rechtsprechung gehen dahin, dass über einen solchen Antrag als Entscheidung über einen Nebenpunkt weiterhin uneingeschränkt eine gerichtliche Entscheidung ergehen kann (z.B. OLG Dresden v. 24.10.1996 – 7 W 1003/96, OLGReport Dresden 1997, 221 = ZIP 1997, 730; OLG Koblenz v. 20.11.1987 – 5 W 583/87, AnwBl 1989, 178; OLG Köln v. 7.7.1998 – 15 W 70/98, NJW-RR 1999, 276 = NZI 1999, 30; BSG, Beschl. v. 19.8.1987 – 6 RKa 62/86, veröffentlicht bei Juris; Hess/Weis/Wienberg, Ins0, 2. Aufl. 2001, § 85 Rz. 29; Schumacher in MünchKomm, ZPO, 2. Aufl. 2000, Vor §§ 85 bis 87 InsO Rz. 46; Nerlich/Römermann/Wittkowsi, InsO, Stand 3. Lfg. April 2002, § 85 Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 249 Rz. 8; Musielak/Stadler, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 240 Rz. 6, § 249 Rz. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 249 Rz. 6; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 249 Rz. 9; jeweils für die Insolvenzordnung sowie bereits für die Geltung der Konkursordnung: Hess, KO, 6. Aufl. 1998, § 10 Rz. 15; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl. 1999, § 10 Rz. 49; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997, § 10 Anm. 1a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. 1994, Vor §§ 10–12 Rz. 7; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 249 Rz. 15, 25).

Nach anderer Ansicht wird angenommen, dass durch die Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch das PKH-Verfahren unterbrochen werde und mithin eine Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch nicht mehr ergehen könne (OLG Düsseldorf v. 4.12.1998 – 16 U 139/98, OLGReport Düsseldorf 1999, 166; LAG Hamm, Beschl. v. 3.2.1999 – 4 Sa 1050/98, veröffentlicht bei Juris, für Aktiv- und Passivprozesse; wohl auch Feib...

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