Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Änderung von Einkommensteuer(ESt)-Bescheiden
Leitsatz (redaktionell)
Werden Sozialversicherungsbeiträge mangels Versicherungspflicht zurückgezahlt, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Änderung eines Steuerbescheides auf Grund eines rückwirkenden Ereignisses erfasst zwar auch die bei der ursprünglichen Entscheidung unterlaufenen Rechenfehler. Hierunter fällt aber nicht die nachträgliche Korrektur einer fehlerhaften Höchstbetragsberechnung gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die durch falsche Sachverhaltsmitteilung desjenigen Ehegatten verursacht worden ist, der nicht von der Versicherungspflicht rückwirkend freigestellt worden ist.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Änderung der Einkommensteuer(ESt)-Bescheide 1996 bis 1998.
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur ESt veranlagt. Beide erzielten u. a. als GmbH-Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Nach den Angaben in ihren ESt-Erklärungen bezog der Kläger sozialversicherungspflichtigen, die Klägerin sozialversicherungsfreien Arbeitslohn. Die Ehefrau erklärte jedoch, dass für sie als GmbH-Geschäftsführerin eine Anwartschaft auf Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung aus dem aktiven Dienstverhältnis bestehe.
Mit ESt-Bescheiden für 1996 vom 8. September 1997, für 1997 vom 25. August 1998 und für 1998 vom 13. Oktober 1999 kürzte das beklagte Finanzamt entsprechend den Angaben der Kläger den Vorwegabzug bei deren Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2000 teilte die Krankenkasse dem Kläger mit, dass entgegen der bisherigen Handhabung für den Kläger u.a. in der Zeit vom 01. Januar 1996 bis 31. Dezember 1998 keine Sozialversicherungspflicht bestanden habe, und sandte dem Kläger einen Antrag auf Beitragerstattung zu. Auf Antrag des Klägers zahlte die Krankenkasse anschließend die Beiträge zurück.
Am 8. Dezember 2000 begehrten die Kläger die entsprechende Änderung der Steuerbescheide 1996 bis 1998 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO).
Mit Bescheiden jeweils vom 18. Juli 2001 änderte das Finanzamt antragsgemäß die ESt-Bescheide für 1996 bis 1998 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Änderungen führten zu niedrigeren Steuerfestsetzungen, weil nunmehr der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nur noch anteilig aufgrund der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit der Ehefrau gekürzt worden war.
Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger am 17. August 2001 Einspruch ein und begehrten die Berücksichtigung des ungekürzten Vorwegabzugs bei den Sonderausgaben. Zur Begründung trugen sie vor: Bei der Ermittlung der beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben sei der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 16 % des Arbeitslohnes der Klägerin gekürzt worden. Die Klägerin sei aber beherrschende Gesellschafterin der ... GmbH und unterliege nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht (was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist). Durch eine EDV-Umstellung sei es zu einem Eingabefehler gekommen. Das Kreuz "nicht rentenversicherungspflichtig" sei versehentlich in die Zeile "mit" Anwartschaft eingetragen worden. Steuerlich habe dieser Eingabefehler bisher keine Konsequenzen gehabt, da der Vorwegabzug in Höhe von 12.000 DM durch das Gehalt des Klägers in voller Höhe zu kürzen gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2004 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 351 Abs. 1 AO könnten Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergebe. Insbesondere die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO lägen nicht vor. Den Berater treffe ein grobes Verschulden daran, dass erst nachträglich bekannt geworden sei, dass die Klägerin nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen und auch keine Anwartschaft auf Altersversorgung bestanden habe. Denn in den Steuererklärungsvordrucken sei die ausdrücklich gestellte Frage zur Frage von Anwartschaften auf Altersversorgung aus dem aktiven Arbeitsverhältnis falsch beantwortet worden.
Am 31. August 2004 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:
Das Finanzamt habe die ESt-Bescheide 1996 bis 1998 auf Antrag der Kläger nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert. Die Berichtigung hätte aber nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolgen müssen. Der nachträgliche Wegfall der Sozialversicherungspflicht sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 28. Mai 1998 (BStBl II 1999, 95) ein rückwirkendes Ereignis. Nach dem Urteil des BFH vom 23. November 2000, BStBl II 2001, 122, ...