Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Umsatzsteuerfestsetzungen
Leitsatz (redaktionell)
Bestandskräftige und festsetzungsverjährte Umsatzsteuerbescheide können grundsätzlich nicht deswegen geändert werden, weil § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG in den Streitjahren nicht im Einklang mit Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie stand.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9 b; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. f; EG Art. 10; AO §§ 172, 130
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 31.01.2011; Aktenzeichen XI R 11/10) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Umsatzsteuerfestsetzungen für das Streitjahr geändert werden kann. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in Höhe von … DM, Umsätze aus Unterhaltungsautomaten in Höhe von … DM und sonstige steuerpflichtige Umsätze in Höhe von … DM. Vorsteuerbeträge fielen in Höhe von … DM an. Für das Streitjahr gab die Klägerin am 24. April 1997 eine Umsatzsteuererklärung ab, aus der sich ein Erstattungsbetrag ergab und der das Finanzamt zustimmte. In der Zustimmungserklärung wurde darauf hingewiesen, dass die Umsatzsteuererklärung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.
Mit Schreiben vom 15. März 2005 legte die Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1995 Einspruch ein und beantragte die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten auf 0,- DM. Vorsorglich wurde ein Änderungsantrag gemäß § 164 Abgabenordnung (AO) sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO gestellt. Hintergrund dieses Antrages war, dass der EuGH in seinem Urteil vom 17. Februar 2005 (Az. C-453/02, Linneweber) entschieden hatte, dass sich ein Kläger hinsichtlich der Steuerbefreiung für Glücksspiele mit Geldeinsätzen auf die 6. EG-Richtlinie berufen könne. Da erst durch dieses Urteil des EuGH vom 17. Februar 2005 festgestanden habe, dass Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegen würden, berufe sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Emmott (Az. C-208/90 vom 25. Juni 1991). Nach diesem Urteil könne sich ein Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie in nationales Recht nicht auf die Verspätung einer Klage berufen, die ein Einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmung der EG-Richtlinie verliehenen Rechte gegen den Mitgliedstaat erhoben habe.
Mit Schreiben vom 25. Mai 2005 lehnte das Finanzamt unter Verweis auf die bereits eingetretene Festsetzungsverjährung die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr ab. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juni 2005 Einspruch.
Mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 11. Juli 2005 wies das Finanzamt sowohl den Einspruch als unzulässig zurück, weil dieser verspätet eingelegt worden sei, als auch den Antrag auf Änderung, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ebenso käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Frage, weil ein solcher Antrag nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der jeweiligen Rechtsbehelfsfrist gestellt worden sei.
Ein Durchbrechen der Bestandskraft lasse sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 25. Juni 1991 in der Rechtssache Emmott herleiten. Zwar habe der EuGH in diesem Urteil den Standpunkt vertreten, dass der Ablauf nationaler Verfahrensfristen wie Widerspruchs- und Klagefristen gehemmt sei, wenn der nationale Verwaltungsakt im Widerspruch zum europäischen Gemeinschaftsrecht ergehe und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sonst trotz Ablaufes der Umsetzungsfrist der Mitgliedstaat den Gemeinschaftsrechtsakt nicht ordnungsgemäß in nationales Recht transformiert habe. Diese Rechtsprechung des EuGH gehe jedoch von dem Grundsatz aus, dass das Gemeinschaftsrecht es vor einer Harmonisierung von Bestimmungen über die Verfahrensgrundsätze nicht verbiete, einem Bürger, der vor einem innerstaatlichen Gericht die Entscheidung einer innerstaatlichen Stelle wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht anfechte, den Ablauf der im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Fristen für die Rechtsverfolgung entgegenzuhalten. In seinem Urteil vom 2. Dezember 1997 habe der EuGH daher auch betont, dass seine Entscheidung vom 25. Juni 1991 durch die besonderen Umstände jenen Falles gerechtfertigt gewesen sei, in denen den Betroffenen durch den Ablauf der Klagefrist jede Möglichkeit genommen sei, einen Anspruch auf Gleichbehandlung geltend zu machen, und habe damit deutlich gemacht, dass er den in dem Verfahren Emmott entwickelten Rechtsgrundsatz auch auf Fallkonstellationen der dort gegebenen Art beschränkt wissen wolle.
Bezogen auf den Streitfall spreche nichts dafür, dass die Klägerin gehindert gewesen sei, sich fristgerecht gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr zu wehren und sich auf einen Verstoß gegen Bundes- oder Gemeinschaftsrecht zu berufen. Für die Geltendmachung des Rechts auf richtlinienkonforme Anwen...