Rz. 19

Anders als bei einer Hemmung wegen höherer Gewalt nach Abs. 1, wirkt die Regelung des Abs. 2 S. 1 nicht so, dass die Zeit des Laufs der Ablaufhemmung der Frist nach Wegfall der "Hemmung" (Rz. 7f.) – also nach Eintritt der Festsetzungsverjährung – dem regulären Ende der Zahlungsverjährungsfrist angefügt wird.[1] Andernfalls würde die Zahlungsverjährung wegen § 230 Abs. 2 S. 1 AO erst lange nach Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist enden. Diese weitergehende Ausweitung der Zahlungsverjährung würde zu völlig unangemessenen Ergebnissen führen und wäre von den Intentionen des Gesetzgebers (Rz. 12 f.) und dem Sinn und Zweck der Regelung nicht getragen. Auch bedarf es einer Ausweitung der Zahlungsverjährung in den Fällen, in denen tatsächlich Änderungen erfolgen wegen der Regelung des § 229 Abs. 1 S. 3 AO nicht, da nach Änderung ohnehin eine neue Zahlungsverjährungsfrist beginnt.

Erfolgt keine Änderung, bedarf es – trotz der noch bestehenden Handlungsmöglichkeiten (Rz. 14) – gleichfalls keines weitergehenden Laufs der Zahlungsverjährungsfrist, da dem FA wie auch dem Stpfl. auch während der Hemmung die (ergänzenden) verjährungshemmenden Maßnahmen nach § 231 AO zur Verfügung stehen. Auch dies unterscheidet den Regelungsbedarf und damit die Wirknotwendigkeit einer Hemmung nach § 230 Abs. 2 S. 1 von denen des Abs. 1 (Rz. 3).

Auch aus der Stellung im Gesetz ergibt sich nicht notwendig, dass die Rechtsfolgen einer Hemmung nach Abs. 1 und der Regelung des Abs. 2 S. 1 des § 230 AO trotz der grundsätzlich anderen tatbestandlichen Anknüpfung notwendig die gleichen Wirkungen erzeugen müssen. Die "Hemmung" der Zahlungsverjährung nach § 230 Abs. 2 S. 1 AO war dementsprechend schon in der Fassung des JStG 2022 (Rz. 12) bei der Berechnung der fristhemmenden Wirkung nicht mit der Hemmung wegen höherer Gewalt nach § 230 Abs. 1 AO vergleichbar.[2]

Man musste hier eine dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechende Einschränkung der fristhemmenden Wirkung dahingehend vornehmen, dass mit Eintritt der Festsetzungsverjährung des betroffenen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nicht nur die Hemmung der Zahlungsverjährung endet, sondern dieser Frist auch kein ergänzender Zeitablauf hinzugerechnet wird. In der Regel wird deshalb in den Fällen des § 230 Abs. 2 S. 1 AO die Zahlungsverjährung mit Eintritt der Festsetzungsverjährung eintreten.[3]

 

Rz. 19a

Um dies unmissverständlich klarzustellen, hat sich der Gesetzgeber zu einer klarstellenden Gesetzesänderung gehalten gesehen und im Wachstumschancengesetz[4] die ursprünglich gewählte Formulierung "Die Verjährung ist gehemmt, ..." in die in der Folgewirkung klarere Fassung "Die Verjährungsfrist läuft nicht ab, ..." geändert.[5]

 

Rz. 20

Um eine Festsetzung, eine Einspruchsentscheidung oder ein Urteil in der Folge umsetzen zu können, wird man wegen der lex-specialis-Wirkung (Rz. 15) des Abs. 2 S. 1 insoweit § 229 Abs. 1 S. 3 AO nicht heranziehen können. Zur Sicherstellung der Umsetzungsmöglichkeit der Entscheidung steht aber der Instrumentenkasten des § 231 AO zur Verfügung.

Rz. 21 einstweilen frei.

[1] A. A. Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 230 AO Rz. 1.
[2] Baum, in eKommentar, § 230 AO Rz. 12; BT-Drs. 20/8628, 176; a. A. Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 230 AO Rz. 1.
[3] So auch Baum, in eKommentar, § 230 AO Rz. 12; a. A. Kögel, in Gosch, AO/FGO, § 230 AO Rz. 1.
[4] Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) v. 27.3.2024, BGBl I 2024, Nr. 108, 18.
[5] Rz. 12a; BT-Drs. 20/8628, 176.

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