0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) v. 9.12.2019 (BGBl. I S. 2562) hat gemäß Art. 1 Nr. 1b die Norm mit Wirkung zum 19.12.2019 nach § 20j eingefügt. Die Initiative hierzu ging im Gesetzgebungsverfahren vom 14. Ausschuss aus (BT-Drs. 19/14857).
1 Allgemeines
Rz. 2
Laut einer repräsentativer Studie der Techniker Krankenkasse (TKK) rangiert als wichtigste Quelle für Gesundheitsinformationen gleich hinter dem Arzt mit 82 % inzwischen das Internet mit 77 % (https://www.tk.de/resource/blob/2040318/a5b86c402575d49f9b26d10458d47a60/studienband-tk-studie-homo-digivitalis-2018-data.pdf). Neben vielen Vorteilen für die Versicherten birgt dies allerdings auch die Gefahr, im Wege der internetgestützten "Eigendiagnose" aufgrund fehlender Verständlichkeit medizinischer Fachbegriffe und grundsätzlich auch fehlender grundlegender Kenntnisse, insbesondere aber auch wegen mangelnder Qualität der digitalen Informationsquelle oder Falschinformationen nachhaltig fehlgeleitet zu werden. Wie wichtig die Vermittlung medizinisch gesicherter und zutreffender Informationen durch das Internet jedoch ist, belegen u. a. die seit Jahren wachsende Impfmüdigkeit oder die nicht nachvollziehbaren "Masern- oder Windpockenpartys" beispielhaft erschreckend. Digitale Informationen sinnvoll zu nutzen, setzt unabdingbar voraus, grundlegende Kenntnisse mit digitalen Quellen zu erwerben, auch um die Seriosität und Kompetenz der Quelle der Informationen einigermaßen sicher beurteilen zu können. Es ist daher konsequent, diese Aufgaben in einem gesetzlichen Förderkonzept digitaler Gesundheitskompetenz zu verankern.
Rz. 3
Die Vorschrift ist vor diesem Hintergrund im Zusammenhang mit § 20h Abs. 2 zu sehen, der die Krankenkassen im Rahmen der Förderung der Selbsthilfegruppen verpflichtet, gleichberechtigt zu rein analogen Angeboten auch digitale Anwendungen zu unterstützen, die einen Beitrag zur weiteren Verbesserung der Versorgung bei der Unterstützung und Begleitung von Therapien in allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen leisten. Die dafür nötige grundlegende Kompetenz ist bei den Versicherten alters- und bildungsabhängig unterschiedlich ausgeprägt. Um zu verhindern, dass einzelne Gruppen von Versicherten die Potenziale entsprechender Technologien nicht nutzen können, ist die Vermittlung von digitaler Gesundheitskompetenz ein Anliegen des Gesetzgebers, auch um Ungleichheiten von Gesundheitschancen zu mindern. Gleichzeitig können dadurch Kenntnislücken hinsichtlich der verarbeitungsbezogenen Personendaten sowie der Betroffenenrechte geschlossen werden, was grundsätzlich die Akzeptanz digitaler Anwendungen erhöht.
2 Rechtspraxis
2.1 Leistungsanspruch der Versicherten (Abs. 1)
Rz. 4
Abs. 1 verpflichtet die Krankenkassen, in ihrer jeweiligen Satzung Angebote zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz aufzunehmen. Dadurch wird ein individueller Leistungsanspruch der Versicherten nach Maßgabe der Satzung begründet (Satz 1). Die Leistungsangebote sollen die Versicherten befähigen, die für die Nutzung digitaler und telemedizinische Anwendungen und Verfahren spezifische erforderliche Kompetenz zu bekommen, umso selbstbestimmte Entscheidungen über den Einsatz digitaler Innovationen im Rahmen der Krankenbehandlung zu treffen (Satz 2). Dies erfordert die Vermittlung der entsprechenden Technologie und der Verfahren für den gesundheitsbezogenen Einsatz. Unzulässig sind hingegen Angebote, die lediglich allgemeine Kenntnisse im Umgang mit Hard- und Software ohne konkreten Bezug zu einem gesundheitsbezogenen Einsatz vermitteln (so ausdrücklich BT-Drs. 19/14867 S. 90). Die Krankenkasse ist dabei verpflichtet, die Festlegung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nach Abs. 2 zugrundezulegen.
2.2 Festlegungen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Abs. 2)
Rz. 5
Abs. 2 stellt dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Aufgabe, das Nähere zu bedarfsgerechten Zielstellungen, Zielgruppen sowie zu Inhalt, Methodik und Qualität der Leistungen nach Abs. 1 festzulegen. Dabei hat er unabhängigen, ärztlichen, psychologischen, pflegerischen, informationstechnologischen und sozialwissenschaftlichen Sachverstand einzubeziehen. Die Schulungsinhalte müssen Aspekte der praktischen Nutzbarkeit in der ambulanten, stationären und nachstationären Versorgung abdecken. Insbesondere darauf ist bei der Auswahl des Sachverständigen aus dem Kreis der Leistungserbringer zu achten. Der Einbezug sozialwissenschaftlichen und informationstechnologischen Sachverstands soll eine bedarfsgerechte Entwicklung gewährleisten. Ferner sollen qualitativ hochwertige Angebote entwickelt werden, die den von Abs. 1 geforderten spezifischen Bezug zur digitalen Kompetenz im Gesundheitsbereich aufweisen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Festlegungen sowohl die Möglichkeit einer ausschließlich digitalen Vermittlung von Lerninhalten als auch die Leistungserbringung im Rahmen einer persönlichen Versorgung.
2.3 Berichtsfristen (Abs. 3)
Rz. 6
Nach Abs. 3 hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen dem Bundesministerium für Gesundheit erstmals bis zum 31.12.2021 und danach alle 2 Jahre zu beri...