a) Steuertatbestand
Rz. 230
Der Erbschaftsteuer unterliegt nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Damit sind die beiden Fälle abgedeckt, dass das Recht des Dritten auf die Leistung erst mit dem Tod des Erblassers erworben wird (§ 331 BGB), und der Fall, dass der Dritte die Leistung bekommt, ohne ein Forderungsrecht erworben zu haben.
Ein Vertrag zugunsten Dritter ist nicht gegeben bei Errichtung einer in- oder ausländischen Stiftung. Denn anders als ein Vertrag zugunsten Dritter ist die Stiftungserrichtung ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der § 3 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG diesen rechtlichen Unterschied gesehen. Selbst wenn es – ausnahmsweise – zu keinem wirksamen Übergang des Vermögens auf die Stiftung kommt, weil diese nicht als selbständiger Rechtsträger anzuerkennen ist, wäre § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht anwendbar.
Rz. 230a
Ein Vertrag zugunsten Dritter gem. § 331 Abs. 1 BGB, bei dem die Leistung an den Dritten nach dem Tod desjenigen erfolgen soll, welchem sie versprochen worden ist, führt beim Tod des Versprechensempfängers regelmäßig zu einem derartigen Erwerb von Todes wegen. Allerdings setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet wird, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tod des Erblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlangt auch der Erwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine objektive Bereicherung des Dritten. Außerdem muss das Bewusstsein der Freigebigkeit vorhanden sein. Verlangt wird zudem, dass es zu einer Vermögensminderung auf der Seite des Erblassers kommt. Der BFH hat ferner ausgeführt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine Bereicherung des Begünstigten voraussetzt, die aus dem Vermögen des Erblassers herrührt. Die Besteuerung erfolgt nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert des Auszahlungsbetrags. Die Steuer entsteht mit dem Tod des Versicherungsnehmers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG).
Rz. 230b
Die Steuer entsteht nach dem Urteil des FG Köln v. 30.1.2019 (schon) mit dem Tod des Erblassers, wenn der Erbe als alleiniger Bezugsberechtigter eines vom Erblasser abgeschlossenen Termfix-Lebensversicherungsvertrages mit dessen Tod unmittelbar einen eigenen, unwiderruflichen Rechtsanspruch gegen die Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme bzw. des Rückkaufswertes zum Fälligkeitszeitpunkt erwirbt. Dass der Zahlungsanspruch erst nach dem Todestag des Erblassers zum vereinbarten Ablauftermin der Versicherung fällig wird, soll dem nicht entgegenstehen, weil abweichend von der zivilrechtlichen Betrachtung eine Betagung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG aufgrund des fixierten Auszahlungstermins nicht vorliege.
Rz. 230c
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist die Auszahlung einer Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung oder einer Leibrente aus einer Leibrentenversicherung steuerpflichtig, wenn sie nicht an den Versicherungsnehmer selbst, sondern an einen bezugsberechtigten Dritten fällt. Hat ein Bezugsberechtigter eines Lebensversicherungsvertrags die Prämien ganz oder teilweise gezahlt, ist die Versicherungsleistung nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer/Erblasser gezahlten Versicherungsbeiträge zu den insgesamt gezahlten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen; nur dieser Teil unterliegt der Erbschaftsteuer (s. Rz. 236). Der Bezugsberechtigte trägt nach Ansicht der FinVerw. die Beweislast hinsichtlich der von ihm gezahlten Versicherungsbeiträge. Die Bereicherung des Begünstigten durch den Erhalt der Versicherungssumme aus einer Lebensversicherung entfällt z.B. nicht aufgrund der Tatsache, dass er über mehr als 20 Jahre mit der Erblasserin in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt hat und im Rahmen dieser einen höheren Unterhaltsbeitrag als die Erblasserin geleistet hat.
Rz. 230d
Im Nachgang zu der Entscheidung des BFH hat die Finanzverwaltung die Haftung der Kreditinstitute (und Lebensversicherer) für die Erbschaftsteuer auf diejenigen Erwerber ausgedehnt, die (ohne Erbe zu sein) Vermögen aus einem Vertrag zugunsten Dritter erwerben.
Rz. 230e
Bei Versicherungssummen aus einer verbundenen Lebensversicherung, d.h. auf einer auf das Leben eines zuerst versterbenden Mitversicherungsnehmers – zumeist Ehegatten – abgeschlossenen Lebensversicherung, ergeben sich folgende Besonderheiten. Da das Versicher...