Rz. 28

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung erlaubt es sich, auf ein Bewertungsverfahren nach § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG in Fällen geringer Bedeutung, einvernehmlich mit den Verfahrensbeteiligten, zu verzichten. Solche Fälle sollen insbesondere dann vorliegen, wenn der Verwaltungsaufwand der Beteiligten außer Verhältnis zur steuerlichen Auswirkung stehe und der festzustellende Wert unbestritten sei.[2] Bei Einigkeit über den Wert eines Erwerbsgegenstands dürfte dies stets zu bejahen sein, denn dann ist auch dessen steuerliche Auswirkung bekannt und jedes gesonderte Bewertungsverfahren würde unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen. Zu beachten ist jedoch, dass § 12 Abs. 2, 3, 5, 6 ErbStG und § 8 Abs. 2 GrEStG[3] die Veranlassung gesonderter Wertfeststellungen nach § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG zwingend vorschreiben.[4] Ein darauf verzichtendes Besteuerungsfinanzamt erlässt damit bewusst rechtswidrige Steuerbescheide (s. auch § 126 Abs. 1 Nr. 5 AO);[5] dies gilt entsprechend bei mehrstufigen Verfahren für die jeweils verzichtende Bewertungsbehörde.

 

Rz. 29

[Autor/Stand] Es kann dahinstehen, ob die Entscheidung des Gesetzgebers für eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 151 Abs. 1 Satz 1 BewG überhaupt durch eine bloße Verwaltungsanweisung durchbrochen werden kann.[7] Problematisch ist jedenfalls die Zuständigkeit für die Verzichtsentscheidung. Das Besteuerungsfinanzamt hat zwar die Kompetenz zur Beauftragung des Feststellungsfinanzamts (§ 151 Abs. 1 Satz 2 BewG). Doch folgt die insoweit notwendige Bedeutung der Werte der einzelnen Vermögensgegenstände für die Erbschaft- bzw. Grunderwerbsteuer allein schon daraus, dass sie in die steuerliche Bemessungsgrundlage eingehen (§ 10 Abs. 1 ErbStG, § 8 Abs. 2 GrEStG).[8] Das Besteuerungsfinanzamt darf daher nur dann von der Beauftragung eines Feststellungsfinanzamts absehen, wenn – bspw. wegen der persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG) oder bei eindeutiger Steuerfreiheit des Erwerbs (bspw. § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) – eine Besteuerung keinesfalls in Betracht kommt.[9] Ansonsten kann nur das beauftragte Feststellungsfinanzamt auf die ihm obliegende Wertfeststellung verzichten.[10]

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Problematisch ist der Verzicht auf die gesonderte Feststellung in den Fällen, in denen die Werte z.B. wegen des Eingreifens der persönlichen Freibeträge (§ 16 ErbStG) oder einer sachlichen Steuerbefreiung (Familienheim § 13 Abs. 1 Nr. 4a4c ErbStG) bei der Besteuerung (zunächst) ohne Bedeutung sind. Werden sie später doch relevant, z.B. weil der Wert als Vorerwerb im Rahmen des § 14 ErbStG bei nachfolgenden Erwerben zu berücksichtigen ist[12] oder weil die die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b oder 4c ErbStG weggefallen sind, sind die erforderlichen Feststellungen auf den früheren Erwerbszeitpunkt nachzuholen.

[Autor/Stand] Autor: Loose, Stand: 01.04.2024
[2] R B 151.1 Abs. 4 ErbStR 2019.
[3] I.d.F. des StÄndG 2015 v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1834.
[4] BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329 (zu § 8 Abs. 2 GrEStG a.F.).
[Autor/Stand] Autor: Loose, Stand: 01.04.2024
[7] BFH v. 2.12.2003 – II B 76/03, BStBl. II 2004, 204. Möglicherweise hätte es zumindest einer Rechtsverordnung bedurft; vgl. § 180 Abs. 2 AO.
[9] So offenbar auch R B 151.2 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 ErbStR 2019; BFH v. 25.9.2013 – II R 2/12, BStBl. II 2014, 329.
[10] Vgl. BFH v. 25.11.2008 – II R 11/07, BStBl. II 2009, 287; i.E. wohl ebenso R B 151.1 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2019.
[Autor/Stand] Autor: Loose, Stand: 01.04.2024

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