Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Wird ein Neufahrzeug von einem Händler verkauft, wird häufig als Teil der Gegenleistung ein gebrauchtes Fahrzeug in Zahlung genommen. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Neufahrzeugs muss auch der Wert des Altfahrtzeugs ermittelt werden. Während bisher von dem gemeinen Wert des Altfahrzeugs auszugehen war und sich dadurch ein sog. verdeckter Preisnachlass ergeben konnte, ist jetzt der subjektive Wert des Altfahrzeugs anzusetzen.
Die rechtliche Problematik
Verkauft ein Kraftfahrzeughändler (steuerbar und steuerpflichtig) ein Fahrzeug und nimmt – in aller Regel neben einer Barzahlung – ein Altfahrzeug in Zahlung, liegt ein Tausch mit Baraufgabe vor. Zur zutreffenden Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Neufahrzeugs wurde bisher der gemeine Wert des in Zahlung genommenen Fahrzeugs ermittelt. Dabei konnte im Rahmen einer Vereinfachungsregelung der gemeine Wert ausgehend von dem Verkaufserlös für das Altfahrzeugs und – soweit der Verkauf innerhalb von 3 Monaten nach Inzahlungnahme erfolgte – unter Abschlag von 15 % des erhaltenen Verkaufspreises ermittelt werden. Da beim Verkauf von Neufahrzeugen die Altfahrzeuge häufig zu einem über dem tatsächlichen Verkehrswert (dies entspricht regelmäßig dem gemeinen Wert nach § 9 BewG) liegenden Wert in Zahlung genommen werden (sog. verdeckter Preisnachlass), ergab sich bisher die Möglichkeit einer Minderung der Bemessungsgrundlage.
Der BFH hatte die von der Finanzverwaltung bisher angewandte Methode zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei einem solchen Tausch mit Baraufgabe für grundsätzlich ungeeignet erklärt, es aber nicht beanstandet, wenn sich Unternehmer auf diese Vereinfachungsregelungen berufen. Nach den Feststellungen des BFH ist der Wert eines Umsatzes, der beim Tausch als Entgelt für den anderen Umsatz gilt, der Wert, den der Empfänger der Leistung beimisst, die er beziehen will, und entspricht dem Betrag, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist. Damit ist grundsätzlich ein subjektiver Wert bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung reagiert auf die Rechtsprechung des BFH und ändert den UStAE. Nimmt ein Kraftfahrzeughändler beim Verkauf eines Fahrzeugs einen Gebrauchtwagen in Zahlung und leistet der Käufer i. H. des Differenzbetrags eine Zuzahlung, liegt ein Tausch mit Baraufgabe vor. Zum Entgelt des Händlers gehört neben der Zuzahlung auch der subjektive Wert des in Zahlung genommenen Fahrzeugs.
Der subjektive Wert des in Zahlung genommenen Fahrzeugs ergibt sich aus dem individuell vereinbarten Verkaufspreis zwischen dem Fahrzeughändler und dem Käufer abzüglich der vom Käufer zu leistenden Zuzahlung. Dies soll dann den Wert darstellen, den der Händler dem Gebrauchtwagen beimisst und den er bereit ist, hierfür aufzuwenden.
Die bisher in Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE erfassten Möglichkeiten zur Ermittlung des gemeinen Werts des in Zahlung genommenen Fahrzeugs sind von der Finanzverwaltung aufgehoben worden. Ebenfalls sind die Regelungen aufgehoben worden, die zu einer höheren Umsatzsteuer führten, wenn das von dem Fahrzeughändler in Zahlung genommene Fahrzeug einen höheren Wert hat, als dem Käufer des Neufahrzeugs angerechnet wurde. Da es unter Ansatz des subjektiven Werts keinen verdeckten Preisnachlass geben kann, sind auch die bisher in Abschn. 10.5 Abs. 5 UStAE enthaltenen Hinweise zum überhöhten (unrichtigen) Steuerausweis in einer Rechnung in diesen Fällen aufgehoben worden.
Die Neuregelungen gelten in allen offenen Fällen. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für alle vor dem 1.1.2022 ausgeführten Leistungen nicht, wenn noch die bisherigen Rechtsfolgen zum verdeckten Preisnachlass angewendet werden.
Im Zusammenhang mit den Änderungen zum verdeckten Preisnachlass hat die Finanzverwaltung auch eine grundsätzliche Feststellung im UStAE zum Tausch getroffen: Hat der Unternehmer keine konkreten Aufwendungen für seine Gegenleistung bei dem Tausch getätigt, ist das Entgelt für die Leistung gem. § 162 AO zu schätzen.
Konsequenzen für die Praxis
Aufgrund der Rechtsprechung des BFH schafft die Finanzverwaltung die bisherigen Regelungen zum verdeckten Preisnachlass ab. Soweit Fahrzeughändler diese Regelungen bisher angewendet hatten und auch entsprechende Rechnungen ausgestellt hatten, erhöht sich durch diese Veränderung die Bemessungsgrundlage.
Unternehmer U verkauft im August 2020 ein Neufahrzeug mit einem Listenpreis von 40.000 EUR zzgl. 16 % USt (= 6.400 EUR). Neben einer Zahlung des Kunden i. H. v. 41.400 EUR nimmt er auch das Altfahrzeug des Kunden zu einem Anrechnungspreis von 5.000 EUR in Zahlung. U kann das Fahrzeug im Oktober 2020 für 4.000 EUR an einen Privatkunden verkaufen.
Bisher ermittelte sich die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Neufahrzeugs aus der erhaltenen Baraufgabe (hier 41.400 E...