Leitsatz

1. Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließen Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft bereits bei Fälligkeit zu (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

2. Fällig wird der Tantiemeanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben.

3. Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den (festgestellten) Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen (a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12.05.2014, BStBl I 2014, 860).

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1, § 38a Abs. 1 EStG, § 133, § 157 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Er erhält für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt. Zudem ist ihm eine Tantieme i. H. v. 20 % des Jahresgewinns zugesagt, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen ist. Die Tantiemen wurden dem Kläger in den Streitjahren (2015 bis 2017) weder ausgezahlt noch hat die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet. In den ESt-Erklärungen für die Streitjahre gab der Kläger Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit ohne Tantiemen an. Das FA veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß. Nach einer LSt-Außenprüfung bei der GmbH ging das FA davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen in der vereinbarten Höhe vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien, und änderte die ESt-Festsetzungen für die Streitjähre entsprechend. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gälten Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen. Ob sie tatsächlich ausgezahlt worden seien, sei unerheblich, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt. Vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen flössen auch einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden sei und sich die Tantiemen deshalb weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt hätten (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.6.2022, 12 K 58/20, EFG 2023, 193, Haufe-Index 15675688).

Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer nach § 11 Abs. 1 Satz 4, § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind.

2. Der BFH geht zudem in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen kann.

a) Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist.

b) Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (BFH, Urteil vom 12.7.2021, VI R 3/19, BFH/NV 2022, 91 und BFH, Urteil vom 28.4.2020, VI R 44/17, BFH/NV 2020, 1125, jeweils m. w. N.; a. A. BMF, Schreiben vom 12.05.2014, IV C 2 - S 2743/12/10001, BStBl I 2014, 860).

c) Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren (BFH, Urteil vom 28.4.2020, VI R 44/17, BFH/NV 2020, 1125).

3. Überdies kann der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch zum Zufluss des Forderungswerts führen, soweit mit ihm eine verdeckte Einlage erbracht wird (BFH, Beschluss vom 9.6.1997, GrS 1/94, BFH/NV BFH/PR 1997, 391).

a) Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Gesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, und wenn diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (BFH, Urteil vom 15.5.2013, VI R 24/12, BFH/NV 2013, 1694, m. w. N.).

b) Als verdeckte Einlage sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die ...

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