Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärungsrüge
Leitsatz (NV)
Ist die unterlassene weitere Sachaufklärung unter Zugrundelegung der vom FG vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht entscheidungserheblich, trifft das FG weder von Amts wegen noch auf Antrag eine Aufklärungspflicht. Es kann daher in einem solchen Fall dahinstehen, wie die Rüge des Übergehens eines Beweisantrags, der vom Prozeßgegner gestellt worden ist und den sich der Kläger und Beschwerdeführer nicht zu eigen gemacht hatte, vom BFH verfahrensrechtlich zu behandeln ist.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobene Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen.
Das FG führte im wesentlichen aus, infolge der in Gläubigerbenachteilungsabsicht von der Steuerschuldnerin vollzogenen Abtretung einer für sie als Eigentümerin im Grundbuch (Abteilung III laufende Nr. 3) eingetragenen Eigentümergrundschuld an dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück in K an den in Kenntnis der Sachlage handelnden Kläger sei das FA berechtigt gewesen, gemäß §3 Abs. 1 Nr. 1, §7 des Anfechtungsgesetzes den Duldungsbescheid gegen den Kläger zu erlassen. Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf das auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1181, veröffentlichte Urteil der Vorinstanz verwiesen.
Seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf Verfahrensfehler (§115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger sieht die gemäß §76 Abs. 1 FGO bestehende Sachaufklärungspflicht des FG dadurch verletzt, daß das FG es unterlassen habe, den mit der Sache befaßten Betriebsprüfer einzuvernehmen, den das FA als Zeugen dafür benannt habe, daß aus diversen Prüfungsbesprechungen in den Jahren 1991 und 1992 verdeckte Gewinnausschüttungen bekannt gewesen seien, die zu erheblichen Einkommensteuernachzahlungen führen müßten.
a) Nach §76 Abs. 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die Tatsacheninstanz gehalten ist, erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbarer Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. Sie darf daher auf die Erhebung eines von einem Beteiligten bezeichneten Beweismittels im Regelfall nur verzichten, wenn sie die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar oder die Tatsache rechtsunerheblich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. die Senatsurteile vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, 307, BStBl II 1978, 311, und vom 19. September 1985 VII R 164/84, BFH/NV 1986, 674).
b) Hat ein Beteiligter in der Vorinstanz keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, erfordert eine gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß §76 Abs. 1 FGO verstoßen, die Angabe der Tatsachen, die es auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen, oder der zu erhebenden Beweise sowie die Darlegung, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, was sich bei weiterer Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern das Ergebnis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 11. November 1997 II B 3/97, BFH/NV 1998, 604, m.w.N.).
c) Im Streitfall besteht die Besonderheit, daß der Kläger das Übergehen eines Beweisantrags rügt, der vom Prozeßgegner, dem FA, beim FG gestellt worden ist. Da der Kläger nicht vorgetragen hat, daß er sich den Beweisantrag des FA zu eigen gemacht hat und nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Beweisantrag auf Vernehmung des Betriebsprüfers als Zeugen als auch vom Kläger gestellt angesehen werden kann, neigt der Senat dazu, als Maßstab für den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung sowohl hinsichtlich der Darlegung als auch der rechtlichen Beurteilung nicht die Grundsätze zum Übergehen eines Beweisantrags (oben a), sondern die Grundsätze zur Amtsermittlungspflicht auch ohne entsprechenden Antrag (oben b) zugrunde zu legen.
Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben, denn beide Fallgruppen setzen jedenfalls voraus, daß die weitere Sachaufklärung, die das FG unterlassen hat, für den Ausgang des Rechtsstreits auf der Grundlage der vom FG vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich hätte sein können. Tatsachen, die nicht entscheidungserheblich sind, braucht das FG weder auf Antrag noch von Amts wegen aufzuklären. So verhält es sich aber im Streitfall. In seinem Urteil hat das FG nämlich ausgeführt, zur Begründung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Steuerschuldnerin und Inhaberin der Eigentumsgrundschuld bedürfe es angesichts der Besonderheit, daß deren Vermögen in Spanien dem Zugriff des FA entzogen sei, der Annahme einer Nachlaßüberschuldung nicht. Es dürfe sogar unterstellt werden, daß sämtliche Zeugen im Zeitpunkt der Grundbuchbestellung (der Eigentümergrundschuld) nicht von einer Nachlaßüberschuldung ausgegangen seien. "Eine Vernehmung des Betriebsprüfers über den Stand der Informationen der Zeugin (Steuerschuldnerin) bzw. ihrer Berater hinsichtlich der laufenden Betriebsprüfungen und etwaiger daraus resultierender Steuernachforderungen bedurfte es deshalb nicht."
Aus der zitierten Urteilspassage ergibt sich klar, daß es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG auf die Aussage des Betriebsprüfers darüber, ob die Steuerschuldnerin zum Zeitpunkt der Umschreibung der an den Kläger abgetretenen Eigentümergrundschuld im Grundbuch über die sich aus den laufenden Betriebsprüfungen für sie möglicherweise ergebenden erheblichen Steuernachzahlungen informiert gewesen sei, nicht ankam. Die Aussage war nicht entscheidungserheblich. Die diesbezügliche Aufklärungsrüge des Klägers erweist sich daher als unbegründet, so daß der Senat es auch dahinstehen lassen kann, ob die Rüge des Klägers überhaupt den formellen Anforderungen an eine Aufklärungsrüge entspricht.
Im übrigen ergeht diese Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 154041 |
BFH/NV 1999, 660 |