Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zulassungsfreie Revision bei Übergehen eines Beweismittels oder unrichtiger Würdigung des Sachverhalts
Leitsatz (NV)
Das Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 116 Abs. 5 FGO ist nicht schlüssig gerügt, wenn lediglich geltend gemacht wird, das FG habe ein bloßes Beweismittel wie die Vernehmung eines Beteiligten übergangen oder den Sachverhalt nicht richtig gewürdigt.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) streitig, ob und in welchem Umfang die Kläger einen Gewerbebetrieb unterhalten haben und ob zu dem betriebenen Pferdehandel eine Pferdezucht gehört hat. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte angenommen, auch nach dem Tode der Ehefrau X am ... 1979 seien wie in den Vorjahren der ursprünglich vom Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) als Landwirtschaft behandelte Pferdezuchtbetrieb und der von dessen Ehefrau betriebene und früher als selbständig angesehene Pferdehandel ein einheitliches, und zwar gewerbliches Unternehmen. Die Ehefrau wurde von dem Kläger zu 1 zu 1/2 und den Kindern zu je 1/6 beerbt (die Kläger und Revisionskläger zu 2 - Kläger zu 2 -). Für die Streitjahre 1980 bis 1982 waren jedoch die Einkünfte aller Erben aus dem Pferdehandel einheitlich und gesondert erklärt worden, die des Klägers zu 1 aus der Pferdezucht aber wieder gesondert als solche aus Land- und Forstwirtschaft.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung u.a. damit, zwischen den Klägern bestehe eine Gesellschaft, diese habe in einem einheitlichen, und zwar gewerblichen Betrieb sowohl den Pferdehandel als auch die Pferdezucht betrieben. Nach der Rechtsprechung sei für die Frage der Selbständigkeit gewerblicher Betätigungen zwar auf eine Reihe von Merkmalen abzustellen, aber letztlich das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend. Deshalb könne selbst bei ungleichartigen Tätigkeiten ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen sein, wenn diese in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht zusammenhingen. Auch könne eine Person, die zivilrechtlich nicht Gesellschafter sei, Mitunternehmer sein, wenn die Rechtsbeziehungen sich zivilrechtlich als Innengesellschaftsverhältnis zur Personengesellschaft oder deren Gesellschafter zu werten und im übrigen die Kriterien des Mitunternehmerbegriffs erfüllt seien.
Nicht entscheidend sei das Auftreten nach außen, sondern das wirklich Gewollte. Zivilrechtlich gesehen sei der Kläger zu 1 zwar Alleineigentümer der landwirtschaftlichen Flächen und Gebäude gewesen. Diese seien aber ein wesentlicher Bestandteil auch des Pferdehandels gewesen. Mit dem Heu und dem Grüngut seien alle Pferde versorgt worden und die Stallungen und Büroräume hätten sowohl der Pferdezucht als auch dem Pferdehandel gedient. Es handle sich bei beiden Bereichen um ähnliche, gleichartige Tätigkeiten. Beide hätten zwar verschiedene Bankkonten gehabt, aber Kontoinhaber sei jeweils der Kläger zu 1 gewesen. Beide hätten das gleiche, auf den Kläger zu 1 zugelassene Telefon, die gleichen Rechnungsformulare und Briefköpfe benutzt. Die Versicherung der Pferde beider Bereiche sei gemeinsam abgeschlossen worden. Die Pferde stellten den wesentlichen Teil des Betriebs- vermögens dar. Das zeige, daß die Wirtschaftsgüter, die dem Zuchtbetrieb gedient hätten, auch zum unmittelbaren Einsatz im Handelsbetrieb bestimmt gewesen seien. Das zeige sich auch in der Buchführung. Die buchhalterische Trennung der Kosten sei nicht möglich, auch angeschaffte Wirtschaftsgüter könnten nicht eindeutig einem der beiden Bereiche zugeordnet werden. Aus diesen äußeren Handlungen sei auf den Willen der gemeinsam Fortführung des einheitlichen Betriebs zu schließen. Wie in den Vorjahren liege auch in den Streitjahren ein einheitlicher Betrieb vor.
Es bestehe ein enger finanzieller Zusammenhang. Die getrennten Aufzeichnungen seien für sich nicht aussagekräftig, weil wesentliche Aufwendungen nicht zuzuordnen seien. Die beiden Bereiche seien auch organisatorisch eng verbunden gewesen. Es sei nur ein Büro vorhanden, Stallungen und Futter seien gemeinsam genutzt und die gleichen Personen als Arbeitskräfte eingesetzt worden. Beide Bereiche seien wirtschaftlich miteinander verbunden, hätten einander gegenseitig gestützt und ergänzt. In beiden Bereichen seien Pferde ange- und verkauft und ausgebildet worden. Den Kunden sei es nur darauf angekommen, ob das Pferd von der Familie X stamme.
Alle Beteiligten hätten zusammengewirkt, um eine gute Wirtschaftlichkeit des Betriebs als gemeinsamen Zweck zu erreichen. Alle hätten Pferde zum Verkauf bereit gehalten und selbst im Betrieb mitgearbeitet. Daß der Kläger zu 1 mit seinen Kindern Arbeitsverträge geschlossen habe, stehe dem nicht entgegen. Ein Gesellschaftsverhältnis könne selbst dann bestehen, wenn die Beteiligten ihren Rechtsbeziehungen einen anderen Namen gäben. Der abgeschlossene Mietvertrag ändere nichts daran. Er beziehe sich zum einen nur auf den Teil der mitbenutzten Wirtschaftsgüter und halte zudem einem Fremdvergleich nicht stand.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision der Kläger mit der Begründung, das angefochtene Urteil sei nicht i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Gründen versehen. Das FG habe die mit Schriftsatz vom 9. Oktober 1989 angebotene eidliche Vernehmung der Beteiligten zur Frage, ob sie eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) hätten begründen wollen, mit Stillschweigen übergangen. Ein entsprechender Beweisantrag sei nur deshalb nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt worden, weil der Vorsitzende Richter suggeriert habe, der Streitfall werde klar zugunsten der Kläger ausgehen.
Das FA ist der Auffassung, ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liege nicht vor. Die Beteiligtenvernehmung sei kein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, zudem sei die eidliche Vernehmung der Beteiligten nicht beantragt worden. Im übrigen sei den Klägern in der mündlichen Verhandlung ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig; sie ist gemäß § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das ist nicht geschehen; vielmehr hat das FG die Revision nicht zugelassen und der erkennende Senat hat die von den Klägern eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluß vom heutigen Tage verworfen.
Ohne Zulassung ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i.S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Schlüssig ist ein solcher wesentlicher Mangel nur dann gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben. Der Vortrag der Kläger ergibt indes nicht schlüssig, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO versehen.
Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtliche Überlegung sich die Entscheidung stützt (vgl. zu § 119 Nr. 6 FGO BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417). Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen die Entscheidungsgründe auch dann, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638). Dabei muß es sich um einen eigenständigen Klagegrund oder solche Angriffs- und Verteidigungsmittel handeln, die den gesamten Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden; dagegen liegt ein wesentlicher Begründungsmangel nicht vor, wenn der angebliche Mangel nur ein einzelnes Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt (Beschluß des erkennenden Senats vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/NV 1991, 609). Auch liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schon dann vor, wenn sich das Gericht nicht ausdrücklich zu einer bestimmten Frage geäußert hat, aber erkennbar ist, welche Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich waren (BFH-Urteil vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195, und BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 609). Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist zudem nur dann anzunehmen, wenn das selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor dem FG geltend gemacht worden ist (BFH-Beschluß in BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638). Das Übergehen eines bloßen Beweismittels wie die Vernehmung der Beteiligten ist daher kein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 51. Aufl., § 146 ZPO Rdnr. 4). Denn eine zulassungsfreie Revision kann nicht dadurch erreicht werden, daß mit einer in die Form einer Verfahrensrüge gekleideten sachlichen Rüge die Würdigung des Sachverhalts durch das FG angegriffen wird (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 116 FGO Anm. 22).
Im übrigen hat das FG das Vorbringen der Kläger, sie hätten keine GdbR begründen wollen, nicht einfach übergangen. Denn es ist darauf eingegangen, daß ein Gesellschaftsverhältnis sogar dann bestehen kann, wenn die Beteiligten ihren Rechtsbeziehungen einen anderen Namen gegeben haben, und hat in diesem Zusammenhang die abgeschlossenen Arbeitsverträge und den Mietvertrag gewürdigt. Damit ist erkennbar, von welchen Überlegungen das FG ausgegangen ist.
Auch macht das FG zu Recht darauf aufmerksam, daß die Kläger die eidliche Vernehmung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 12. November 1991 nicht beantragt haben. In ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 1989 hatten die Kläger einen solchen Antrag allenfalls angekündigt. Im übrigen haben die Kläger zur Frage der unterlassenen eidlichen Vernehmung der Beteiligten über ihre Absichten nicht einmal schlüssig für das Vorliegen eines einfachen Verfahrensmangels vorgetragen. Sie verkennen, daß die Beteiligtenvernehmung nur ein letztes Hilfsmittel ist; sie kann unterbleiben, wenn nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens erbracht ist (BFH-Urteil vom 27. September 1991 VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195).
Die Versagung des rechtlichen Gehörs fällt dagegen nicht unter die in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgezählten Verfahrensmängel (BFH-Urteil vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187).
Fundstellen
Haufe-Index 419009 |
BFH/NV 1994, 42 |