Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Höhe von Pauschalrückstellungen; Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Mit dem Vorbringen, das FG habe wesentliche Bilanzierungsvorschriften verletzt, weil es lediglich eine Pauschalrückstellung in Höhe von 0,5 % des Jahresumsatzes anerkannt habe, obwohl Einzelrückstellungen zu bilden gewesen wären, ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
2. Eine Divergenz ist nicht schlüssig dargetan, wenn den behaupteten Divergenzentscheidungen kein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt.
3. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, so sind u. a. Ausführungen dazu erforderlich, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären müssen und aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen.
Normenkette
AO § 90; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 19.10.2006; Aktenzeichen 2 K 1951/03) |
Gründe
Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden sind unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Dies muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu reicht es nicht aus, eine grundsätzliche Bedeutung nur zu behaupten. Vielmehr muss der Beschwerdeführer eine abstrakte Rechtsfrage formulieren und sodann erläutern, inwieweit diese Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im konkreten Fall klärungsfähig ist. Ferner muss sich der Beschwerdeführer mit der zu der herausgestellten Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur auseinandersetzen (z.B. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2006 I B 49/06, BFH/NV 2007, 93).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) trägt vor, das Finanzgericht (FG) habe grundsätzliche Bilanzierungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) nicht rechtskonform angewandt. Es habe unter anderem den Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) verletzt, weil es lediglich eine Pauschalrückstellung in Höhe von 0,5 % des Jahresumsatzes der Klägerin anerkannt habe. Im Streitfall seien jedoch wegen des mit der Durchführung der Verträge einhergehenden Risikos Einzelrückstellungen zu bilden gewesen. Erfahrungswerte seien zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz nicht vorhanden gewesen. Die Forderung nach Angabe konkreter Tatsachen, aus denen sich ergebe, dass die Veränderung der betrieblichen Verhältnisse, besonders die Anwendung neuer Verfahren, zu einem erhöhten Risiko führe, könne im einzelnen Falle ein i.S. von § 90 der Abgabenordnung (AO) unzumutbares Beweisverlangen bilden.
Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargetan. Die Klägerin stellt weder eine konkrete Rechtsfrage heraus noch erläutert sie deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. Sie beschränkt sich vielmehr darauf auszuführen, dass die Höhe von Einzelrückstellungen wegen Gewährleistungsansprüchen dann nicht mit Erfahrungen des Unternehmens aus der Vergangenheit belegt werden könnte, wenn besondere Umstände größere Risiken brächten. Welche klärungsbedürftige Frage sich hieraus ergeben soll, führt die Klägerin indessen nicht aus.
2. Die Klägerin hat auch den geltend gemachten Revisionsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht schlüssig dargetan.
Dieser Zulassungsgrund setzt eine Abweichung der angegriffenen Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte voraus. Rügt der Beschwerdeführer eine derartige Abweichung, muss er nach ständiger Rechtsprechung tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 13. Juni 2005 I B 239/04, BFH/NV 2005, 1840). Die Klägerin verweist lediglich auf das BFH-Urteil vom 30. Juni 1983 IV R 41/81 (BFHE 140, 30, BStBl II 1984, 263), nach dem Rückstellungen für Haftpflichtverbindlichkeiten grundsätzlich nicht in pauschaler Form gebildet werden dürften. Sie hat indessen nicht dargelegt, dass das FG seiner Entscheidung einen hiervon abweichenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat. Das FG hat in seinem Urteil allein überprüft, ob die Klägerin Einzelrückstellungen wegen Gewährleistungsansprüchen bilden durfte.
3. Soweit die Klägerin rügt, das FG-Urteil beruhe auf dem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO), fehlt es ebenfalls an einer ausreichenden Begründung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen und aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner muss dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (z.B. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566).
Die Klägerin macht geltend, dem FG hätte sich nach Würdigung der vorgelegten Unterlagen aufdrängen müssen, dass im Streitfall eine Rückstellung für Haftpflichtschäden aus Produkthaftung in Betracht komme. Aus den Hinweisen der Klägerin über die Förderleistungen von … (Betriebsanlagen) hätte das Gericht Ermittlungen über Produktionsausfälle anstellen und gegebenenfalls im Rahmen einer Schätzung berechnen müssen.
Die Klägerin legt nicht dar, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären müssen und weshalb sie nicht selbst in der mündlichen Verhandlung Unterlagen über Produktionsausfälle bei ihren Kunden vorgelegt oder Beweisanträge gestellt hat, die vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.
Fundstellen
Haufe-Index 1776144 |
BFH/NV 2007, 1671 |