Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Glaubhaftmachung eines erheblichen Grundes für eine Terminsverlegung wegen Krankheit
Leitsatz (NV)
Hat der Prozessbevollmächtigte unter Vorlage eines ärztlichen Attests, aus dem die Art der Erkrankung nicht hervorgeht, krankheitsbedingt einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt, kann der Antrag nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Krankheit nicht angegeben ist.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 227 Abs. 1, 3
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dies richtet sich noch nach der Fassung der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Die Art und Weise der Entscheidungen, die im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ergehen können, richtet sich jedoch bereits nach § 116 Abs. 5 bis 7 FGO n.F.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte einen Rechtsanspruch auf Aufhebung des Termins. Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 und Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen einen Termin aufheben oder verlegen. Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht. Der Termin muss dann zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs aufgehoben oder verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Aufhebung oder Verlegung des Termins verzögert wird. Welche Gründe dabei als erheblich i.S. des § 227 ZPO anzusehen sind, richtet sich je nach Lage des Einzelfalles nach dem Prozessstoff und den persönlichen Verhältnissen des Beteiligten bzw. seines Prozessbevollmächtigten (so Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208).
Im Streitfall hat der Rechtanwalt einen derartigen erheblichen Grund durch Vorlage des ärztlichen Attestes hinreichend glaubhaft gemacht. Über den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) hat er auch die Art der Erkrankung ―einen Hexenschuss― offen gelegt. Dieses Leiden erklärt sowohl das plötzliche Auftreten der Verhinderung als auch die Unmöglichkeit, sich mit welchem Verkehrsmittel auch immer an den Gerichtsort zu begeben. Spätestens, nachdem der in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des FA dem Gericht die Angaben zur Art der Erkrankung übermittelte, hätte der Termin abgesetzt werden müssen. Die Entscheidungen des BFH, auf die sich das Finanzgericht (FG) zur Rechtfertigung der Ablehnung des Aufhebungsantrags berufen hat (Beschlüsse des BFH vom 9. Dezember 1992 IV B 154/92, BFH/NV 1993, 483; vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228, sowie vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902), betreffen sämtlich Sachverhalte, die mit dem Streitfall nicht vergleichbar sind. Soweit der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung die Vermutung geäußert hat, dem Rechtsanwalt gehe es um eine Verschleppung des Verfahrens, ist diese Vermutung nicht ausreichend begründet. Die Vermutung ist darauf gestützt, dass schon einmal ein Termin zur mündlichen Verhandlung auf Wunsch des Rechtsanwalts aufgehoben worden ist. Der Termin war auf den 15. August angesetzt, und der Aufhebungsantrag damit begründet worden, dass der Termin in den Urlaub des Rechtsanwalts fiel. Daraus kann ohne weitere Anhaltspunkte auch in Verbindung mit der für den späteren Termin geltend gemachten plötzlichen Erkrankung nicht auf eine Verschleppungsabsicht geschlossen werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass das Attest ausdrücklich zur Vorlage an ein Landgericht bestimmt war. Dies ließ darauf schließen, dass der Rechtsanwalt auch bei einem anderen Gericht um Terminsaufhebung nachgesucht hatte.
Die Verletzung des Rechts auf Gehör stellt gemäß § 119 Nr. 3 FGO einen absoluten Revisionsgrund dar, bei dem die Vorentscheidung ohne weitere Prüfung als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist. Infolgedessen ist unerheblich, dass die Klage in der Sache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Gemäß § 116 Abs. 6 FGO n.F. kann bei erfolgreicher Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F., der insoweit mit § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. übereinstimmt, das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2001 III B 52/00). Davon wird im Streitfall Gebrauch gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 644963 |
BFH/NV 2002, 30 |
AO-StB 2001, 25 |