Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die schlüssige Darlegung einer Sachaufklärungsrüge sowie eines Revisionsgrundes i.S. von § 119 Nr. 6 FGO
Leitsatz (NV)
1. Die schlüssige Rüge, das FG habe Beweisanträge des Beschwerdeführers übergangen, setzt u.a. substantiierte Angaben darüber voraus,- inwiefern das angefochtene Urteil ‐ ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts ‐ auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre sowie- da es sich beim Übergehen von Beweisanträgen um einen verzichtbaren Mangel handelt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden sei oder ‐ falls dies nicht geschehen sein sollte ‐ weshalb die Rüge dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei.
2. Die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes setzt nach ständiger Rechtsprechung u.a. substantiierte Angaben darüber voraus, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
3. Ein Revisionsgrund i.S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt vor allem dann vor, wenn überhaupt jede Begründung der Entscheidung fehlt. Dem völligen Fehlen von Entscheidungsgründen steht es gleich, wenn diese zwar vorhanden, aber derart unverständlich und verworren sind, dass nicht mehr erkennbar ist, welche Überlegungen für die (Sach-)Entscheidung maßgeblich waren. Hingegen stellt eine bloß lückenhafte Begründung keinen Mangel in diesem Sinne dar. Allerdings kann § 119 Nr. 6 FGO auch dann verletzt sein, wenn die Entscheidungsgründe nur zum Teil fehlen. Dies setzt indes grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die vom FG fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine hinlängliche Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Erkenntnissen, Feststellungen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 6
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 19.07.2004; Aktenzeichen 10 K 1895/01) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Soweit der Kläger beanstandet, dass das Finanzgericht (FG) Beweisanträge übergangen habe, genügt seine Beschwerdebegründung nicht den Erfordernissen einer substantiierten Sachaufklärungsrüge.
a) Die schlüssige Verfahrensrüge setzt in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. substantiierte Angaben darüber voraus,
- inwiefern das angefochtene FG-Urteil --ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre sowie
- da es sich beim Übergehen von Beweisanträgen um einen sog. verzichtbaren Mangel (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) handelt, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden sei oder --falls dies nicht geschehen sein sollte-- weshalb die Rüge dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei (vgl. dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69).
b) Daran fehlt es im Streitfall.
Der Kläger hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, das FG hätte sich bei der Feststellung des Sachverhalts nicht allein auf die Würdigung der Versicherungsurkunde beschränken dürfen. Wer Rentenempfänger sei, hätte vielmehr unter Beachtung sämtlicher Umstände ermittelt werden müssen. Hierzu hätte das FG sämtliche zur Verfügung stehenden Beweismittel nutzen und insbesondere auch --wie von ihm (Kläger) erstinstanzlich beantragt-- Frau M als Zeugin hören müssen.
Die Beschwerdebegründung des Klägers enthält keine Ausführungen darüber, dass die von ihm für erforderlich erachtete weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Einvernahme der Frau M als Zeugin, auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts zu einer anderen Sachentscheidung hätte führen können. Der Kläger weist in seiner Beschwerdebegründung selbst zutreffend darauf hin, dass das FG seinen --des Klägers-- Vortrag zu den mit Frau M getroffenen Vereinbarungen nie in Zweifel gezogen habe. "Das erstinstanzliche Gericht (führe) ausdrücklich aus, dass es zwar sein (möge), dass nach den (meint: mit Frau M) getroffenen Vereinbarungen allein der Kläger Rentenempfänger sein sollte, (meine) aber, dies sei angesichts des Wortlauts der Versicherungsurkunde nicht weiter zu beachten".
Hierin kommt die --wenn auch möglicherweise unzutreffende-- materiell-rechtliche Auffassung des FG zum Ausdruck, dass es auf die sich im Wortlaut der Vertragsurkunde dokumentierenden Vereinbarungen mit dem Versicherer ankomme und nicht auf die zwischen den beiden "Rentenberechtigten" (Kläger und Frau M) getroffenen (internen) Abreden, über deren Inhalt die M als Zeugin aussagen könne.
Des Weiteren hat der Kläger auch nicht --wie es geboten gewesen wäre-- vorgetragen, dass er, obwohl im FG-Prozess fachkundig vertreten, die vom FG unterlassene Einvernahme der M als Zeugin bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt habe bzw. aus welchen (stichhaltigen) Gründen er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei. Auch aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2004 lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger eine entsprechende Rüge erhoben hat.
2. Soweit der Vortrag des Klägers dahin gehend zu interpretieren sein sollte, dass das FG gegen seine aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Pflicht verstoßen habe, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, werden seine Ausführungen den Erfordernissen einer schlüssigen Sachaufklärungsrüge nicht gerecht.
Die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. substantiierte Angaben darüber voraus, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. dazu die Nachweise aus der BFH-Rechtsprechung bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70). Entsprechende Angaben vermochte der Kläger --wie schon unter 1. dargelegt-- nicht zu machen.
3. Ebenso wenig Erfolg hat die Rüge des Klägers, das angefochtene FG-Urteil sei insoweit nicht i.S. von § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen, als das FG nicht ausgeführt habe, "warum der hälftigen Zurechnung der Erträge eine ebenfalls nur hälftige Zurechnung der vom Kläger allein getragenen Werbungskosten folgen (solle)".
a) Ein Revisionsgrund i.S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt vor allem dann vor, wenn überhaupt jede Begründung der Entscheidung fehlt. Dem völligen Fehlen der Entscheidungsgründe steht es gleich, wenn diese zwar vorhanden, aber derart unverständlich und verworren sind, dass nicht mehr erkennbar ist, welche Überlegungen für die (Sach-)Entscheidung maßgebend waren. Hingegen stellt eine bloß lückenhafte Begründung keinen Mangel in diesem Sinne dar (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 23, m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Allerdings kann § 119 Nr. 6 FGO auch dann verletzt sein, wenn die Entscheidungsgründe nur zum Teil fehlen. Dies setzt indes grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die vom FG fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (vgl. dazu z.B. die Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 24).
b) Derart gravierende Begründungsmängel der angefochtenen FG-Entscheidung vermochte der Kläger nicht darzulegen.
Das FG hat seine vom Kläger beanstandete Rechtsauffassung, dass die vom Kläger zur Erzielung der gesamten Renteneinnahmen getätigten Erwerbsaufwendungen (potentiellen Werbungskosten) nur zur Hälfe abziehbar seien, mit der zwar knappen, aber durchaus nachvollziehbaren Erwägung begründet, dass dem Kläger auf der anderen Seite auch nur die Hälfte der steuerpflichtigen Renteneinnahmen zuzurechnen seien. Im Übrigen hat das FG zur ergänzenden Rechtfertigung dieser These zulässigerweise gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) Bezug genommen. Dort heißt es u.a.:
"Die im Zusammenhang mit der Finanzierung des in den Rentenversicherungsvertrag eingezahlten Einmalbetrages entstandenen Aufwendungen sind nur insoweit Werbungskosten, als sie eindeutig der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen aus dem Versicherungsvertrag dienen.
Aus den vorgelegten … Versicherungsunterlagen geht eindeutig hervor, dass … beide als Versicherungsnehmer (policeholders) bezeichnete Personen auch bezugsberechtigte Zahlungsempfänger (payees) sind …
Da somit beide im … Versicherungsvertrag genannten Personen in den Streitjahren … gleichberechtigte Rentenbezieher waren, hat das Finanzamt zu Recht dem Ef (Kläger) die Einnahmen nur mit der Hälfte zugerechnet. Da der Ef nur in Höhe von 50 % der Rentenzahlungen steuerpflichtige Einnahmen hat, sind auch nur die Hälfte seiner mit der Finanzierung des Einmalbeitrages im Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 EStG zu berücksichtigen."
Diesen Ausführungen konnte der Kläger eindeutig entnehmen, welche rechtliche Erwägung das FG zur hälftigen Kürzung der von ihm (Kläger) geltend gemachten Werbungskosten veranlassten. Dem Begründungserfordernis i.S. der §§ 105 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. 96 Abs. 1 Satz 3 und § 119 Nr. 6 FGO war damit Genüge getan.
Fundstellen