Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung im Klageverfahren wegen Verhalten im AdV-Verfahren
Leitsatz (NV)
- Das gerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 69 FGO ist ein (lediglich) summarisches Verfahren, das hinsichtlich der richterlichen Hinweis- und Ermittlungspflicht keine höheren, sondern geringere Anforderungen stellt als das Klageverfahren.
- Allein aus der Mitwirkung eines Richters an einem vorangegangenen AdV-Verfahren kann dessen Befangenheit im Hauptsacheverfahren nicht abgeleitet werden.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 3, § 113 Abs. 2 S. 3; ZPO § 42 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob am 2. September 1998 Klage wegen Zinsen zur Umsatzsteuer 1990 bis 1993, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Mit Beschluss vom 28. Oktober 1999 gab das FG der vom Kläger beantragten Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Zinsbescheide zur Umsatzsteuer 1990 bis 1994 bezüglich des Jahres 1991 statt, lehnte den Antrag im Übrigen ab und legte dem Kläger die gesamten Kosten des Aussetzungsverfahrens auf. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2000 lehnte der Kläger die Richter, die an dem Beschluss mitgewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er führte zur Begründung zusammenfassend aus, aufgrund der Häufung von Benachteiligungen ihm gegenüber und weil sich das Gericht mit der Entscheidung über die AdV bezüglich der Erfolgsaussicht der Klage bereits festgelegt habe, sei zu befürchten, dass auch bei der Klage ungerecht und zu seinem Nachteil festgesetzte Umsatzsteuervoranmeldungen unberücksichtigt blieben und zu seinem Nachteil entschieden werde.
Das FG lehnte den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss ab. Es legte zur Begründung u.a. dar, bei objektiver und vernünftiger Betrachtung sei kein Verhalten der abgelehnten Richter erkennbar, dass geeignet wäre, Zweifel an deren Unparteilichkeit zu begründen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat dem Ablehnungsgesuch zu Recht nicht stattgegeben.
1. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555; vom 23. September 1999 VI B 397/98, BFH/NV 2000, 337; vom 7. Dezember 1999 IV S 10/99, BFH/NV 2000, 594).
2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das hat das FG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend im Einzelnen dargelegt. Darauf nimmt der erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, vgl. § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO.
Soweit der Kläger mit seiner Beschwerde (wiederum) eine benachteiligende Prozessführung rügt und geltend macht, das FG habe ohne genaue Überprüfung des Sachverhalts und ohne die erforderlichen Ermittlungen gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) entschieden, verkennt er den Charakter eines gerichtlichen Verfahrens auf AdV. Er vertritt die Auffassung, gerade in einem Verfahren, das mit einem unanfechtbaren Beschluss ende, hätten sich die mitwirkenden Richter bei der Entscheidungsfindung von noch größerer Sorgfalt leiten zu lassen, als in Verfahren, die durch Einlegung von Rechtsmitteln korrigierbar seien; in solchen Verfahren seien an die Hinweis- und Ermittlungspflicht höhere Anforderungen zu stellen als bei anfechtbaren Entscheidungen.
Diese Annahme trifft nicht zu. Das gerichtliche Aussetzungsverfahren ist ein (lediglich) summarisches Verfahren. Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Prozessstoffes findet im Verfahren der AdV nach § 69 FGO wegen dessen Eilbedürftigkeit eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Finanzbehörde, und auf präsente Beweismittel statt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765). Weitere Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Februar 1989 IV B 33/88, BFHE 156, 167, BStBl II 1989, 516).
Zudem kann allein aus der Mitwirkung eines Richters an einem vorangegangenen AdV-Verfahren keine Befangenheit für das Hauptsacheverfahren abgeleitet werden (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Oktober 1999 II R 27-30/99, BFH/NV 2000, 457).
Fundstellen