Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei verlorengegangenem Antrag
Leitsatz (NV)
1. Für die Begründung der Beschwerde ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn durch Vorlage entsprechender Schriftstücke zur Überzeugung des Senats glaubhaft dargelegt wird, dass der Kläger rechtzeitig vor Fristablauf einen ‐ bei Gericht nicht eingegangenen ‐ Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist angefertigt und auch abgesandt hat. Einer Rückfrage, ob dem Antrag stattgegeben worden sei, bedarf es nicht.
2. Macht ein Beschwerdeführer geltend, eine Norm sei verfassungswidrig, so ist eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich.
3. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Rechtsbegriff “Gewinn” in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert und auch für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG maßgeblich ist.
Normenkette
FGO §§ 56, 116 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 4a
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 25.08.2006; Aktenzeichen 7 K 4477/04) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war für die Begründung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gewähren.
Die Beschwerdebegründung ging beim Bundesfinanzhof (BFH) erst am 27. Dezember 2006 ein und damit nachdem die Begründungsfrist bereits am 27. November 2006 abgelaufen war. Die Klägerin hat aber durch Vorlage entsprechender Schriftstücke zur Überzeugung des Senats glaubhaft dargelegt, am 20. November 2006 und damit rechtzeitig vor Fristablauf einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist angefertigt und auch abgesandt zu haben. Bei Zugrundelegung dieses Geschehensablaufs war die Klägerin ohne eigenes Verschulden gehindert, die Frist einzuhalten. Einer Rückfrage, ob dem Antrag stattgegeben worden sei, bedurfte es nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2000 VII R 112/99, BFH/NV 2000, 1479, und vom 14. Februar 2002 I B 29/01, BFH/NV 2002, 1033).
Die Klägerin hat ferner, nachdem sie von dem Nichteingang ihres Fristverlängerungsantrags am 6. Dezember 2006 erfahren hatte, innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO Wiedereinsetzung beantragt und die Beschwerde begründet.
2. Das Vorbringen der Klägerin erfüllt nicht die Mindestanforderungen an die gesetzlich vorgeschriebene Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision dargelegt werden.
a) Wird die Beschwerde --wie im Streitfall-- mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte --abstrakte-- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und --unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur-- deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 26, 32, m.w.N.). Entsprechendes gilt für den Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38).
Macht ein Beschwerdeführer geltend, eine Norm sei verfassungswidrig, so genügt es danach nicht, den Verfassungsverstoß nur mit allgemeinen Wendungen zu behaupten. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. März 2007 X B 185/06, BFH/NV 2007, 1181, und vom 10. April 2006 XI B 152/05, juris).
b) Diesen Erfordernissen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin macht lediglich in allgemeinen Ausführungen u.a. geltend, die im Streitfall maßgebliche Vorschrift des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz --StBereinG-- 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) sei verfassungsrechtlich bedenklich. Insbesondere sei fraglich, wie der in der Vorschrift verwendete Begriff "Gewinn" auszulegen sei. Außerdem berücksichtige die Vorschrift nicht, dass im Einzelfall Verbindlichkeiten auch zur Abdeckung laufend entstehender Verluste aufgenommen werden könnten und den Verlusten ein ggf. neu geschaffener Geschäftswert gegenüberstehe.
Die Klägerin setzt sich in der Begründung weder mit den vom Finanzgericht (FG) im Einzelnen angeführten Gründen noch mit den dort bereits zitierten BFH-Urteilen zu § 4 Abs. 4a EStG auseinander. So hat der BFH im Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04 (BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588) geklärt, dass der Rechtsbegriff "Gewinn" in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert und auch für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG maßgeblich ist. Im BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 47/03 (BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504) ist er zu dem Ergebnis gekommen, die Änderung von § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) durch das StBereinG 1999 verstoße nicht gegen formelles Verfassungsrecht; das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG) sei gewahrt worden.
c) Die Klägerin hat zudem nicht dargelegt, dass die Frage in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Hierzu bestand besonderer Anlass, weil das FG die Klage insbesondere deshalb abgewiesen hatte, weil die Klägerin die von § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG verlangten gesonderten Aufzeichnungen über die von ihr getätigten Entnahmen und Einlagen nicht vorgelegt habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) sei deshalb zu einer Schätzung i.S. des § 162 der Abgabenordnung berechtigt gewesen.
Fundstellen