Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung ohne Nachholung der versäumten Prozesshandlung
Leitsatz (NV)
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann nicht gewährt werden, wenn binnen der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen nicht auch die Revisionsbegründung eingereicht wird.
- Die FGO kennt keinen isolierten Wiedereinsetzungsantrag.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 120 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 2001, 434) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wandte sich ursprünglich mit ihrer Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1993 vom 18. Mai 1995, der auch gegenüber den Beigeladenen ergangen war. Mit diesem Bescheid erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den Gewinn aus der Veräußerung eines Waldgrundstücks bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Während des Klageverfahrens erging der geänderte Feststellungsbescheid vom 29. März 1999, gegen den die Klägerin nach erfolglosem Einspruch abermals Klage erhob. Diese Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 434 veröffentlicht.
Das FG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lt. Postzustellungsurkunde am 23. Juni 2000 zugestellt.
Mit der am 21. Juli 2000 beim FG eingegangenen Revisionsschrift legte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin Revision ein. Auf den Hinweis des Vorsitzenden des beschließenden Senats vom 4. September 2000, die Frist für die Begründung der Revision sei am 24. August 2000 abgelaufen, eine Begründung liege aber nicht vor, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 6. September 2000 ―eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 8. September 2000― Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Er habe am 17. August 2000 einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist persönlich erstellt, ordnungsgemäß adressiert und frankiert und sodann am 18. August 2000 als einfachen Brief ebenfalls persönlich in X in einen Briefkasten eingelegt. Er sei davon ausgegangen, dass der Antrag dem Gericht am 19., spätestens aber am 21. August 2000 zugehen werde. Da durch die Versendung des Fristverlängerungsantrages von X aus kein Eintrag im Postausgangsbuch getätigt worden sei, versichere er die Richtigkeit des Geschehensablaufes an Eides Statt.
Eine Kopie des Fristverlängerungsantrages lag dem Wiedereinsetzungsantrag nicht bei; sie ging dem Gericht zusammen mit einer Kopie des Wiedereinsetzungsantrages am 11. September 2000 zu. Die Revisionsbegründungsschrift vom 23. Oktober 2000 reichte der Prozessbevollmächtigte am 25. Oktober 2000 ein. Darin wurde geltend gemacht, das veräußerte Waldgrundstück habe keinen Forstbetrieb dargestellt; auch habe ein Erb- und Pflichtteilsverzicht zu zusätzlichen Anschaffungskosten geführt.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die beiden Feststellungsbescheide aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht fristgemäß begründet worden und war daher durch Beschluss zu verwerfen (§§ 124 Abs. 1 und 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Da die angefochtene Entscheidung am 23. Juni 2000 zugestellt worden war, lief die Frist zur Einlegung der Revision am 24. Juli 2000 und die Frist zu ihrer Begründung einen Monat später, am 24. August 2000, ab (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO a.F. i.V.m. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 der Zivilprozessordnung ―ZPO― und §§ 187, 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
Dem Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist konnte nicht mehr entsprochen werden, da er erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Begründung der Revision gestellt worden war.
Auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) ist der Klägerin nicht zu gewähren. Dies wäre nur möglich, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen auch die Revisionsbegründung eingereicht worden wäre (BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; vom 1. Dezember 1994 IV R 68/94, BFH/NV 1995, 627; vom 7. Dezember 1995 III R 100/95, BFH/NV 1996, 423, und vom 26. November 1997 IV R 43/97, BFH/NV 1998, 1104). Etwas anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Klägerin während der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO den nicht beim BFH eingegangenen Antrag auf Fristverlängerung tatsächlich eingereicht hätte. Die Anbringung eines (verspäteten) Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist allein genügt nicht; für einen derartigen Antrag kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden (Beschluss in BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264). Die FGO kennt wie die ZPO keinen isolierten Wiedereinsetzungsantrag; Wiedereinsetzung kann vielmehr nur in Zusammenhang mit einer nachgeholten Prozesshandlung beantragt und bewilligt werden (Beschluss in BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264).
Fundstellen
Haufe-Index 708629 |
BFH/NV 2002, 655 |