Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beiladung des neuen Gläubigers bei Abtretung eines Vorsteuerüberschusses durch den Steuerpflichtigen zu dessen Klageverfahren
Leitsatz (NV)
1. Bei Abtretung eines Vorsteuerüberschusses besteht kein rechtliches Gebot einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den an der Abtretung Beteiligten (§ 60 Abs. 3 FGO).
2. Einfache Beiladung des neuen Gläubigers ist nur ausnahmsweise gegen den Willen des Klägers (Stpfl.) auszusprechen. Bei gleichgerichteten Interessen der Abtretungsbeteiligten am Ausgang des Klageverfahrens des Stpfl. liegt ein solcher Ausnahmefall i. d. R. nicht vor.
3. Einfache Beiladung des neuen Gläubigers ist nicht aufgrund der Möglichkeit geboten, daß der abtretende Kläger seine Klage zurücknimmt.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 2-3; UStG § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
In einem beim Finanzgericht (FG) noch anhängigen Anfechtungsverfahren ist streitig, ob der Klägerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die einen Immobilienfonds betrieb, bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1984 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von . . . DM zustehen (gegenüber einem Umsatzsteuerbetrag in Höhe von . . . DM aus erklärten steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von . . . DM). Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Vorsteuerbeträge nicht als abziehbar an mit der Begründung, der über das von der Klägerin errichtete Objekt geschlossene Mietvertrag sei nicht als durchgeführt anzusehen, weil die Mieterin tatsächlich keine Mieten habe zahlen müssen, es sich also nur um eine unentgeltliche Überlassung von Grundbesitz zur Nutzung (Grundstücksleihe) gehandelt habe.
Während des Klageverfahrens hat die Beiladungsprätendentin (Beschwerdeführerin) beantragt, sie zu diesem Rechtsstreit beizuladen. Sie ließ geltend machen, die Klägerin, vertreten durch deren Initiator, habe ihr den Anspruch auf den Vorsteuerüberschuß aus der Umsatzsteuerfestsetzung 1984 abgetreten. Die dem FG in Fotokopie vorgelegten Abtretungsanzeigen sind für die Beschwerdeführerin als Abtretungsempfängerin vom Initiator der Klägerin unterzeichnet.
Klägerin und FA haben beantragt, den Beiladungsantrag abzuweisen.
Die Klägerin hat dazu geltend gemacht, den Abtretungsanzeigen widersprochen zu haben, weil die Beschwerdeführerin keine Ansprüche gegen sie habe, es also keinen Grund gebe, weshalb der Initiator den Anspruch an die Beschwerdeführerin hätte abtreten sollen.
Das FG hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Beiladung abgelehnt.
Mit der Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin weiterhin, sie zum Verfahren der Klägerin gegen das FA wegen Umsatzsteuer 1984 beizuladen. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Unstreitig sei, daß sie gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen werden könne, weil ihre rechtlichen Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung im Hauptverfahren berührt würden. Unerheblich für die Frage der Beiladung sei, ob das FA ihre, der Beschwerdeführerin, Teilnahme am Verfahren wünsche.
Eine Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren wirke nicht nur zwischen Kläger und FA, sondern auch ihr gegenüber, weil an sie der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch 1984 abgetreten sei. Ihr Recht hänge vom Bestand des abgetretenen Anspruchs ab.
Bereits mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1989 habe sie darauf hingewiesen, daß die Klägerin aus privatrechtlichen Gründen nicht mehr ernsthaft an einem erfolgreichen Ausgang des Prozesses interessiert sei, weil sie im Fall des Unterliegens die streitige Umsatzsteuer über die Anwendung des § 15 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) zu einem überwiegenden Teil aus den Umsatzsteuerveranlagungen 1986 ff. zurückerhalten würde. Es erscheine nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin die Klage zurücknehme, wodurch ihre, der Beschwerdeführerin, steuerrechtlichen Interessen gravierend berührt würden. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 17. August 1978 VII B 30/78 (BFHE 126, 7, BStBl II 1979, 25) im Fall des Widerspruchs des Klägers gegen die Beiladung sei es in der Regel nicht ermessenswidrig, die einfache Beiladung desjenigen abzulehnen, der ein den Belangen des Klägers entgegengesetztes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe, sei hier nicht einschlägig, weil ihr Fall anders liege. Sie wolle durch die Beiladung sicherstellen, daß das Klageverfahren ordnungsgemäß durchgeführt werde, weil ihre steuerrechtlichen Interessen durch die Entscheidung umfassend betroffen seien, während die Klägerin kein Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens zeige. Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 60 Abs. 1 FGO reduziere sich daher das ,,Kann" auf ein ,,Muß".
Im übrigen sprächen gewichtige Gründe dafür, daß sie notwendig gemäß § 60 Abs. 3 FGO beizuladen sei. Das FG Baden-Württemberg habe mit Beschluß vom 21. Oktober 1974 VI 223/73 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1975, 78) in einem gleichgelagerten Fall eine notwendige Beiladung für zwingend erachtet.
Das FA hält der Beschwerdeführerin entgegen, sie beurteile die Wirkung einer Beiladung irrig, weil sie eine Klagerücknahme durch die Klägerin nicht verhindern könne (BFH, Beschluß vom 4. August 1988 IV R 165-166/87, BFH/NV 1989, 240).
Die Klägerin macht geltend, der Vortrag der Beschwerdeführerin entspreche nicht den Tatsachen. Wenn sie tatsächlich kein Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens zeigen würde, hätte sie die Klage zurückgenommen. Sie habe sich mit Schreiben vom 26. September 1989 an das FG darauf beschränkt, daß aus ihrer Sicht kein Grund zur Beiladung der Beschwerdeführerin vorliege. Sie sähe sich überdies sehr wohl in der Lage, das Klageverfahren ordnungsgemäß durchzuführen.
Wie das FA führt die Klägerin noch aus, im Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung in der Hauptsache an einer weiteren Verzögerung des Verfahrens nicht interessiert zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das FG hat ohne Rechtsverstoß die Beiladung der Beschwerdeführerin abgelehnt.
1. Ein Fall der notwendigen Beiladung im Sinn des § 60 Abs. 3 FGO liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Dritte, die an dem streitigen Rechtverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, beizuladen.
Wie der BFH im Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81 (BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565, unter V.) entschieden hat, folgt aus der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen kein rechtliches Gebot einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den an der Abtretung Beteiligten.
2. Die Ablehnung einer sog. einfachen Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 FGO durch das FG ist nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften.
Die Erwägungen des FG bei der Ausübung des nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO vorgesehenen Ermessens lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Zum einen dient die Beiladung den Interessen des Beizuladenden. Dieser soll durch die Beiladung die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen, um zu verhindern, daß die Entscheidung seine Rechtsstellung nachteilig berührt (vgl. BFH, Beschluß vom 6. Mai 1988 VI B 35/87, BFH/NV 1989, 113). Das FG hat insoweit berücksichtigt, daß der Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse nach den Steuergesetzen nicht abzusprechen wäre, zumal - bei einem für die Klägerin erfolgreichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens - über die Frage, wer Gläubiger des Auszahlungsanspruchs sei, durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden wäre, also mittels eines Verwaltungsakts, der nach § 33 FGO der Kontrolle im Finanzstreitverfahren unterläge (BFH, Urteil vom 14. Juli 1987 VII R 116/86, BFHE 150, 396, BStBl II 1987, 863).
Soweit die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde noch geltend machte, sie habe sogar ein zwingendes Interesse an der Beiladung, weil es nicht ausgeschlossen erscheine, daß die Klägerin die Klage zurücknehme, wodurch ihre (der Beschwerdeführerin) steuerrechtlichen Interessen gravierend berührt würden, hält dem das FA zu Recht entgegen, auch bei einer Beiladung könne die Beschwerdeführerin die Klagerücknahme nicht verhindern (BFH/NV 1989, 240).
Als ausschlaggebend gegen die Beiladung hat das FG angesehen, daß beide Beteiligten der Hauptsache, die Klägerin und das FA, die Beteiligung der Beschwerdeführerin am Verfahren nicht wünschten. Daran hat sich nach den Aussagen dieser beiden Beteiligten im Beschwerdeverfahren nichts geändert. Wenn eine einfache Beiladung gegen den Willen des Klägers (der vor der Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 FGO zu hören ist) nur in Ausnahmefällen auszusprechen ist (BFH, Beschluß vom 17. August 1978 VII B 30/78, BFHE 126, 8, BStBl II 1979, 25), so kann bei gleichgerichteten Interessen, wie hier, den Belangen des Beiladungsprätendenten erst recht nicht mehr Gewicht zukommen als dem Widerspruch des Klägers gegen die Beiladung.
Dem weiteren Argument des FG, einander widersprechende Gerichtsentscheidungen seien im Streitfall nicht zu befürchten, ist noch hinzuzufügen, daß die Gefahr widersprechender Entscheidungen eine Beiladung rechtfertigen kann, was sich auf § 60 Abs. 1 FGO selbst stützen läßt, daß dies aber allein die Beiladung noch nicht als geboten erscheinen lassen muß (vgl. BFH/NV 1989, 113).
Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, daß das FG den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie einer Beiladung als eher entgegenstehend ansah, weil es im Fall einer Beiladung ggf. vorab hätte prüfen müssen, ob der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Abtretungsvertrag wirklich gültig sei. Die Belastung des Rechtsstreits noch mit der Klärung dieser Frage erschien dem FG - nachvollziehbar - nicht zweckmäßig.
Fundstellen