Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagerücknahme durch den zum Termin erschienenen Ehegatten nach fehlerhafter Ladung
Leitsatz (NV)
Zur Frage der Zustimmung des nach fehlerhafter Ladung nicht zum Termin erschienenen Ehegatten zur Prozeßführung des anderen Ehegatten und zur Wirksamkeit einer von diesem Ehegatten erklärten Klagerücknahme.
Normenkette
FGO §§ 62, 72, 91, 116 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Streitjahr 1975 sowie in den Jahren 1971 bis 1974 und 1976 und 1977 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Erfinder. Über die einkommen- und umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Einkünfte kam es zum Streit mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) und nach Abschluß des Einspruchsverfahrens zur Klage beim Finanzgericht (FG), die von beiden Klägern erhoben wurde.
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des FG am 31. Mai 1988 erschien die Klägerin nicht. Der erschienene Kläger nahm für die Kläger die Klagen für das Streitjahr 1975 und die Jahre 1976 und 1977 zurück. Für die Jahre 1971 bis 1974 sagte das FA die Aufhebung der geänderten Umsatzsteuerbescheide 1971 bis 1974 und die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1974 unter Anerkennung weiterer Betriebsausgaben zu. Im Hinblick darauf erklärten der Kläger und das FA die Verfahren in der Hauptsache für erledigt. Das FG trennte daraufhin das Verfahren wegen Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1975 vom übrigen Verfahren ab und stellte das abgetrennte Verfahren mit Beschluß vom 3. Juni 1988 ein.
Gegen den Einstellungsbeschluß legte der Kläger Beschwerde ein. Zu deren Begründung machte er geltend, die Ladung zum Erörterungstermin sei auf Donnerstag, den 31. Mai 1988, erfolgt; da es 1988 einen Donnerstag mit dem Datum 31. Mai nicht gegeben habe, sei die Ladung nicht ordnungsgemäß gewesen. Trotz des Fehlers sei er, der Kläger, vorsichtshalber zum Termin (Dienstag, 31. Mai 1988) erschienen. Eine Abstimmung mit seiner Eherfrau habe kaum erfolgen können. Außerdem fechte er den Vergleich wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an. Entsprechend dem ,,Grundsatzvergleich" müßten auch für 1975 ein Drittel der vereinnahmten Erfindervergütungen als Betriebsausgaben abgesetzt und die von ihm nicht mehr in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer gekürzt werden.
Das FG hob darauf den Einstellungsbeschluß vom 3. Juni 1988 auf und entschied nunmehr durch das angefochtene Urteil, die Klage sei zurückgenommen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der der Klägerin legte das FG dem Kläger auf. Die Sachanträge wurden mit Rücksicht auf die angenommene Klagerücknahme als unzulässig angesehen. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der geltend gemacht wird, die Klägerin sei im Verfahren vor dem FG nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und wird deshalb verworfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Weder das FG noch der BFH hat die Revision zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist durch Beschluß des Senats vom heutigen Tage als unzulässig verworfen worden.
2. Einer Zulassung zur Einlegung der Revision bedarf es nicht, wenn wesentliche Verfahrensmängel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden.
a) Die Kläger machen geltend, die Klägerin sei im Verfahren vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen und habe der Prozeßführung durch den Kläger auch nicht ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Dem kann nicht gefolgt werden.
Richtig ist allerdings, daß die Ladung zum Erörterungstermin einen Fehler aufwies. Die Ladung zu einem Termin muß insbesondere auch den Terminzeitpunkt enthalten (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 91 Rz. 10). Der Termin war nicht zutreffend angegeben. Die Verhandlung wurde nämlich auf Donnerstag, den 31. Mai 1988, angesetzt, obwohl es einen Donnerstag mit diesem Datum im Jahre 1988 nicht gab. Offenbar hat der Kläger den Erklärungswillen des Berichterstatters, nämlich als Termin Dienstag, den 31. Mai 1988, zu bestimmen, gleichwohl zutreffend erkannt, da er an diesem Termin zum Erörterungstermin im Gericht erschienen ist und zur Sache verhandelt hat. Eine Verletzung des § 91 FGO hat der Kläger dabei nicht gerügt, so daß der Fehler der Ladung geheilt worden ist (§ 155 FGO i. V. m. § 95 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStbl II 1981, 401).
b) Der Kläger hat im Termin am 31. Mai 1988 auch die Rücknahme der Klage der Klägerin erklärt. Dazu war ihm von der Klägerin zwar keine Prozeßvollmacht i. S. des § 62 FGO erteilt worden. Nach den besonderen Umständen des Streitfalles muß jedoch angenommen werden, daß die Klägerin der Prozeßführung des Klägers und auch der Rücknahme (auch) ihrer Klage zugestimmt hat; der Revisionsgrund des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist damit auch bei der Klägerin nicht gegeben.
Auf Grund ihrer Ladung wußte auch die Klägerin, daß in ihrer Einkommensteuersache ein Termin bestimmt worden war, daß bei der Bestimmung des Termins jedoch ein Fehler unterlaufen war. Der Klägerin war ferner bekannt, daß gleichwohl ihr Ehemann, der andere Kläger in derselben Sache, den Termin wahrnehmen und deshalb am Dienstag, 31. Mai 1988, vor dem FG erscheinen wollte. Wenn unter diesen Umständen die Klägerin sich weder um eine Klärung des Fehlers der Ladung bemüht hat, noch sich ihrem Ehemann bei Wahrnehmung des Termins am 31. Mai 1988 angeschlossen hat, noch dem Kläger erklärt hat, für sie komme wegen des Fehlers der Ladung eine Verhandlung zur Sache nicht in Betracht, so kann dies nur dahin gedeutet werden, daß sie mit der Wahrnehmung ihrer Belange im Termin durch den Kläger einverstanden war. Dies gilt um so mehr, als der Streit in der Einkommensteuersache um die Höhe der Einkünfte des Klägers aus seiner Erfindertätigkeit ging und deshalb - jedenfalls in erster Linie - der Kläger sachkundig und folglich zu einer Beurteilung der Verfahrensaussichten in der Lage war. War aber die Klägerin mit der Wahrnehmung ihrer Belange im Termin durch den Kläger einverstanden, so hat sie auch i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO der Prozeßführung und damit auch der Klagerücknahme durch den Kläger zugestimmt.
Die Ausführungen der Revision zur notwendigen Streitgenossenschaft (§ 59 FGO i. V. m. § 62 ZPO) können schon deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil - wie dargelegt - im Ergebnis eine wirksame Klagerücknahme für beide Kläger vorliegt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Streit um die Einkommensteuer von nach §§ 26, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusammenveranlagten Ehegatten ein Fall notwendiger Beiladung i. S. des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO grundsätzlich nicht vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321, sowie Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 60 FGO Tz. 4, und Gräber / Koch, a.a.O., § 60 Rz. 62). Dann muß es aber unbeschadet der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über die Streitgenossenschaft (§§ 59 bis 63 ZPO) auch zulässig sein, daß im Falle einer von beiden Ehegatten erhobenen Klage nur der eine Ehegatte die Klage zurücknimmt.
c) Andere Verfahrensmängel, die eine zulassungsfreie Revision ermöglichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt, so ist nach § 118 Abs. 2 Satz 1 FGO grundsätzlich nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden, sofern nicht zugleich die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO erfüllt sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 22. April 1971 I R 149/70, BFHE 102, 353, BStBl II 1971, 631; vom 17. Oktober 1979 I R 247/78, BFHE 129, 524, BStBl II 1980, 299, und vom 21. Januar 1986 VII R 196/83, BFH / NV 1986, 512, 515, m. w. N.). Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 (Abweichung von einer Entscheidung des BFH) FGO sind im Streitfall offensichtlich nicht erfüllt. Das FG ist bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts von der ständigen Rechtsprechung des BFH ausgegangen. Danach muß das FG, wenn die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht wird, das Verfahren fortsetzen und das fortgesetzte Verfahren durch ein Urteil beenden, durch das entweder (bei Verneinung einer Klagerücknahme) in der Sache entschieden wird oder aber durch Urteil ausgesprochen wird, daß die Klage zurückgenommen ist; verfährt das FG nicht so, sondern legt es die Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß dem BFH vor, so kann die Beschwerde nur dazu führen, daß die Sache an das FG zurückverwiesen wird, damit dieses, wie dargelegt, durch Urteil entscheidet (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 9. Mai 1972 IV B 99/70, BFHE 105, 246, BStBl II 1972, 543; vom 30. Januar 1980 VI B 116/79, BFHE 129, 538, BStBl II 1980, 300, und vom 21. Februar 1985 V B 75 /84, BFH / NV 1986, 99).
Auch bei seiner Entscheidung, die Klagerücknahme sei wirksam erfolgt, hat das FG sich von den dazu in der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätzen zur Bedeutung von Willensmängeln bei der Erklärung der Klagerücknahme (vgl. Urteil vom 8. Juli 1969 II R 108/66, BFHE 96, 552, BStBl II 1969, 733) leiten lassen. Der Rechtsstreit berührt deshalb nicht das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Eine Abweichung von einer Entscheidung des BFH ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 416653 |
BFH/NV 1990, 379 |