Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungszwang; Umdeutung
Leitsatz (NV)
1. Wird dem für die Einlegung der Revision gesetzlich normierten Vertretungszwang nicht genügt, fehlt dem Beteiligten die Postulationsfähigkeit. Mangels dieser Prozeßhandlungsvoraussetzung kann das Rechtsmittel nicht wirksam eingelegt werden.
2. Enthält die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision, so ist sie versagt.
3. Eine unzulässige Revision kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
4. Eine zulassungsfreie Revision ist ausschließlich statthaft, wenn die in § 116 Abs. 1 Nrn. 1--5 FGO abschließend aufgeführten schwerwiegenden Verfahrensmängel schlüssig gerügt werden.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 S. 1, Nr. 5; FGO § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1, § 120 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) nahm in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG die Beratung bei Finanz- und Kapitalanlagen, vor allem die Vermittlung von Anteilen an der ... GmbH & Co. KG vor. Geschäftsführer und zwischenzeitlicher Liquidator ist der Kommanditist X.
Gegen die mangels Abgabe von Steuererklärungen für die Streitjahre 1980 bis 1984 im Schätzungswege in den Jahren 1983 bis 1986 ergangenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheide legte die Klägerin, vertreten durch den Liquidator, mit Schreiben vom 3. September 1993 Einsprüche ein, welche der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --), wegen Verfristung als unzulässig verwarf.
Die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab, da die Klägerin die Einspruchsfrist versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Rechtsbehelfsfrist nicht in Betracht komme.
Hiergegen erhob die Klägerin Revision wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit". Die getroffene Entscheidung sei nach "Art, Inhalt, Zuständigkeit oder Verfahren" nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) überhaupt nicht vorgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig und war deshalb durch Beschluß gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu verwerfen.
1. Das Rechtsmittel der Revision ist bereits deshalb unzulässig, weil die Klägerin sich entgegen der dem angefochtenen Urteil des FG unter Ziffer 3 beigefügten Rechtsmittelbelehrung nicht ordnungsgemäß hat vertreten lassen.
Nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen.
Der als Liquidator der Klägerin zur Vertretung berufene X gehört offensichtlich nicht zu diesem vertretungsberechtigten Personenkreis.
Wird diesem gesetzlich normierten Vertretungszwang nicht genügt, fehlt dem Beteiligten die Postulationsfähigkeit. Mangels dieser Prozeßhandlungsvoraussetzung konnte die Klägerin mithin nicht wirksam das Rechtsmittel der Revision einlegen.
Dieser Mangel könnte weder durch die nachträgliche Einlegung der Revision nach Ablauf der Revisionsfrist (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) geheilt werden nocht käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, da die Klägerin, vertreten durch ihren Liquidator, im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung die Frist nicht unverschuldet versäumt hat (vgl. § 56 Abs. 1 FGO; BFH-Beschlüsse vom 29. August 1995 IX B 15/95, BFH/NV 1996, 430; vom 17. Februar 1995 VIII R 9/95, BFH/NV 1995, 1085).
2. Darüber hinaus ist die Revision auch deswegen unzulässig, weil sie weder das FG noch auf Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision der BFH zugelassen hat und die Klägerin auch keine wesentlichen Verfahrensmängel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FGO schlüssig gerügt hat, die ausnahmsweise eine zulassungsfreie Revision eröffnen würden.
a) Nach Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat.
Enthält die Entscheidung des FG -- wie hier -- keinen Ausspruch über die Zulassung, so ist sie versagt (Beschluß in BFH/NV 1995, 1085, m. w. N.).
Eine unzulässige Revision kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (Beschluß in BFH/NV 1995, 1085; BFH-Beschluß vom 10. November 1994 XI B 35/94, BFH/NV 1995, 622, m. w. N.).
Überdies besteht auch für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde der unter 1, dargestellte Vertretungszwang.
b) Eine zulassungsfreie Revision ist ausschließlich unter den in § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FGO genannten Zulassungsgründen statthaft. Die darin enumerativ aufgeführten schwerwiegenden Verfahrensmängel enthalten eine abschließende Aufzählung (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 1085; vom 11. Januar 1996 VII R 100/95, BFH/NV 1996, 489 betreffend Verletzung des rechtlichen Gehörs).
Die von der Klägerin behaupteten "greifbaren Gesetzwidrigkeiten" und angeblichen Verstöße gegen Art. 3 und 14 Grundgesetz durch ein anderes als das beklagte FA fallen -- soweit mit ihnen nicht ohnedies materiell- rechtliche Verstöße behauptet werden -- ersichtlich nicht unter diese Zulassungsgründe.
Fundstellen
Haufe-Index 422264 |
BFH/NV 1997, 797 |