Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß derjenige (hier: Enkel) ein Grundstück nicht als Miterbe erwirbt, dem mehrere Jahre vor der Nachlaßteilung ein Erbteil von einem Miterben (hier: Großvater) durch Rechtsgeschäft unter Lebenden schenkungsweise übertragen worden ist.
Normenkette
GrEStG 1940 § 3 Nr. 3
Tatbestand
Der Antragsgegner (FA) hat die Antragstellerin wegen Zahlung von Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen. Die Antragstellerin begehrt, die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen. Es liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Urgroßvater der Antragstellerin war bis zu seinem Tode am 2. Juni 1948 u. a. Eigentümer eines Grundstücks. Von den neun Miterben hatten zwei ihre Erbteile von je 1/10 in den Jahren 1951 und 1953 an die Eltern der Antragstellerin verkauft. Im September 1963 hatten der Großvater der Antragstellerin seinen Erbteil von 1/10 und die Eltern der Antragstellerin die erworbenen Erbteile von zusammen 2/10 der Antragstellerin geschenkt.
Am 25. Oktober 1972 setzten sich die an dem Nachlaßgrundstück Mitbeteiligten durch notariell beurkundeten Vertrag in der Weise auseinander, daß die Antragstellerin das Grundstück gegen Übernahme der Hypothekengewinnabgabeschuld und Barzahlungen an die übrigen Mitbeteiligten zu Eigentum erhielt. Das FA sah diesen Erwerbsvorgang als grunderwerbsteuerpflichtig an.
Im Einspruchsverfahren begehrte die Antragstellerin die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids. Sie meinte, der Erwerbsvorgang sei gem. § 3 Nr. 3 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Sie sei als Abkömmling eines Miterben (ihres Großvaters) ebenfalls als Miterbin an dem Nachlaßgrundstück beteiligt gewesen. Der 1/10-Erbteil sei ihr von ihrem Großvater in vorweggenommener Erbfolge übertragen worden. Diese Übertragung sei bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der ratio legis einem Übergang des Erbteils durch Erbgang gleichzustellen.
Der Einspruch blieb im wesentlichen erfolglos. Die Klage der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren mit im wesentlichen gleicher Begründung weiterverfolgte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Über die Revision der Antragstellerin ist noch nicht entschieden. Mit ihrem Rechtsmittel erstrebt die Antragstellerin weiterhin die Aufhebung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.
Die Antragstellerin hat nach Einlegung der Revision bei dem BFH die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, beantragt. Sie hält die Auffassung des FG für unzutreffend und meint, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen, ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. u. a. Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) bestehen nach dem bisherigen Vorbringen der Antragstellerin nicht.
a) Das FA hat die Antragstellerin zutreffend zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Das Vorbringen der Antragstellerin begründet - wie die Prüfung im Rahmen des Aussetzungsverfahrens ergibt - keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Mit Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages erlangte die Antragstellerin entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks gegen die übrigen an der Gemeinschaft beteiligten Personen. Dieser Vorgang unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer aus der Gegenleistung der Antragstellerin (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Der Erwerbsvorgang ist nicht gem. § 3 Nr. 3 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Diese Vorschrift stellt den Erwerb eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses von der Steuer frei. Eine der Voraussetzungen, von denen § 3 Nr. 3 GrEStG diese Steuervergünstigung abhängig macht, ist im Streitfall nicht gegeben: Die Antragstellerin hat das Grundstück nicht als Miterbe erworben.
b) Die Antragstellerin ist, wie sie selbst einräumt, nicht Miterbin im zivilrechtlichen Sinne gewesen oder geworden.
Hinterläßt ein Erblasser mehrere Erben - mag dies auf Gesetz (§§ 1924 ff. BGB) oder auf Verfügung von Todes wegen (§§ 1937 ff. BGB) beruhen -, so wird sein Nachlaß kraft Gesamtrechtsnachfolge gemeinschaftliches Vermögen der Erben (§ 2032 Abs. 1 BGB). Die Rechtsverbindungen der mehreren Erben untereinander und bezüglich des Nachlasses entstehen kraft Gesetzes unabhängig von dem Willen der Erben durch den und mit dem Tod des Erblassers. Die an der damit begründeten (Zufalls-)Gemeinschaft zur gesamten Hand beteiligten Erben, also die Personen, denen ein Anteil am Nachlaß im ganzen zusteht, sind Miterben. Miterben in diesem Sinne waren im Streitfall weder die Antragstellerin noch deren Eltern. Nur der Großvater der Antragstellerin (sowie die beiden Erbteilverkäufer) war (waren) zusammen mit den anderen Erben am ungeteilten Nachlaß des Urgroßvaters der Antragstellerin beteiligt und damit Miterbe (Miterben) im bürgerlich-rechtlichen Sinne.
Die Antragstellerin vertritt demgegenüber unter Hinweis auf eine Äußerung von Segebrecht (Besteuerung der Erben und Erbengemeinschaften, 4. Aufl., 1976, S. 251, Zeile 2 von unten) die Ansicht, zu den Miterben gehörten "auch die Abkömmlinge von Miterben". Dieser Ansicht kann der beschließende Senat nicht zustimmen. Als Abkömmling wurde die Antragstellerin weder in die Gesamthändergemeinschaft der Erben nach ihrem Urgroßvater einbezogen noch erlangte sie allein dadurch einen (gesamthänderisch gebundenen) Anteil an dem ungeteilten Nachlaß im ganzen.
c) Eine Ausnahme von der Besteuerung läßt sich für den Grundstückserwerb der Antragstellerin auch nicht aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und aus dem Sinn des § 3 Nr. 3 GrEStG herleiten.
Die Grunderwerbsteuer erfaßt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - im wesentlichen bürgerlichrechtliche Vorgänge; sie folgt grundsätzlich der bürgerlich-rechtlichen Beurteilung. Daher steht "bei der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer die rechtliche Betrachtung gegenüber der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Vordergrund ..." (so BFH-Urteil vom 28. April 1954 II 186/53 U, BFHE 58, 694, 696, BStBl III 1954, 176). Dementsprechend hat der BFH in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß "§ 3 Ziffer 3 a. a. O. ... wegen seiner klaren rechtlichen Abgrenzung des Befreiungstatbestandes eine Auslegung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht" zulasse. Der Senat sieht in diesem Aussetzungsverfahren keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen. Das Tatbestandsmerkmal "Miterben" ist wirtschaftlichen Erwägungen nicht zugänglich. Es ist als bürgerlich-rechtlicher Begriff in das Grunderwerbsteuerrecht übernommen. Zweifel an Inhalt und Bedeutung des Begriffes bestehen in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht ebensowenig wie in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht, wenn auch eine ausdrückliche Definition des "Miterben" im BGB nicht gegeben wird. Diesem bürgerlich-rechtlichen Verständnis des Miterbenbegriffes im Grunderwerbsteuerrecht steht nicht entgegen, daß nach allgemein herrschender Meinung (vgl. Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl., 1936, § 8 Nr. 3 II 4 S. 238/239 und Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, 9. Aufl., 1970, § 3 Anm. 57; Troll, Nachlaß und Erbe im Steuerrecht, 1967, Grunderwerbsteuer IV b 1 S. 230; Segebrecht, a. a. O., S. 251/252) auch die Erben, die an die Stelle eines nach dem Erbfall gestorbenen (Mit-)Erben getreten sind (Erbeserben), und die Nacherben nach dem Eintritt des Nacherbfalls (vgl. dazu auch RFH vom 7. Februar 1928 II A 12/28, RStBl 1928, 114 - nur Rechtssatz -) zu den Miterben gehören. Erbeserben und Nacherben können ebenso wie die (eigentlichen) Miterben auf die Erlangung ihrer Rechtsstellung in der Regel keinen Einfluß ausüben. Sie erlangen ihre Erbenstellung und damit ihre Beteiligung an dem Nachlaß im ganzen - anders als die Antragstellerin - kraft Gesetzes durch den und mit dem Tode des Miterben und unabhängig von ihrem persönlichen Willen.
d) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die Antragstellerin den Erbteil von ihrem Großvater im Wege der sog. vorweggenommenen Erbfolge erhalten hat. § 3 Nr. 3 GrEStG kann auf diesen Fall nicht analog angewendet werden.
Mit der Übertragung des Erbteils auf die Antragstellerin schied ihr Großvater aus der Erbengemeinschaft aus, d. h. es stand ihm von da ab kein Anteil mehr am Nachlaß im ganzen zu. Dadurch änderte sich die Rechtsnatur der Gemeinschaft nicht. Die in Abweichung von den Grundsätzen der Gesamthand zulässige und mögliche Verfügung eines Miterben "über seinen Anteil an dem Nachlaß" (§ 2033 BGB) beeinträchtigt den Fortbestand der Erbengemeinschaft als solcher nicht. Diese bleibt ihrer Rechtsnatur nach Gemeinschaft zur gesamten Hand, wenn auch - z. B. kraft Anteilsübertragungen - Nichterben zu den Miterben hinzutreten. Das hat aber nicht zur Folge, daß die hinzugetretenen Nichterben rechtlich zu Miterben werden. Die Zugehörigkeit zu der Gesamthandsgemeinschaft bringt nicht automatisch die Rechtsstellung eines Miterben mit sich. Diese entsteht vielmehr, wie oben dargelegt, allein kraft Gesetzes aufgrund der verwandtschaftlichen, der personen- und/oder der erbrechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Dem Nicht-(Mit-)Erben steht mit der Übertragung des Erbteils unter Lebenden nur die Ausübung und Wahrnehmung der mit dem Anteil am Nachlaß im ganzen verbundenen (Miterben-)Rechte zu. Eine Einbeziehung der Antragstellerin in die fortbestehende Erbengemeinschaft im Wege der - gesetzlichen oder testamentarischen - Erbfolge ist mit der tatsächlich vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Übertragung des Erbteils unter Lebenden nicht eingetreten. Diese Art der Übertragung kann entgegen der Meinung der Antragstellerin wegen der rechtlichen Betrachtungsweise und der "klaren rechtlichen Abgrenzung des Befreiungstatbestandes" (BFH-Entscheidung vom 28. April 1954 II 186/53 U) nicht einer Erbteilsübertragung durch Erbgang, also einem Erwerb von Todes wegen gleichgestellt werden. Der rechtlich eindeutige Wortlaut des § 3 Nr. 3 GrEStG ("Miterben") schließt es aus, den Erwerb eines Erbteils durch Übertragung im Wege einer Schenkung unter Lebenden als einen "Erwerb ... durch Miterben" zu werten. Das bestätigen die Vorschriften in § 3 Nr. 3 Sätze 1 und 2 GrEStG, wonach nur ganz bestimmte Personen den "Miterben" im Hinblick auf die Gewährung der Grunderwerbsteuerbefreiung gleichgestellt werden. Eine ausdehnende Anwendung auf andere Personen, die nicht "Miterben" sind, läßt diese gesetzliche Regelung nicht zu. Eine Regelungslücke liegt nicht vor.
e) Auch eine Zusammenschau der Nr. 3 und der Nr. 6 des § 3 GrEStG läßt, wie sich aus dem Vorstehenden, insbesondere aus b) bis d) ergibt, keine andere Beurteilung des Streitfalles zu. Die Antragstellerin hat bisher nichts vorgetragen, was eine Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG möglich erscheinen ließe. Der Senat sieht deshalb davon ab, das von den Beteiligten erwähnte Urteil des FG Münster vom 29. November 1968 IV 1313/67 GrE (EFG 1969, 139) zu prüfen und sich damit auseinanderzusetzen.
2. Der Hilfsantrag der Antragstellerin, die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids gegen Sicherheitsleistung anzuordnen, scheitert schon daran, daß hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids - wie unter 1. dargelegt - keine ernstlichen Zweifel bestehen. Deshalb ist der Senat auch bei angebotener Sicherheitsleistung nicht zur Aussetzung der Vollziehung berechtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 72017 |
BStBl II 1977, 13 |
BFHE 1977, 80 |