Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswirkungen einer einseitigen Erledigungserklärung; prozessuale Folgen eines Zuständigkeitswechsels des FA im Aussetzungsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Bei einseitiger Erledigungserklärung durch den Antragsteller eines Aussetzungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 3 FGO beschränkt sich der Rechtsstreit bei Zulässigkeit des Antrags auf die Erledigungsfrage.
2. Ist durch die Sitzverlegung des Antragstellers nach Antragserhebung ein Zuständigkeitswechsel bei der Finanzbehörde eingetreten, wird die Prozessführungsbefugnis des den angegriffenen Verwaltungsakt erlassenden FA im Antragsverfahren nicht berührt. Dieses FA bleibt Antragsgegner in einem Aussetzungsverfahren, wenn der Aussetzungsantrag während des Klageverfahrens gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO an das Gericht der Hauptsache gerichtet wird (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 25. April 1985 IV S 10/84, BFH/NV 1986, 665).
3. Die Voraussetzung für den Zugang zum Gericht gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO (ablehnende Verfügung des FA) bleibt auch nach einem Zuständigkeitswechsel bestehen. Der Zugangsvoraussetzung ist unbeschadet der fortbestehenden Prozessführungsbefugnis des bisher zuständigen FA im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 FGO genügt, wenn das nunmehr zuständig gewordene FA die beantragte Aussetzung der Vollziehung ablehnt.
4. Bei gegensätzlichen Hauptanträgen der Beteiligten (hier: Erledigungserklärung des Antragstellers, Antragszurückweisung durch das FA) ist eine Sachentscheidung zu treffen. Die nur hilfsweise Erledigungserklärung des FA kann nicht zu einer isolierten Kostenentscheidung nach § 138 FGO führen. Ist das FA mit seinem auf Abweisung des Antrags gerichteten Begehren unterlegen, müssen diesem gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten auferlegt werden (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 10. September 1991 VII B 208/90, BFH/NV 1992, 398).
Normenkette
FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 69 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, 4 S. 1, § 122 Abs. 1, § 135 Abs. 1, § 138
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Sache um die Frage nach dem Vorliegen von verdeckten Gewinnausschüttungen. Die Klage gegen die Steuerbescheide des Antragsgegners FA B blieb erfolglos. Der Senat hat die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 9. Dezember 2003 6 K 138/02 auf Beschwerde der Antragstellerin durch Beschluss vom 26. Mai 2004 I B 28/04 zugelassen; über die Revision (Az. I R 70/04) ist noch nicht entschieden. Beklagter und Revisionsbeklagter in diesem Verfahren ist das FA B, gegen das sich auch die Nichtzulassungsbeschwerde richtete. Infolge Sitzverlegung der Antragstellerin seit dem 27. Juni 2002 ist für deren Besteuerung zwischenzeitlich --nach Klageerhebung vor dem FG-- allerdings das FA K örtlich zuständig geworden.
Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide war auf Antrag der Antragstellerin vom 4. Oktober 2000 für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren durch Verfügung des FA B vom 21. Dezember 2000 und für das anschließende Klageverfahren durch Verfügung des FA K vom 30. Juni 2003 ausgesetzt worden. Gemäß Verfügung des FA K vom 19. Februar 2004 endete die Aussetzung am 22. März 2004. Am 25. Februar 2004 beantragte die Antragstellerin beim FA K die erneute Aussetzung der Vollziehung (AdV) für das Beschwerdeverfahren, was durch Verfügungen vom 27. Februar, 10. März, 2. April sowie 4. Mai 2004 abgelehnt wurde. Am 14. Juli 2004 beantragte die Antragstellerin daraufhin beim Bundesfinanzhof (BFH) die "Stundung und Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1996 und 1997". Zwischenzeitlich --am 30. Juli 2004-- hat das FA K hinsichtlich Körperschaftsteuer 1997 sowie Zinsen und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer, jeweils für 1996 und für 1997, die AdV für das Revisionsverfahren gewährt.
Nunmehr erklärt die Antragstellerin das Aussetzungsverfahren in der Hauptsache für erledigt. Sie beantragt, dem FA B die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Das FA B beantragt, den Antrag vom 14. Juli 2004 auf AdV als unzulässig abzulehnen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hilfsweise erklärt das FA B den Rechtsstreit ebenfalls in der Hauptsache für erledigt und beantragt, der Antragstellerin die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Rechtstreit hat sich in der Hauptsache tatsächlich erledigt, nachdem das FA K die von der Antragstellerin begehrte AdV verfügt hat. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit dementsprechend für erledigt erklärt, das FA B jedoch nur hilfsweise für den Fall, dass der AdV-Antrag nicht als unzulässig anzusehen ist. Die Hauptanträge beider Beteiligten weichen also voneinander ab, so dass zunächst über den Antrag der Antragstellerin zu entscheiden ist.
2. Bei einseitiger Erledigungserklärung durch den Antragsteller beschränkt sich der Rechtsstreit auf die Erledigungsfrage (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1986 VII B 134/85, BFHE 147, 110, BStBl II 1986, 752). Nur dann, wenn der AdV-Antrag unzulässig war, darf eine die Erledigung feststellende Entscheidung nicht ergehen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Rz. 18, m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Antrag auf AdV war zulässig.
Die besonderen Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind erfüllt. Das zwischenzeitlich für die Besteuerung der Antragstellerin zuständig gewordene FA K hat den zunächst bei ihm gestellten AdV-Antrag abgelehnt. Dazu war es infolge der Sitzverlegung der Antragstellerin in seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich (vgl. § 20 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) befugt. Zwar berührt der Zuständigkeitswechsel nicht die Prozessführungsbefugnis des FA B (§ 63 Abs. 1 Nr. 1, § 122 Abs. 1 FGO). Gleiches gilt für das Aussetzungsverfahren, für das § 63 FGO nicht unmittelbar gilt; wegen des engen Zusammenhangs zwischen Klage- und Aussetzungsverfahren bleibt das im Klageverfahren prozessführungsbefugte FA (hier das FA B) aber auch Antragsgegner im Aussetzungsverfahren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1985 IV S 10/84, BFH/NV 1986, 665; vom 24. Mai 1989 V S 2/88, BFH/NV 1990, 255). Das ändert jedoch nichts daran, dass das nunmehr zuständige FA (hier das FA K) über den bei ihm gestellten AdV-Antrag entscheiden durfte, ebenso wie es in der Lage war, als "zuständige Finanzbehörde" i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO eine von ihm für geboten erachtete AdV von Amts wegen zu verfügen (vgl. Hessisches FG, Beschluss vom 8. Oktober 1996 5 V 2983/96, Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 90; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 124; Gosch in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO Rz. 244; Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 27. September 2000, BStBl I 2000, 1232, dort Tz. 3.3 zu § 361 AO 1977 unter Hinweis auf § 367 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 26 Satz 2 AO 1977). Die Ablehnung des AdV-Antrags durch das FA K genügte demzufolge den Anforderungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO nicht weniger als eine Ablehnung durch das FA B. Im Einklang damit konnte das FA K umgekehrt auch die Aussetzung verfügen, wie es dann in der Folgezeit gegenüber der Antragstellerin auch tatsächlich geschehen ist.
3. Es bleibt deswegen bei der Feststellung, dass sich das Aussetzungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat. Ob der Antrag ohne die eingetretene Erledigung begründet gewesen wäre, braucht nicht entschieden zu werden.
4. Da bei gegensätzlichen Hauptanträgen der Beteiligten --hier vorliegend-- eine Sachentscheidung zu treffen ist, kann die nur hilfsweise Erledigungserklärung des FA B nicht zu einer isolierten Kostenentscheidung nach § 138 FGO führen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. September 1991 VII B 208/90, BFH/NV 1992, 398; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 138 FGO Tz. 28; s. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 138 Rz. 14). Ungeachtet der hilfsweisen Erledigungserklärung müssen die Kosten gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem FA B auferlegt werden, das mit seinem auf Antragsablehnung gerichteten Begehren unterlegen ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 138 Rz. 14 a.E., Rz. 20, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1345122 |
BFH/NV 2005, 1109 |