Entscheidungsstichwort (Thema)
Restitutionsantrag, mit dem Abweichung des angegriffenen Beschlusses von einer Entscheidung des Großen Senats des BFH geltend gemacht wird
Leitsatz (amtlich)
Ein Restitutionsantrag gegen einen Beschluß des BFH, mit dem geltend gemacht wird, der Beschluß verstoße gegen einen in einer anderen Sache ergangenen Beschluß des Großen Senats des BFH, ist als unzulässig zu verwerfen. Zuständig für diese Entscheidung ist der BFH.
Normenkette
FGO § 134; ZPO § 580 Nrn. 6-7
Tatbestand
Im Ausgangsverfahren war streitig, ob die Einkünfte der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, aus der Vermietung von Grundstücken und Gebäuden an ihre Komplementär-GmbH in den Streitjahren (1982 bis 1984) nach § 3 Nr.20 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Gewerbesteuer befreit waren. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, die Klägerin sei Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und erziele als solches aus der Vermietung der Grundstücke und Gebäude an die GmbH Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese seien nicht nach § 3 Nr.20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Klägerin geltend machte, das FG-Urteil weiche vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.April 1985 IV R 36/82 (BFHE 144, 20, BStBl II 1985, 622) und vom Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) ab, wurde vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 30.September 1991 IV B 21/91 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Senat im wesentlichen aus: Das FG-Urteil weiche nicht i.S. des § 115 Abs.2 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von den von der Klägerin bezeichneten Entscheidungen ab. Eine GmbH könne einen eigenen Betrieb unterhalten (im Streitfall den Betrieb von Alten- und Pflegeheimen auf gepachteten Grundstücken) und sich gleichzeitig als Gesellschafterin (Mitunternehmerin) an einem anderen Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft (im Streitfall am Verpachtungsbetrieb der GmbH & Co. KG) beteiligen. Bei dieser Gestaltung werde der eigene Betrieb der GmbH nicht Bestandteil eines als einheitlich zu wertenden Gewerbebetriebs, sondern behalte wie auch sonst bei der Betriebsaufspaltung (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8.November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, und seitdem ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 8.März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714) grundsätzlich seine rechtliche Selbständigkeit. Eine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 144, 20, BStBl II 1985, 622 sei nicht gegeben. Eine "mitunternehmerische" Betriebsaufspaltung wie im Falle des Urteils in BFHE 144, 20, BStBl II 1985, 622 liege im Streitfall nicht vor, da Betriebsgesellschaft nicht eine Personen-, sondern eine Kapitalgesellschaft sei. Ebensowenig weiche das FG von dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 ab. Aus dieser Entscheidung ergebe sich kein Rechtssatz des Inhalts, daß bei Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer GmbH & Co. KG die eigene gewerbliche Tätigkeit der GmbH und die Tätigkeit der Personengesellschaft eine einheitliche Mitunternehmerschaft bildeten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf § 580 Nr.6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) gestützte Restitutionsantrag, mit dem geltend gemacht wird, eine Betriebsaufspaltung habe nicht vorgelegen. Dies ergebe sich aus dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25.Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691). In dieser Entscheidung habe der Große Senat die bisherige Rechtsprechung aufgegeben und stelle auf die Einheit der Personenhandelsgesellschaft ab. Danach lägen keine rechtlich selbständigen Gewerbebetriebe als Besitzunternehmen und als Betriebskapitalgesellschaft vor. Es gelte die Einheit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die Gesellschafter seien Mitunternehmer. Im Beschluß des erkennenden Senats vom 30.September 1991 sei dies nicht berücksichtigt worden.
Die Klägerin beantragt, den Beschluß vom 30.September 1991 IV B 21/91 aufzuheben und die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.
Das FA beantragt sinngemäß, den Antrag als unzulässig abzuweisen. Wiederaufnahmegründe i.S. des § 580 ZPO seien nicht vorgetragen worden. Eine behauptete Änderung der Rechtsprechung reiche nicht aus, selbst wenn sie zutreffen sollte.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unzulässig und muß deshalb abgewiesen werden.
1. Der erkennende Senat ist sachlich zur Entscheidung über den Restitutionsantrag berufen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Zuständigkeit des Revisionsgerichts in den Fällen des § 580 Nr.6 ZPO gegeben, wenn mit der Klage keine tatsächlichen Feststellungen angefochten werden, sondern vielmehr ausschließlich geltend gemacht wird, das Revisionsgericht habe sich zur Begründung seiner Entscheidung auf ein Urteil gestützt, dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht gefolgt sei (BFH-Urteile von 17.Juli 1985 II K 1/84, BFH/NV 1986, 164; vom 4.Juli 1991 IV K 1/90, BFHE 164, 504, BStBl II 1991, 813). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es in Fällen dieser Art im Restitutionsverfahren keiner weiteren Feststellungen durch die Tatsacheninstanz bedarf. Auch im Streitfall bedarf es zur Entscheidung über den Restitutionsantrag keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen, da lediglich geltend gemacht wird, der Beschluß vom 30.September 1991 IV B 21/91 sei mit den Rechtsgrundsätzen des Beschlusses in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 nicht vereinbar.
2. Nach § 580 Nr.6 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Im Wiederaufnahmeverfahren gegen einen Beschluß, mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird, tritt an die Stelle der Klage ein entsprechender Antrag (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl. 1987, § 134 RdNr.2). Dabei ist die Klage bzw. der Antrag als unzulässig abzuweisen, wenn kein zulässiger Wiederaufnahmegrund schlüssig vorgetragen wird (vgl. Senatsurteil in BFHE 164, 504, BStBl II 1991, 813).
3. Im Streitfall ist ein Restitutionsgrund i.S. des § 580 Nr.6 ZPO nicht vorgetragen worden. Die Vorschrift des § 580 Nr.6 ZPO setzt voraus, daß das Urteil eines anderen Gerichts, auf welches sich die mit der Restitutionsklage angegriffene Entscheidung, im Streitfall die Beschwerdeentscheidung des Senats, stützt, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Durch den Beschluß des Großen Senats ist kein anderes Urteil, das von Bedeutung für die Beschwerdeentscheidung gewesen wäre, aufgehoben worden. Nach § 11 Abs.5 FGO entscheidet der Große Senat über die ihm von einem Senat des BFH gemäß § 11 Abs.3 oder 4 FGO vorgelegte Rechtsfrage. Die Entscheidung ist für den vorlegenden Senat in dem Verfahren, in dem es zu der Vorlage gekommen ist, bindend. Zu einer Aufhebung einer anderen Gerichtsentscheidung kommt es jedoch durch den Beschluß des Großen Senats nicht. Frühere Gerichtsentscheidungen werden in ihren Wirkungen durch den Beschluß des Großen Senats nicht berührt.
4. Im übrigen stehen die Erwägungen, auf die der erkennende Senat seinen Beschluß vom 30.September 1991 IV B 21/91 gestützt hat, auch materiell-rechtlich nicht in Widerspruch zu dem Beschluß in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691. Denn auch aus diesem Beschluß ergibt sich kein Rechtssatz des Inhalts, daß bei einer Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer GmbH & Co. KG die eigene gewerbliche Tätigkeit der GmbH und die Tätigkeit der Personengesellschaft eine einheitliche Mitunternehmerschaft bilden. Die vom Großen Senat betonte Einheit und die eigene Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft werden vielmehr als Grundlage für die Anerkennung von Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern als Inhabern eigenständiger Betriebe gewertet (vgl. Beschluß in BFHE 163, 1, 16, BStBl II 1991, 691, 699 unter C. III. 2.).
5. Auch ein Wiederaufnahmegrund i.S. des § 580 Nr.7 ZPO ist nicht schlüssig vorgetragen worden. Dazu verweist der Senat auf sein Urteil in BFHE 164, 504, BStBl II 1991, 813.
Danach war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 135 Abs.1 FGO als unzulässig abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64240 |
BFH/NV 1992, 52 |
BStBl II 1992, 625 |
BFHE 167, 287 |
BFHE 1992, 287 |
BB 1992, 1203 (L) |
DB 1992, 1460 (L) |
DStZ 1992, 510 (KT) |
HFR 1992, 548 (LT) |
StE 1992, 358 (K) |