Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwände gegen Vaterschaft im Kindergeldverfahren
Leitsatz (NV)
Im Kindergeldverfahren kann die Mutter des Kindes, welche die Gewährung von Kindergeld an sich begehrt, nicht mit Erfolg einwenden, der (angebliche) Kindsvater habe die Vaterschaft zu Unrecht anerkannt.
Normenkette
BGB § 1592 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; ZPO § 114 S. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) hatte Kindergeld für ihre Tochter M erhalten. Die Beklagte (Familienkasse) hob die Festsetzung ab Juli 2007 auf und forderte das für diesen Monat gezahlte Kindergeld von 154 € zurück. Die Familienkasse war der Ansicht, Herr W sei der leibliche Vater von M, habe diese in seinen Haushalt aufgenommen und sei deshalb vorrangig anspruchsberechtigt.
Gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wandte sich die Klägerin mit Einspruch und Klage. Sie trug u.a. vor, W sei nicht der leibliche Vater von M. Das Finanzgericht (FG), das W zu dem Verfahren beigeladen hatte, wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, W habe M in seinen Haushalt aufgenommen. Eine Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und M habe nicht mehr existiert. Auf die Frage, ob W der leibliche Vater von M sei, komme es nicht an. Jedoch weise zumindest die Geburtsurkunde W als den leiblichen Vater aus. Auch sei die Vaterschaft des W nicht erfolgreich angefochten worden.
Die Klägerin begehrt für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, mit der Nichtzulassungsbeschwerde solle beantragt werden, das angefochtene Urteil aufzuheben und zu entscheiden, dass das Kindergeld weiterhin ihr zustehe. Vor der Aufhebung der Festsetzung hätte die Familienkasse rechtliches Gehör gewähren müssen. Der Streitfall sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Familienkasse habe ein Pflegekindschaftsverhältnis für den Fall bejaht, dass W nicht der leibliche Vater von M sei. Die Familienkasse könne ein solches Pflegekindschaftsverhältnis nicht "einräumen", denn dies sei den Jugendämtern vorbehalten. Es gebe zwei sich widersprechende Entscheidungen über das Sorgerecht für M. Es sei nicht mit dem Gesetz vereinbar, aufgrund eines Beschlusses über das Aufenthaltsbestimmungsrecht den Bezug des Kindergeldes zu ändern, zumal wenn sich herausstellen sollte, dass das Sorgerecht zu Unrecht entzogen worden sei. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht sei ihr rechtsfehlerhaft ohne vorherige Anhörung aberkannt worden. Das Jugendamt habe ohne ihre Zustimmung oder der Zustimmung des rechtlichen Vaters eine Vaterschaftsanerkennung zugunsten von W vorgenommen und somit die Geburtsurkunde verfälscht. Das FG habe die Tatsache, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht noch im Streit gewesen sei, nicht ausreichend gewürdigt und sei auf die Einlassungen der Familienkasse eingegangen, ohne sie zu prüfen. M habe nach wie vor ihren Lebensmittelpunkt bei ihr, der Klägerin. Die Familienkasse hätte das Kindergeld nicht allein wegen des Beschlusses über das Aufenthaltsbestimmungsrecht an W auszahlen dürfen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist abzulehnen.
1. Es kann dahinstehen, ob ein Antrag auf PKH beim Bundesfinanzhof (BFH) seit der Neufassung des § 62 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 2840) nur wirksam ist, wenn er durch eine zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Person eingelegt wird. Denn der Antrag der Klägerin ist jedenfalls unbegründet.
2. Die Gewährung von PKH setzt nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung u.a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, so fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht, wenn weder der Antrag noch eine summarische Prüfung von Amts wegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2008 III S 13/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1145).
3. So liegt es im Streitfall; für den Senat ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder das Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Die von der Klägerin herausgestellte Rechtsfrage, ob die Familienkassen ein Pflegekindschaftsverhältnis begründen könnten, ist nicht grundsätzlich bedeutsam. Sie ist nicht klärungsbedürftig und könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Die Familienkasse hatte im finanzgerichtlichen Verfahren nur hilfsweise, für den Fall, dass W nicht der leibliche Vater sein sollte, ein Pflegekindschaftsverhältnis bejaht. Das FG ist dieser Frage nicht nachgegangen und brauchte dies auch nicht zu tun, da W die Vaterschaft anerkannt hat und somit nach § 1592 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches der Vater von M ist.
b) Der Vortrag der Klägerin, der sich auf unterbliebene Anhörungen durch die Familienkasse und durch das Jugendamt bezieht, kann nicht zur Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führen. Diese Vorschrift betrifft Verfahrensverstöße des FG, nicht aber solche der Familienkasse und erst recht nicht solche der Behörden, die mit der Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder über die Abstammung von M befasst waren. Eine Gehörsverletzung ist auch nicht darin zu sehen, dass das FG einige Tatsachen, die nach Ansicht der Klägerin von großer Bedeutung sind, nicht als entscheidungserheblich angesehen hat. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass sich das Gericht der rechtlichen Beurteilung der Klägerin anschließen müsste (z.B. BFH-Beschluss vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397).
4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, Gerichtsgebühren entstehen nicht.
Fundstellen