Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegung eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
- Eine ordnungsgemäße Rüge einer Verletzung des Rechts auf Gehör durch die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung setzt voraus, dass ein erheblicher Grund für die Terminsverlegung dargetan wird. Der bloße Hinweis auf die Ortsabwesenheit des Prozessbevollmächtigten am Tag der Verhandlung genügt insoweit nicht.
- Eine schlüssige Aufklärungsrüge (vgl. § 76 FGO) erfordert den Vortrag, dass die nicht berücksichtigten Tatsachen nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserheblich gewesen sind.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, §§ 76, 155; ZPO § 227
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1997 und 1998, die nach Zustimmung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, u.a. Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von 6 480 DM bzw. 2 981 DM sowie Vorsteuerbeträge in Höhe von 2 196,76 DM bzw. 1 601,40 DM. Entsprechend den Feststellungen einer Betriebsprüfung änderte das FA die Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. In den geänderten Bescheiden legte das FA der Besteuerung lediglich Vorsteuerbeträge in Höhe von 59,64 DM bzw. 63,72 DM zugrunde.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens übersandte er dem Gericht Quittungen, wonach er für seine "Tätigkeit in den letzten Jahren" bei seinem Prozessbevollmächtigten, Steuerberater D, 1997 ein Entgelt in Höhe von 6 480 DM und 1998 ein solches in Höhe von 2 400 DM ―jeweils zuzüglich Umsatzsteuer― erhalten hatte. Dabei handelte es sich nach Angaben des Klägers um Umsätze aus einer Stundenbuchhaltertätigkeit.
Am 6. Dezember 2001 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Steuerberater D, die für den 18. Dezember 2001 anberaumte mündliche Verhandlung zu verlegen, weil er in der 51. und 52. Kalenderwoche des Jahres 2001 verreist sei. Der Vorsitzende des Senats lehnte den Antrag am selben Tag mit der Begründung ab, eine Terminsverlegung sei nur dann geboten, wenn die Reise vor der Ladung zum Termin gebucht worden sei. Insoweit sei nichts vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht. Zudem sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Termin nicht durch einen Vertreter wahrgenommen werden könne. Dieser könne sich anhand des Beschlusses des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses in dem dem Hauptverfahren vorangegangenen Eilverfahren den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide abgelehnt habe, in den Sach- und Streitstand einarbeiten.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2001 (Telefax) führte Steuerberater D aus, die Reise sei bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung am 28. November 2001 gebucht gewesen. Ein Vertreter könne sich aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht hinreichend in den Streitfall einarbeiten.
An der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2001 nahm für den Kläger niemand teil.
Das FG wies die Klage mit Urteil vom selben Tag als unbegründet ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, es könne dahinstehen, ob die Umsatzsteuer um die in den Quittungen über die Stundenbuchhaltertätigkeit abgerechneten Umsätze zu erhöhen sei, weil der Senat die Steuerfestsetzung in diesem Punkt wegen des Verböserungsverbots nicht zu Lasten des Klägers ändern dürfe.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Januar 2002 Beschwerde eingelegt, mit der er u.a. eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs rügt. Er bringt vor, sein Prozessbevollmächtigter habe wegen Ortsabwesenheit um Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten; dies sei aber zweimal ohne nähere Begründung abgelehnt worden. Zudem sei der Rechtsfall nicht eingehend erörtert worden. Insbesondere seien die Quittungen betreffend seiner Stundenbuchhaltertätigkeit nicht berücksichtigt worden.
Am 18. Februar 2002 erließ das FA geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die erklärten Umsätze um die in diesen Quittungen abgerechneten Umsätze erhöht wurden.
Der Kläger beantragt, der Beschwerde stattzugeben und das Urteil des FG aufzuheben.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2002 stellte der Kläger den Antrag, die Änderungsbescheide vom 18. Februar 2002 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Soweit der Kläger sich wegen der Ablehnung seines Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers beruft, entspricht sein Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die rechtswidrige Ablehnung einer beantragten Terminsverlegung (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) kann einen Verfahrensmangel in Form der Verletzung des Rechts auf Gehör darstellen. Um einen Verfahrensmangel ordnungsgemäß darzutun, sind die Tatsachen darzustellen, aus denen sich der gerügte Verfahrensfehler ergibt. Dies setzt im Streitfall voraus, dass ein erheblicher Grund für die Verlegung der Verhandlung bezeichnet wird (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 ZPO; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 24. Mai 1988 IV B 125/87, BFH/NV 1989, 175, und vom 13. August 1996 V B 7/96, BFH/NV 1997, 188). Der im Beschwerdeschriftsatz enthaltene bloße Hinweis auf die Ortsabwesenheit des Prozessbevollmächtigten am Tag der mündlichen Verhandlung genügt insoweit nicht.
Im Übrigen ergibt sich aus den Akten, dass das FG die Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht rechtsfehlerhaft abgelehnt hat. Die Aufhebung oder Verlegung eines Termins setzt einen erheblichen, auf Verlangen glaubhaft zu machenden Grund voraus (§ 155 FGO, § 227 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 ZPO). Liegt ein erheblicher Grund vor, so verdichtet sich das grundsätzlich dem Gericht eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen (BFH-Beschluss vom 19. November 2001 IX B 42/01, BFH/NV 2002, 515). Als erheblich anerkannt wird die Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder seines Bevollmächtigten infolge eines schon lange geplanten Urlaubs; eine Verhinderung, die sich erst aufgrund kurzfristiger Planung ergibt, braucht hingegen nicht berücksichtigt zu werden (BFH-Beschluss vom 27. September 1988 VII B 95/88, BFH/NV 1989, 379).
Wegen des prozessualen Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung hat die Terminplanung des Gerichts grundsätzlich Vorrang. Das FG ist daher auch im Falle einer vor der Ladung gebuchten Reise nicht verpflichtet, einen Termin zu verlegen, wenn dessen Wahrnehmung durch einen Vertreter des Prozessbevollmächtigten in Betracht kommt. Dies gilt z.B., wenn der Prozessbevollmächtigte ―wie vorliegend― Mitglied einer Sozietät ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726) und die Prozessvollmacht alle Mitglieder der Sozietät nennt. Im Streitfall hat das FG Steuerberater D zu Recht darauf hingewiesen, dass sein "geschäftsplanmäßiger Vertreter" sich anhand der Akten des Verfahrens wegen AdV der Umsatzsteuerbescheide in die rechtliche und tatsächliche Problematik des Streitfalls einarbeiten konnte.
2. Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe die Quittungen zu seiner Stundenbuchhaltertätigkeit nicht berücksichtigt, ist ein Verfahrensmangel nicht bezeichnet.
Falls sein Vortrag als Aufklärungsrüge (vgl. § 76 FGO) zu verstehen sein sollte, hätte u.a. ausgeführt werden müssen, dass die Quittungen nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserheblich gewesen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Januar 1996 VIII B 57/95, BFH/NV 1996, 492). Hieran fehlt es im Streitfall. Vielmehr hat das FG dahinstehen lassen, ob die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1998 um die in den Quittungen abgerechneten Umsätze zu erhöhen sei, weil die Steuerfestsetzung wegen des Verböserungsverbots in diesem Punkt nicht zu Lasten des Klägers geändert werden dürfe.
Aus denselben Gründen ist auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf diese Quittungen nicht dargelegt.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen