Entscheidungsstichwort (Thema)
Schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels für eine zulassungsfreie Revision
Leitsatz (NV)
Das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wird durch eine Änderung der Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Senats des FG nicht unwirksam.
Normenkette
FGO § 90 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
In der mündlichen Verhandlung vor dem ... Senat des Finanzgerichts (FG) am 31. August 1993 erklärten die Beteiligten, sie verzichteten auf eine weitere mündliche Verhandlung. Die durch ihren derzeitigen Prozeßbevollmächtigten vertretene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt Gelegenheit, ihren mündlichen Vortrag innerhalb eines Monats "schriftlich zu untermauern". Darauf reichte sie unter dem 28. September 1993 und -- als Entgegnung auf die Erwiderungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) -- unter dem 26. November 1993 und 10. Januar 1994 weitere Schriftsätze ein. In der Sitzung vom 23. Februar 1994 wies der nunmehr zuständige Senat des FG die Klage ab.
Die Klägerin begründet ihre trotz Nichtzulassung erhobene Revision damit, daß sie im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG habe -- so führt sie dazu weiter aus -- irrtümlich einen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen. Der Verzicht sei nur unter der Voraussetzung erklärt worden, daß die Streitsache bis zur Entscheidung im Zuständigkeitsbereich des ... Senats verbleibe. Sie beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat.
Das FG hat die Revision ausweislich des angefochtenen Urteils nicht zugelassen. Die Revision ist auch nicht auf die Beschwerde eines Beteiligten vom BFH zugelassen worden. Die von der Klägerin zugleich mit der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.
2. Das Rechtsmittel ist auch nicht als zulassungfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO zulässig. Die Klägerin hat zwar gerügt, sie sei im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Eine schlüssige Verfahrensrüge i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt aber nur vor, wenn die zur Begründung des Verfahrensmangels vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- den bezeichneten Mangel ergeben.
a) Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht. Zwar liegt der in § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO bezeichnete Verfahrensmangel vor, wenn das FG irrtümlich einen Verzicht auf mündliche Verhandlung angenommen und unter Verstoß gegen § 90 Abs. 1 und 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (vgl. BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 62/89, BFHE 160, 405, BStBl II 1990, 744 m. w. N.). Die Klägerin hat jedoch nach ihrem eigenen Vortrag ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO). Damit hat sie auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung ohne eine erkennbare Einschränkung verzichtet. Dieser Verzicht war weder gegenständlich beschränkt noch war er durch den Wechsel des erkennenden Senats unwirksam (vgl. dazu Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 1970 VI C B 25/68, Deutsche Richterzeitung 1970, 331) oder -- was die Klägerin selbst ausschließt -- vor der Bekanntgabe der Vorentscheidung widerrufen worden.
b) Die Auslegung des Revisionsvorbringens ergibt auch keine schlüssige Rüge eines anderen wesentlichen Verfahrensmangels. Die Klägerin hat insbesondere keine unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) schlüssig gerügt. Ihr Vortrag ergibt nicht, daß die erkennenden Richter nicht nur den Akten inhalt, der bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung die Grundlage der Entscheidung ist, sondern ein daraus nicht ersichtliches Vorbringen oder Beweisergebnis verwertet hätten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. Februar 1966 I 40 und 48/65, BFHE 85, 229, BStBl III 1966, 293).
Fundstellen