Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung nicht statthaft; keine Vertretungsbefugnis vor dem BFH für pensionierte Richter
Normenkette
FGO § 119 Abs. 6, § 62 Abs. 4, § 108
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Beschluss vom 05.08.2008; Aktenzeichen 2 V 504/07) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Sie ist unstatthaft, weil die angefochtene Entscheidung über die Ablehnung des Tatbestandsberichtigungsantrags der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) nach § 108 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unanfechtbar ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. November 2007 VIII B 93/07, BFH/NV 2008, 392).
a) Ein solcher Rechtsmittelausschluss ist grundsätzlich mit dem von den Antragstellern in Bezug genommenen Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes vereinbar. Denn nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. April 2003 1 PBvU 1/02 (BVerfGE 107, 395) verlangt der Justizgewährleistungsanspruch allenfalls die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs (wie hier in Form des Antrags auf Berichtigung des Tatbestandes), nicht aber die Möglichkeit eines Rechtsmittels vor der höheren Instanz.
b) Eine Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich auch nicht aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BFH, nach der eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Tatbestandsberichtigungsantrages ausnahmsweise bei fehlerhafter Beurteilung von Sachurteilsvoraussetzungen (BFH-Beschlüsse vom 19. April 1991 IX B 151/90, BFH/NV 1991, 615; vom 29. Juni 1992 V B 85/91, BFH/NV 1993, 180; vom 30. November 1993 V B 161/93, BFH/NV 1995, 310; vom 13. April 1995 XI B 46/95, BFH/NV 1996, 48; vom 5. September 2001 XI B 42/01, BFH/NV 2002, 207) oder bei sonstigen schwerwiegenden Verfahrensmängeln des Berichtigungsverfahrens (BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 1967 VII B 21/66, BFHE 90, 285, BStBl II 1969, 6; vom 25. Juli 1978 VII B 20/78, BFHE 125, 490, BStBl II 1978, 675; vom 19. April 1989 II B 178/88, BFH/NV 1990, 575; vom 18. März 1992 X B 81/91, BFH/NV 1992, 680; vom 7. September 1995 III S 1/95, BFH/NV 1996, 322; vom 16. Januar 1997 VI B 130/96, BFH/NV 1997, 427; vom 23. Juli 1997 XI B 115/95, BFH/NV 1998, 59; vom 30. September 1998 X B 53/98, X B 55/98, BFH/NV 1999, 491) in Betracht kommt, soweit die Mängel nicht im Wege der Anhörungsrüge nach § 133a FGO geltend zu machen sind (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 108 Rz 7).
Die Voraussetzungen für eine solche Beschwerdemöglichkeit, die sich, auf der Grundlage einer einschränkenden Auslegung des § 108 Abs. 2 Satz 2 FGO, aus § 128 Abs. 1 FGO ergibt (vgl. Brandt in Beermann/Gosch, FGO, § 108 Rz 49, m.w.N.) und auch vom BVerfG bejaht wird (BVerfG-Beschluss vom 1. Oktober 2004 1 BvR 786/04, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2005, 657), liegen im Streitfall nicht vor.
Zum einen hat das Finanzgericht (FG) den Berichtigungsantrag allein wegen fehlender Unrichtigkeit oder Unklarheit des Tatbestandes und damit aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt.
Zum anderen haben die Antragsteller mit ihrer Beschwerde im Wesentlichen nicht Verfahrensmängel des Berichtigungsverfahrens, sondern die Fehlerhaftigkeit der zu berichtigenden Entscheidung insbesondere mit Blick auf deren Begründung geltend gemacht. Soweit sie darüber hinaus die Gründe des ablehnenden Tatbestandsberichtigungsbeschlusses für unzureichend halten, reicht dies für die Annahme eines schwerwiegenden Verfahrensmangels nicht aus. Das Fehlen der erforderlichen Begründung als Verfahrensmangel (BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 2001 V B 48/01, BFH/NV 2002, 369; vom 25. März 2002 VI B 98/01, BFH/NV 2002, 810) liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn die vom FG gegebene Begründung lückenhaft ist (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 74/95, BFHE 181, 410, BStBl II 1997, 132, m.w.N.). Erforderlich ist vielmehr, dass es entweder an Entscheidungsgründen überhaupt fehlt, das FG ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat oder die gegebene Begründung wegen ihrer Substanzlosigkeit die maßgeblichen Feststellungen und Erwägungen des FG nicht erkennen lässt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2001 IX R 25/99, BFH/NV 2002, 363; BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 1999 II R 91/97, BFH/NV 1999, 1106; vom 21. Dezember 2001 VII R 24/01, BFH/NV 2002, 660).
Danach ist eine FG-Entscheidung schon dann "mit Gründen versehen", wenn sie ―wie hier ausweislich der Auseinandersetzung mit dem Berichtigungsanliegen sowie dessen Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen "Unrichtigkeit" und "Unklarheit" in § 108 FGO― den Gedankengang erkennen lässt, auf Grund dessen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2003 I B 172/02, BFH/NV 2004, 491). Das gilt auch dann, wenn die Begründung des Urteils inhaltlich angreifbar ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 491; vom 17. Juli 2008 I B 27/08, juris).
2. Darüber hinaus ist die Beschwerde unzulässig, weil die Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten sind.
Nach § 62 Abs. 4 Satz 1 FGO in der seit dem 1. Juli 2008 und damit auch auf das Streitverfahren anwendbaren Fassung durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 2840) müssen sich Beteiligte in Verfahren vor dem BFH durch einen Bevollmächtigten i.S. des § 62 Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift vertreten lassen. Zum Kreis dieser dort enumerativ bezeichneten Vertretungsberechtigten gehört der für die Antragsteller Aufgetretene als Richter im Ruhestand nicht. Denn ohne eine ―im Streitfall fehlende― Zulassung als Rechtsanwalt oder Steuerberater ist ein Richter nach Maßgabe des § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FGO kraft seiner Befähigung zum Richteramt lediglich in Verfahren vor dem FG vertretungsbefugt. Eine weiter gehende Befugnis ergibt sich auch nicht aus dem von den Antragstellern in Bezug genommenen Beschluss des BVerfG vom 29. Juli 2004 1 BvR 737/00 (NJW 2004, 2662), der allein zur Vereinbarkeit der rechtsberatenden Tätigkeit eines pensionierten Richters mit dem inzwischen außer Kraft getretenen Rechtsberatungsgesetz ergangen ist.
3. Angesichts der Unzulässigkeit der Beschwerde konnte der Senat ohne vorherige Akteneinsicht der Antragsteller entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung schließt nämlich die Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens regelmäßig den Anspruch auf Akteneinsicht aus, wenn ―wie im Streitfall angesichts der Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels― die Akten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet sind, der Rechtsschutzgewährung des Antragstellers zu dienen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. September 2003 VII B 171/03, BFH/NV 2004, 72; vom 16. September 2002 IX B 20/02, BFH/NV 2003, 186; vom 14. Juni 2007 VIII B 201/06, BFH/NV 2007, 1804).
Fundstellen