Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid und Steuerfestsetzung
Leitsatz (NV)
1. Ein Abrechnungsbescheid kann auch zur Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs erforderlich sein.
2. Die in den Abrechnungsbescheid übernommenen Zahlungsansprüche sind nachprüfbar.
3. Auch eine widersprüchliche Einspruchsentscheidung kann auslegungsfähig sein.
4. Im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid können keine Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhoben werden.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 4; AO 218 Abs. 2 S. 2; BGB § 133
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragten einen Abrechnungsbescheid für die Einkommensteuer 1981. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erteilte diesen Abrechnungsbescheid und setzte darin unter Hinweis auf den Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung das zu versteuernde Einkommen mit 83 788 DM, die festzusetzende Einkommensteuer mit 22 664 DM, die Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer mit 18 996 DM und die verbleibende Einkommensteuer mit 3 668 DM an. In der im Abrechnungsbescheid in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung zum Einkommensteuerbescheid heißt es im Tenor, daß die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1981 auf 3 668 DM festgesetzt wird. In seiner Berechnung in der Begründung der Einspruchsentscheidung setzte das FA das zu versteuernde Einkommen dagegen mit 83 788 DM, die Steuer lt. Splittingtabelle mit 22 664 DM, den Steuerabzug vom Lohn mit 18 996 DM und den verbleibenden Betrag mit 3 668 DM an. Eine gegen diese Einspruchsentscheidung eingelegte Klage wurde von den Klägern zurückgenommen.
Mit der nach erfolglosem Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid erhobenen Klage beantragten die Kläger, den Abrechnungsbescheid unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer 1981 lt. Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 3 668 DM, die darauf anzurechnende Lohnsteuer 18 996 DM und die verbleibende Einkommensteuer ./. 15 328 DM betrage; hilfsweise sollte der Bescheid eigener Art dahingehend abgeändert werden, daß bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Zinsen in Höhe von 14 771 DM sowie Abschreibungen in Höhe von 4 808 DM berücksichtigt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, nur die Festsetzung der Einkommensteuer auf 3 668 DM in der Einspruchsentscheidung sei Inhalt der Verfügung. Demgegenüber seien die Gründe der Einspruchsentscheidung nicht mehr Teil der Verfügung und deshalb ohne verbindliche Wirkung. Nach § 124 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) werde ein Bescheid nur mit dem Inhalt wirksam, mit dem er tatsächlich bekanntgegeben sei, und nicht mit dem, der ihm zugrunde gelegt werden sollte. Auch bei einem erkennbar verzeihlichen Irrtum könne der Fehler nur unter Beachtung der Formvorschriften geändert oder berichtigt werden. An dem verfahrensrechtlichen Fehler und damit an dem klaren Wortlaut der Einspruchsentscheidung müsse sich das FA festhalten lassen, weil ihnen, den Klägern, nicht zugemutet werden könne, eine mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässige Klage zu erheben. Denn mit der ursprünglich von ihnen gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage hätten sie eine Festsetzung der Einkommensteuer 1981 auf 14 952 DM begehrt, obwohl nur 3 668 DM festgesetzt worden seien.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des FG das FA zu verurteilen, eine Erstattung von 14 822,95 DM festzusetzen. Sie beantragen hilfsweise, Aufwendungen für Darlehenszinsen in Höhe von 14 771 DM sowie Abschreibungen in Höhe von 4 808 DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Abrechnungsbescheid des FA betreffend Einkommensteuer 1981 zu ändern.
Bei dem im Streit befindlichen Bescheid handelt es sich um einen Abrechnungsbescheid. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 entscheidet die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen. Das gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Das bedeutet, daß ein solcher Abrechnungsbescheid nicht nur eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs zum Inhalt haben kann, sondern bereits auch die Frage, ob ein Erstattungsanspruch besteht. Da über den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1981 nicht durch einen im Steuerfestsetzungsverfahren ergangenen Bescheid entschieden war, bedurfte es eines Abrechnungsbescheides (vgl. auch Senatsurteil vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702).
Der von den Klägern geltend gemachte Erstattungsanspruch besteht nicht. Der Abrechnungsbescheid ist daher rechtmäßig und die in ihm aufgeführte Einkommensteuerschuld 1981 zutreffend. Die Einwendungen der Kläger gegen die in den Abrechnungsbescheid einbezogenen Ansprüche aus dem Einkommensteuerbescheid 1981 in der Form der Einspruchsentscheidung sind nicht berechtigt, denn es ist dem Steuerbescheid in Form der Einspruchsentscheidung der richtige Betrag entnommen worden. Zwar sind Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung im Verfahren bezüglich der Überprüfung eines Abrechnungsbescheides unzulässig, da die Begründung der Zahlungsverpflichtung nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides ist, sondern vorausgesetzt wird (vgl. v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 218 AO 1977 Tz. 7; Drenseck, Das Erstattungsrecht der Abgabenordnung, 1977, 33). Im Streitfall begehren die Kläger aber eine Überprüfung dahin, ob die festgesetzte Einkommensteuer aus der Einspruchsentscheidung zutreffend in den Abrechnungsbescheid übernommen worden ist. Sie machen geltend, daß die in den Abrechnungsbescheid übernommenen Zahlungsansprüche so nicht festgesetzt worden seien und damit eine falsche Ausgangsgröße in den Abrechnungsbescheid übernommen worden sei. Ein derartiges Vorbringen kann auch gegen Abrechnungsbescheide geltend gemacht werden (vgl. Baumdicker, Der Erlaß eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO 1977, Deutsche Steuerzeitung 1982, 188, 190, rechte Spalte).
Die Höhe der in den Abrechnungsbescheid als Ausgangsgröße zu übernehmenden Steuerschulden ergibt sich im Streitfall aus dem Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 1981 und beläuft sich auf 22 664 DM. Zwar ist die Einspruchsentscheidung des FA insofern widersprüchlich, als darin einerseits im Tenor von einer festgesetzten Steuer von 3 668 DM die Rede ist, andererseits in der Begründung die Steuer mit 22 664 DM und der verbleibende Betrag mit 3 668 DM angegeben wird. Jedoch ist die Einspruchsentscheidung auch hinsichtlich ihres ,,verfügenden Teils" (§ 122 Abs. 4 AO 1977) auslegungsfähig. Es sind die Auslegungsgrundsätze anzuwenden, die für Willenserklärungen allgemein gelten; § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist entsprechend anwendbar. Es kommt darauf an, wie die Kläger die Einspruchsentscheidung nach den ihnen bekannten Umständen bei verständiger Würdigung zu deuten hatten (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, 100, BStBl II 1982, 34, 35; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., § 35 Anm. 52, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Dabei ist der gesamte Inhalt der Verfügung von Bedeutung, d.h. zur Auslegung des Tenors einer Einspruchsentscheidung sind auch ihre Gründe heranzuziehen (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl., § 37 Anm. 8; Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., § 35 Anm. 76). Im Streitfall konnte für die Kläger kein Zweifel bestehen, daß das FA die Steuer nicht mit 3 668 DM festsetzen wollte. Das ergab sich schon aus der ausführlichen Begründung der Einspruchsentscheidung. Darin kam unzweifelhaft zum Ausdruck, welchen Inhalt der Steuerbescheid durch die Einspruchsentscheidung bekommen hatte.
Der von den Klägern gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid können keine Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhoben werden, da die Begründung der Zahlungsverpflichtung nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides ist (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776; Drenseck, a.a.O., S. 33; v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 218 AO 1977 Tz. 7). Da die hilfsweise beantragte Berücksichtigung von Zinsen und Abschreibungen die Steuerfestsetzung selbst und damit den Inhalt des Steuerbescheides in Form der Einspruchsentscheidung betrifft, kann dieser Antrag im Streit um den Abrechnungsbescheid keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415210 |
BFH/NV 1988, 141 |