Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug nach Kündigung der Beteiligung an einer Bauherrengemeinschaft - Abziehbarkeit vorweggenommener Werbungskosten
Leitsatz (amtlich)
Führt der Steuerpflichtige, der sich an einer Bauherrengemeinschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, beteiligt hat, nach der Kündigung des Gesellschaftsvertrags seine Tätigkeit als Gesellschafter unverändert bis zur Auseinandersetzung der Bauherrengemeinschaft fort, sind Schuldzinsen, die auf die Zeit zwischen Kündigung und Auseinandersetzung entfallen, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Orientierungssatz
Werbungskosten können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, daß ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Steuerpflichtige den Entschluß, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt hat. Führen solche Aufwendungen nicht zum beabsichtigten Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden, beteiligten sich 1982 an einer Bauherrengemeinschaft. Im Mai 1985 kündigten sie den Treuhandvertrag und den Gesellschaftsvertrag der Bauherrengemeinschaft unter anderem mit der Begründung, das geplante Objekt werde nicht fristgerecht bezugsfertig, der Treuhänder verschleiere maßgebliche Tatsachen und die Finanzierung sei nicht gesichert. Trotz der Kündigung wurden die Kläger weiterhin für Verbindlichkeiten der Bauherrengemeinschaft in Anspruch genommen. Sie bezahlten im Streitjahr 1986 unter anderem anteilige Schuldzinsen von 2 954,83 DM, die sie vergeblich als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machten.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt.
Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung materiellen Rechts. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, seien keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im Streitfall seien die aufgewendeten Schuldzinsen in Höhe eines Teilbetrags von 1 224,14 DM zu Unrecht als Werbungskosten berücksichtigt worden, weil sie auf den Zeitraum nach Kündigung der Beteiligung der Kläger an der Bauherrengemeinschaft entfielen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit Schuldzinsen in Höhe von 1 224,14 DM als nachträgliche Werbungskosten anerkannt worden sind.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Schuldzinsen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stünden, seien solange als Werbungskosten abziehbar, bis das Grundvermögen von einem anderen Eigentümer übernommen werde. Die Grundstücksanteile der Bauherrengemeinschaft seien erst 1988 veräußert und der Veräußerungserlös sei erst 1991 an die Kläger ausgeschüttet worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen. Die Vorentscheidung weicht zwar von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nach der Veräußerung eines Grundstücks ab, stellt sich im Ergebnis aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Einkunftsart i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach sind Schuldzinsen, die auf die Zeit nach der Veräußerung eines Grundstücks entfallen, nicht mehr als Werbungskosten abziehbar (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 7. August 1990 VIII R 223/85, BFH/NV 1991, 294; vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; zuletzt BFH-Urteil vom 12. Oktober 1995 IX R 115/90, BFH/NV 1996, 208, jeweils m.w.N.). Das FG ist dieser Rechtsprechung nicht gefolgt und hat seiner Entscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Dennoch hat die Vorentscheidung im Ergebnis Bestand, weil im Streitfall die Grundsätze dieser Rechtsprechung des BFH nicht einschlägig sind. Die Bauherrengemeinschaft hat nämlich das Grundstück im Rahmen der Auseinandersetzung erst nach dem Streitjahr veräußert.
2. Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlaßt sind. Sie können schon anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorab entstandener Werbungskosten ist, daß ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Großer Senat des BFH, Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 2. a; BFH-Urteil vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747). Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Steuerpflichtige den Entschluß, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt hat (BFH-Urteile vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761; vom 9. Februar 1993 IX R 42/90, BFHE 171, 45, BStBl II 1993, 658; vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462).
Führen solche Aufwendungen nicht zum beabsichtigten Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt (Großer Senat in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 2. a; BFH-Urteile vom 13. November 1973 VIII R 157/70, BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161; vom 14. Februar 1978 VIII R 9/76, BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455; vom 9. September 1980 VIII R 44/78; BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418; vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470; vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916; Grube, Finanz-Rundschau --FR-- 1989, 29, mit weiteren Hinweisen). Maßgebend ist, ob die vergeblichen Aufwendungen im Falle ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gestanden hätten (Großer Senat in BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 2. d aa).
Nach diesen Grundsätzen sind die von den Klägern aufgewandten strittigen Schuldzinsen als vergebliche Werbungskosten abziehbar. Die Kläger schuldeten diese Zinsen, weil sie sich ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an der Bauherrengemeinschaft beteiligt hatten. Dieser Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen mit den angestrebten Einkünften ist durch die Kündigung der Kläger im Mai 1985 nicht aufgehoben worden. Zwar ist aus der Kündigung zu ersehen, daß die Kläger mit dem Scheitern der Bauherrengemeinschaft rechneten und ihre Einkünfteerzielungsabsicht insoweit aufgegeben hatten. Ihre zur Erzielung von Einkünften begonnene Tätigkeit, die in der Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft bestand, haben sie jedoch nach der Kündigung bis zur Auseinandersetzung fortgeführt. Die Kläger haben ebenso wie die übrigen Bauherren bis zur Auseinandersetzung die zur Einkunftserzielung eingegangenen Verpflichtungen erfüllt, dementsprechend auch die anteiligen Schuldzinsen getragen, und die ihnen zustehenden Rechte wahrgenommen. Die während dieses Zeitraums entstandenen Aufwendungen waren --anders als solche, die auf die Zeit nach der Veräußerung eines Grundstücks entfallen-- weiterhin durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften begonnene und unverändert fortgeführte Tätigkeit veranlaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 66246 |
BFH/NV 1997, 342 |
BStBl II 1997, 610 |
BFHE 183, 75 |
BFHE 1998, 75 |
BB 1997, 1347 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1997, 1314-1315 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1076-1077 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 584 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 753 (Leitsatz) |
HFR 1997, 662-663 (Leitsatz) |
StE 1997, 396-397 (Kurzwiedergabe) |
StRK, WK R.194 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1997, 641-642 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1997, 475 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0141617 |
SteuerBriefe 1997, 15 |
GStB 1997, Beilage zu Nr 8 (Leitsatz) |
NWB 1997, 2122 |
BFH/NV BFH/R 1997, 342-343 (Leitsatz und Gründe) |
NJWE-MietR 1997, 190-191 (Leitsatz und Gründe) |
ZfIR 1997, 434-435 (Leitsatz und Gründe) |
StBp 1997, 218 (Leitsatz) |