Entscheidungsstichwort (Thema)
Begünstigungszeitraum gem. § 7 b EStG
Leitsatz (NV)
Hat ein Steuerpflichtiger für ein Objekt die Begünstigung gem. § 7 b EStG in Anspruch genommen und hat sie sich ausgewirkt, tritt der Objektverbrauch auch dann ein, wenn das Objekt für die Begünstigung untauglich war und der Begünstigungszeitraum noch nicht abgelaufen ist.
Normenkette
EStG § 7b
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin zu 1. (Beschwerdegegnerin) erwarb 1980 zwei Eigentumswohnungen, die sie unmittelbar im Anschluß an den Erwerb an den Antragsteller und Beschwerdegegner - ihren Ehemann - vermietete, der die Eigentumswohnungen als Büro nutzte.
Für die Veranlagungszeiträume 1981 und 1982 erklärte der Antragsteller Einkünfte aus der Vermietung der Eigentumswohnungen; für die Zeiträume 1980, 1983, 1984 und 1985 erklärte die Beschwerdegegnerin Einkünfte aus Vermietung der Eigentumswohnungen.
Die Antragsteller erhielten antragsgemäß für die Veranlagungszeiträume 1980 bis 1984 erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG).
1984 erwarb die Beschwerdegegnerin eine weitere Eigentumswohnung, die an Dritte vermietet und zu Wohnzwecken genutzt wurde.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung 1984 beantragten die Antragssteller für diese Wohnung Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 b Abs. 4 EStG.
Nach der Außenprüfung für die Jahre 1982-1984 vertrat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die von der Beschwerdegegnerin an ihren Ehegatten vermieteten Eigentumswohnungen nicht Wohnzwecken dienten und deshalb für diese Wohnungen keine erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG in Anspruch genommen werden könnten, und daß sie statt dessen gemäß § 7 Abs. 4 EStG mit 2 v. H. abzuschreiben seien.
In den geänderten Einkommensteuerbescheiden 1982-1984 verfuhr das FA dementsprechend, und lehnte es für den Veranlagungszeitraum 1984 auch ab, für die zuletzt erworbene Eigentumswohnung erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b Abs. 5 Satz 4 EStG anzusetzen; es zog statt dessen für alle Eigentumswohnungen AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG ab.
Nach erfolglosem Enspruchsverfahren erhoben die Beschwerdegegner Klage und beantragten, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1982 bis 1985 insoweit aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) gab diesem Antrag statt, hob die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1982 bis 1985 auf und ließ gegen seine Entscheidung die Beschwerde zu.
Es führte aus:
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 22. April 1980 (VII R 202/78, BFHE 131, 204, BStBl II 1980, 689) entschieden, daß Objektverbrauch i. S. des § 7 b Abs. 7 Satz 1, 2 EStG a. F. auch eintrete, wenn erhöhte Absetzungen in der Vergangenheit für ein Gebäude zu Unrecht gewährt worden seien und die Gewährung der Steuervergünstigung nicht mehr insgesamt rückgängig gemacht werden könne. Das sei hinsichtlich der beiden 1980 erworbenen Eigentumswohnungen der Fall; denn die Gewährung der erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG könne nicht mehr insgesamt rückgängig gemacht werden.
Es sei auch abschließend geklärt, daß Objektverbrauch selbst dann eintrete, wenn die erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG für untaugliche Objekte geltend gemacht worden seien. Zweifelhaft sei aber geblieben, ob die Beschwerdegegner aufgrund der zu Unrecht gewährten, nicht mehr rückgängig zu machenden Absetzungen in den Jahren 1980 und 1981 die Abschreibung trotz des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung in den Folgejahren bis zum Ende des Begünstigungszeitraumes fortsetzen dürften.
Verneine man diese Möglichkeit, bleibe zu klären, ob die Fortsetzung der erhöhten Absetzungen bei einem Folgeobjekt gemäß § 7 b Abs. 5 Satz 4 EStG zuzulassen sei.
Bejahe man die Fortsetzungsmöglichkeit für erhöhte Absetzungen bei einem Folgeobjekt, sei weiter fraglich, ob § 7 b Abs. 5 Satz 4 EStG im Streitfall sinngemäß anwendbar sei, weil diese Vorschrift so auszulegen sein könnte, daß ein untaugliches Objekt grundsätzlich nicht zurechenbar sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA.
Nach einem Objektverbrauch sei eine Fortführung der erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG nicht möglich.
Für die Jahre 1982 und 1983 seien Abschreibungen für ein Folgeobjekt schon deshalb nicht möglich, weil das Folgeobjekt erst 1984 angeschafft worden sei.
Aber auch für die Folgezeit bestünden keine ernsthaften Zweifel, daß erhöhte Absetzungen für ein Folgeobjekt nicht möglich seien.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Anträge der Beschwerdegegner abzuweisen.
Sinngemäß beantragen die Beschwerdegegner die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung.
1. Veranlagungszeiträume 1982 und 1983
Entgegen der Auffassung des FG ist bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung nicht ernstlich zweifelhaft, daß bei zu Unrecht gewährten und nicht mehr rückgängig zu machenden erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG diese nicht fortgesetzt werden dürfen.
Die Voraussetzungen für die Begünstigung gemäß § 7 b EStG müssen jeweils in dem Veranlagungszeitraum, für den sie begehrt werden, erfüllt sein (vgl. dazu auch Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 7 b Anm. 8 c; ebenso Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 b EStG Anm. 130). Die gegenteilige Auffassung (vgl. Blümich /Erhard, Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetz, 13. Aufl., § 7 b EStG Rz. 715) verkennt dies. Die Rechtsauslegung steht im Einklang mit der durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bedingten Systematik des EStG (vgl. BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 56/88, BFHE 159, 146, BStBl II 1990, 216).
Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muß das FA in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Die Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1967 V 235/64, BFHE 88, 443, BStBl III 1967, 442; vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749; und vom 15. Dezember 1988 IV R 36/84, BFHE 155, 538, BStBl II 1989, 363; vgl. ferner den das Abschnittsprinzp billigenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. Dezember 1989 - 1 BvR 1259/89, StE 1990 Nr. 8, S. 71).
Die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Absetzungen gem. § 7 b EStG sind in den Veranlagungszeiträumen 1982 und 1983 nicht erfüllt.
Die Überlegungen zu einem Folgeobjekt gehen im vorliegenden Fall ebenfalls fehl, weil das etwaige Folgeobjekt erst 1984 angeschafft worden ist.
2. Veranlagungszeiträume 1984 und 1985
Das FA ist bei summarischer Betrachtung zu Recht der Auffassung, daß im vorliegenden Fall nach dem Objektverbrauch erhöhte Absetzungen gem. § 7 b EStG nicht in Betracht kommen.
Gemäß § 7 b Abs. 5 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige erhöhte Absetzungen nach den Absätzen 1 und 2 nur für ein Objekt in Anspruch nehmen; Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können erhöhte Absetzungen nach den Abs. 1 und 2 für insgesamt zwei der in Satz 1 bezeichneten Objekte in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen, daß in der Person der Steuerpflichtigen noch kein Objektverbrauch eingetreten ist, ist ein persönliches Merkmal des Steuerpflichtigen (vgl. Schmidt /Drenseck, a.a.O., § 7 b Anm. 6 h). Hat sich der Steuerpflichtige bei einem Objekt für die erhöhten Absetzungen gem. § 7 b EStG entschieden und haben sich die erhöhten Absetzungen über die nach § 7 Abs. 4 EStG zulässigen AfA hinaus steuerlich ausgewirkt, so kann der Steuerpflichtige kein weiteres Objekt mehr erhöht abschreiben (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1979 VIII R 23/78, BFHE 129, 357, BStBl II 1980, 199, das § 7 Abs. 6 Satz 1 EStG 1974 betraf). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 7 b Abs. 5 Satz 4 EStG vor. Danach kann der Steuerpflichtige erhöhte Absetzungen bei einem Folgeobjekt in Anspruch nehmen, wenn ihm unter anderem das Erstobjekt nicht bis zum Ablauf des Begünstigungszeitraums zuzurechnen ist. Sinn der Regelung für die Übertragbarkeit der Begünstigung von einem Erstobjekt auf ein Folgeobjekt ist es, die Bereitschaft zu einem mit einer Wohnsitzverlegung verbundenen Arbeitsplatzwechsel nicht zu beeinträchtigen; es soll der erwünschten Mobilität auf dem Arbeitsmarkt nicht entgegengewirkt werden. Dieser Rechtfertigungsgrund für die Übertragbarkeit der Begünstigung ist dann nicht gegeben, wenn sich - wie hier - an den Eigentumsverhältnissen hinsichtlich des Erstobjekts nichts ändert (ebenso wie hier Boeker in Lademann /Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 7 b Anm. 119; Schmidt / Drenseck, a.a.O., 8. Aufl., 1989, § 7 b Anm. 8 g; Clausen in Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O., § 7 b EStG, Grüne Blätter, Erläuterung zu Abs. 5, Anm. II.1. b). Die Ausnahmeregelung beschränkt sich auf diese Zielsetzung. Durch sie soll es nicht ermöglicht werden, das Objekt der erhöhten Absetzungen auszuwechseln, indem diese anstatt für ein noch vorhandenes Erstobjekt nunmehr für ein Zweitobjekt gewählt werden. Es kommt mithin nicht darauf an, daß sich das Erstobjekt im vorliegenden Fall nachträglich als untauglich erweist.
Fundstellen
Haufe-Index 417060 |
BFH/NV 1990, 766 |