Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur steuerlichen Beurteilung von sogenannten Miet- Kaufverträgen.
Normenkette
EStG § 5; StAnpG § 1/2
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) erwarb in den Jahren 1950 und 1951 durch Verträge, die sie als Mietverträge bezeichnete und buch- und bilanzmäßig auch so behandelte, einen fabrikneuen Bagger, einen fabrikneuen Schlepper und eine gebrauchte Schute. Die Vorinstanzen sahen in den Mietverträgen Kaufverträge und aktivierten die als Betriebsausgaben gebuchten Mietzahlungen als Teilzahlungen eines Kaufpreises. Im einzelnen hat das Finanzgericht den Sachverhalt wie folgt festgestellt und gewürdigt:
Durch Vertrag vom 12. Juni 1950 mietete die Bfin. einen Bagger für 18 Monate zu einem monatlichen Mietpreis von 1.650 DM. Die ersten 6 Monatsmieten in Höhe von 9.900 DM waren bei übergabe des Baggers zu zahlen. Für die restlichen 12 Monatsmieten waren jeweils Wechselakzepte zu geben. Der Bfin. war das Recht eingeräumt, spätestens nach Ablauf von 18 Monaten den Bagger gegen volle Anrechnung der 18 Monatsraten in Höhe von 29.700 DM zum Listenpreis von 38.750 DM zuzüglich der sich aus den Ratenzahlungen ergebenden Zinsen käuflich zu erwerben. Die Bfin. erwarb auf Grund dieser Bestimmung des Vertrags den Bagger nach Ablauf der Mietzeit.
Das Finanzgericht sah in der Gesamtvereinbarung alle Merkmale eines Kaufvertrags. Es fehle weder die übliche Anzahlung bei Lieferung in Höhe von 25 v. H. des Kaufpreises noch die Sicherung des Kaufpreises durch Akzepte noch der Eigentumsvorbehalts.
Die Bfin. mietete ferner von der gleichen Herstellerfirma durch Vertrag vom 10. September 1951 einen Schlepper für 12 Monate zu einem monatlichen Mietpreis von 825 DM, den sie durch ein am 15. Dezember 1951 fälliges Akzept vorausbezahlte. Der Kraftfahrzeugbrief wurde ihr übergeben. Die Bfin. war berechtigt, den Schlepper nach Ablauf der Mietzeit unter Anrechnung der vollen Mietzahlungen von 9.900 DM zum Listenpreis von 12.529 DM zuzüglich der durch die Ratenzahlungen verursachten Zinsen zu kaufen. Von diesem Recht machte sie rechtzeitig Gebrauch.
Das Finanzgericht war der Auffassung, daß in diesem Fall noch offensichtlicher von vornherein der Abschluß eines Kaufvertrags beabsichtigt gewesen sei. Denn wenn ein Kaufmann bei Abschluß des Mietvertrags mit Kaufangebot einen Wechsel über rund 80 v. H. des Kaufpreises gebe, so sei es in der Regel selbstverständlich, daß er den Gegenstand erwerben wolle, um sich damit die weitere jahrelange Nutzung gegen Zahlung der restlichen 20 v. H. des Werts zu sichern.
Die Bfin. mietet schließlich von einem anderen Unternehmer am 15. Oktober 1951 eine gebrauchte Schute im Werte von 2.500 DM auf 3 Monate gegen eine im voraus zu zahlende Miete von insgesamt 900 DM und erwarb die Schute im Jahre 1952 gegen Zahlung weiterer 1.500 DM zu Eigentum.
Auch in diesem Fall sah das Finanzgericht in dem Mietvertrag einen von vornherein beabsichtigten Kaufvertrag. Andernfalls hätte die Bfin. nicht die im Verhältnis zum Wert der Schute zu hohe Miete im voraus bezahlt und sich nicht außerdem im Vertrage verpflichtet, im Fall des Untergangs der Schute infolge höherer Gewalt 2.500 DM zu zahlen und damit wie ein Eigentümer die Gefahr zu tragen.
Die Bfin. begründete die Rechtsbeschwerde (Rb.) unter Hinweis auf ihre Ausführung in den Vorinstanzen wie folgt:
Ihr habe eine Umgehungsabsicht ferngelegen. Sie habe die gemieteten Gegenstände zunächst aus betriebswirtschaftlich vernünftigen Erwägungen nicht erworben, sondern gemietet, weil sie die erforderlichen Mittel zum Kauf nicht zur Verfügung gehabt habe, die künftige Entwicklung des Unternehmens und der Bauwirtschaft ungewiß und zudem der verlangte Mietpreis besonders günstig gewesen sei. Diesen Vortrag habe das Finanzgericht weder geprüft noch gewürdigt. Die Mietverträge über den Bagger und den Schlepper mit der Herstellerfirma zeigten, daß zunächst nur ein Mietvertrag geschlossen werden sollte. So räumte § 5 des Vertrags dem Vermieter das Recht ein, die Gegenstände an eine andere Person zu vermieten. Die Bestimmung des § 7 des Vertrags, daß die Bfin. die vermieteten Gegenstände sorgfältig zu unterhalten habe, sei bei Annahme eines Kaufvertrags sinnwidrig. Auch ihre Verpflichtung, Ersatzteile nur bei dem Vermieter zu beziehen, spreche gegen einen Kaufvertrag, weil sie nur für den Fall der Rückgabe des Gegenstands nach Beendigung der Mietzeit sinnvoll sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nur zum Teil begründet.
Macht der Vermieter im Zusammenhang mit einem als Mietvertrag bezeichneten Vertrag dem Mieter ein unwiderrufliches Kaufangebot für die vermietete Sache, so liegt ein gemischter Vertrag vor, der Elemente des Miet- und des Kaufvertrags enthält. Ob ein solcher Vertrag im Gegensatz zu seiner äußeren Gestaltung von vornherein steuerlich als Kaufvertrag mit gestundeten Kaufpreisraten angesehen werden muß, richtet sich danach, ob der sachliche Inhalt des Vertrags die Annahme rechtfertigt, daß es den Parteien auf den Abschluß eines Kauf-, nicht eines Mietvertrags entscheidend ankam (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 198/54 U vom 27. Januar 1955, Slg. Bd. 60 S. 241, Bundessteuerblatt 1955 III S. 94). Der Inhalt eines Mietvertrags ist auf den zeitlich begrenzten Gebrauch gegen Zahlung eines angemessenen Mietzinses gerichtet, während der Kaufvertrag zur übertragung des Eigentums gegen Entrichtung des dem Wert der Kaufsache im Zeitpunkt des Vertrags entsprechenden Preises verpflichtet. Soll deshalb der Mietvertrag bis zur Annahme des Kaufangebots als Mietvertrag angesehen werden, dürfen Mietzins, Mietzeit und Mietbedingungen bei wirtschaftlicher Betrachtung nur mit der Gebrauchsüberlassung zusammenhängen und mit den Bestimmungen des künftigen Kaufvertrags nicht so eng verbunden sein, daß entweder der Mietvertrag ohne Kaufvertrag oder der Kaufvertrag ohne vorhergehenden Mietvertrag nicht verständlich ist. Ergibt sich aus der Höhe, Dauer und Fälligkeit der Mietzahlungen, daß sie bei wirtschaftlicher Betrachtung als Mietzahlungen ungewöhnlich, als Kaufpreisraten aber besser verständlich sind, so ist damit ein Anhaltspunkt für die Annahme gegeben, daß wirtschaftlich von vornherein ein Kaufvertrag vorliegt. Von entscheidender Bedeutung ist die Bemessung und Entrichtung des Kaufpreises bei späterer Annahme des Kaufangebots. Wird der Kaufpreis nach dem bei Abschluß des Mietvertrags geltenden Lieferpreis bestimmt und werden die Mietzahlungen auf diesen Preis in voller Höhe angerechnet, so liegt in dieser engen Verbindung zwischen Miet- und Kaufvertrag eines der wichtigsten Merkmale dafür, daß es sich bei dem gesamten Vertrag in Wahrheit um einen Kaufvertrag mit gestundeten Kaufpreisraten handelt. Denn es ist ungewöhnlich und widerspricht dem Wesen eines Kaufvertrags, daß sich der Verkäufer nicht den Wert der verkauften Sache im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, also der Annahme des Kaufangebots durch den Mieter, bezahlen läßt, sich vielmehr mit einem Kaufpreis einverstanden erklärt, der insbesondere bei stark überhöhten Mietzahlungen weit unter dem Verkehrswert bei Annahme des Kaufangebots liegt. Diese Kaufpreisbemessung kann mit der Behauptung, daß dem Kaufvertrag ein normaler Mietvertrag vorausgegangen sei, in der Regel nicht in Einklang gebracht werden. Sie erklärt sich vielmehr durch die Annahme, daß schon bei Abschluß des Mietvertrags ein Kaufvertrag mit gestundeten Kaufpreisraten zu dem damals angemessenen Preis vereinbart worden ist.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann der Entscheidung des Finanzgerichts nur bezüglich des Baggers und des Schleppers zugestimmt werden. Wenn es der Bfin. wegen ihrer finanziellen Verhältnisse bei Abschluß der Verträge und der Unsicherheit der künftigen Entwicklung ihres Betriebs wirklich darauf angekommen wäre, zunächst nur einen Mietvertrag über den Bagger und den Schlepper abzuschließen, um nicht endgültig hohe Kaufpreisverpflichtungen zu übernehmen, so hätte sie den Bagger nicht für 18 Monate gemietet, zumal diese 18 Monate eine volle und eine halbe Wintersaison einschlossen und die Miete sofort für 6 Monate im voraus zu zahlen war. Das gilt um so mehr, als sie sich mit einer Mietzahlung belastete, die beim Bagger 2/3 des Kaufpreises betrug. In dem Mietvertrag über den Schlepper übernahm die Bfin. sogar eine endgültige Mietverpflichtung in Höhe von etwa 3/4 des Kaufpreises. Deshalb sprechen gerade die von der Bfin. für den Abschluß des Mietvertrags angeführten Gründe für die Annahme, daß die Bfin. von vornherein einen Kaufvertrag beabsichtigte, der ihr allerdings die Möglichkeit ließ, die erworbenen Gegenstände nach Ablauf von 18 bzw. 12 Monaten zurückzugeben. Diese Rückgabemöglichkeit, die der Erwerber bei Abschluß des Vertrag kaum ernstlich in Erwägung gezogen haben kann, spricht deshalb nicht gegen die Annahme eines Kaufvertrags, weil sich im Fall der Rückgabe für den Verkäufer ein so geringer Rücknahmepreis (bei dem Bagger 1/3 und bei dem Schlepper 1/4 des Neuwerts) ergab, daß eine solche Verpflichtung auch im Rahmen eines Kaufvertrag keine ungewöhnliche Vertragsklausel darstellte.
Die Bfin. rügt zu Unrecht, daß das Finanzgericht zur Angemessenheit des Mietzinses hätte Stellung nehmen müssen. Es ist zwar richtig, daß ein angemessener Mietzins ein Anzeichen für einen echten Mietvertrag bildet. Das Finanzgericht konnte aber im vorliegenden Fall, auch ohne zur Höhe des Mietzinses Stellung zu nehmen, aus der Mietdauer, aus dem Verhältnis des während der Mietzeit zu entrichtenden Mietzinses zu dem Wert der Mietsache und insbesondere aus der Verrechnung der Mieten mit dem von vornherein festgesetzten Kaufpreis den Schluß ziehen, daß der Gesamtvertrag trotz seiner Bezeichnung als Mietvertrag wirtschaftlich einen Kaufpreis darstelle. Die Berechtigung dieser Annahme ergab sich auch daraus, daß neben der vollen Anrechnung der Mietzinsen die Verzinsung des Kaufpreises vom Abschluß des Vertrags ab vereinbart wurde. Eine solche Vereinbarung paßt nicht zu der Behauptung, daß sich an den zu normalen und angemessenen Bedingungen abgeschlossenen Mietvertrag ein davon unabhängiger, erst durch die Annahme des Kaufangebots zustandegekommener Kaufvertrag angeschlossen habe.
Schließlich kann die Bfin. ihre Annahme, daß zunächst ein Mietvertrag vorgelegen habe, nicht durch den Hinweis auf die einzelnen Bestimmungen des Mietvertrags rechtfertigen. Wenn dem Vermieter in § 5 des Vertrags das Recht eingeräumt wird, die Gegenstände an eine andere Person zu vermieten, so hat diese Bestimmung mit Rücksicht auf die Langfristigkeit des Vertrags keine Bedeutung, weil die Parteien nach dem Inhalt des Mietvertrags davon ausgingen, daß der Mieter entweder innerhalb der festen Mietzeit oder rechtzeitig vor ihrem Ablauf das Kaufgebot annehmen werde. Die Verpflichtung der Bfin., die gemieteten Gegenstände sorgfältig während der Mietzeit zu behandeln, paßt ebenso in den Rahmen eines Miet- wie eines Kaufvertrags. Denn solange der Erwerber den Kaufpreis nicht voll bezahlt und sich deshalb der Veräußerer die übertragung des Eigentums noch vorbehalten hat, ist das Verlangen des Veräußerers berechtigt, dem Erwerber die Verpflichtung zur sorgfältigen Behandlung der gekauften Sache aufzuerlegen. Schließlich findet sich die Verpflichtung eines Erwerbers, während einer bestimmten Zeit Ersatzteile nur vom Veräußerer zu beziehen, auch in Kaufverträgen.
Was den Mietvertrag über die Schute anlangt, so reicht der vom Finanzgericht festgestellte Sachverhalt zur Annahme eines von vornherein beabsichtigten Kaufvertrags nicht aus. Der schriftliche Vertrag vom 15. Oktober 1951 enthält kein bindendes Kaufangebot des Vermieters. Die Bfin. behauptet, daß die Schute zunächst für einen besonderen Einsatz mit übermäßiger Beanspruchung gemietet worden sei und daß ihr erst später ein besonders günstiges Kaufangebot gemacht worden sei. Es ist nicht ersichtlich, wie das Finanzgericht bei dieser Sachlage zu der Feststellung kommt, eine Miete von 300 DM monatlich sei so hoch, daß sie nur als Kaufpreisrate erklärt werden könne. Da ferner die Abwälzung der Gefahrenhaftung vom Vermieter auf den Mieter für sich allein nicht ausreicht, um den Mietvertrag von vornherein als Kaufvertrag zu würdigen, muß die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben werden.
Fundstellen
BStBl III 1957, 445 |
BFHE 1958, 550 |
BFHE 65, 550 |
StRK, EStG:5 R 143 |