Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Miterbe - nach bereits erfolgter Erbauseinandersetzung wegen eines bestimmten im Nachlaß befindlichen Grundstücks - weitere im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft stehende Grundstücke gegen Hingabe seines Miteigentums an dem anderen Grundstück und Zahlung eines Geldbetrages, so liegt keine Anschaffung (entgeltlicher Erwerb) i. S. des § 23 EStG vor.
Normenkette
EStG § 23
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Veranlagungszeitraum 1964 zusammen mit dem Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer veranlagte Beigeladene durch Veräußerung eines im Wege der Erbauseinandersetzung erworbenen Grundstücks einen Spekulationsgewinn (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) erzielt hat.
Die Beigeladene war im Jahre 1956 als Alleinerbin nach ihrer Mutter zu einem Drittel Miterbin in einer seit 1928 bestehenden ungeteilten Erbengemeinschaft geworden. 1961 lösten die Erben das Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft am Grundstück A auf und übernahmen das Eigentum am Grundstück entsprechend ihrem Erbanteil zu Bruchteilen. Die im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft verbleibenden beiden Grundstücke, der Garten B und das Grünland C, übernahm die Beigeladene im Jahre 1963 gegen die Überlassung ihres Miteigentumsanteils am Grundstück A und gegen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4 525 DM an die Miterben in Alleineigentum. Die Verkehrswerte der Grundstücke betrugen:
a) A 87 000 DM
b) Garten B 48 970 DM
c) Grünland C 1 318 DM
Den Garten B veräußerte die Beigeladene 1964 für 127 322 DM.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (FA) errechnete aufgrund dieses Sachverhalts einen Spekulationsgewinn von 52 235 DM und unterwarf diesen Betrag bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 der Einkommensteuer.
Der gegen den erfolglosen Einspruch erhobenen Klage gab das FG teilweise statt.
Es führte im wesentlichen aus:
Die Klage sei insoweit begründet, als das FA in der Vereinigung der Anteile an den der Beigeladenen zugewiesenen Grundstücken ein Anschaffungsgeschäft gesehen habe. Ein solches liege nicht vor, weil die Überführung des Gesamthandseigentums an dem Grundstück A in Bruchteilseigentum - wirtschaftlich betrachtet - noch keine Erbauseinandersetzung gewesen sei. Im Rahmen einer Erbauseinandersetzung aber führe nur eine evtl. Zuzahlung zu einem entgeltlichen Erwerb. Soweit deshalb die Zuzahlung auf das Grundstück B entfalle, sei die Klage abzuweisen.
Mit seiner Revision rügt das FA, mit seiner Anschlußrevision der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet. Auf die Anschlußrevision des Klägers sind die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben sowie der Einkommensteuerbescheid 1964 entsprechend dem Klagantrag zu ändern.
Die Einnahmen aus der Veräußerung des Grundstücks B unterliegen nicht der Einkommensteuer. Sie sind keine Einkünfte aus Spekulationsgeschäften gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 EStG. Denn die Beigeladene hat das Grundstück nicht angeschafft.
Eine Anschaffung im Rahmen eines Spekulationsgeschäfts liegt nur vor, wenn das Grundstück entgeltlich erworben wird (vgl. Urteil des BFH vom 5. Mai 1961 VI 107/60 U, BFHE 73, 326, BStBl III 1961, 385). Der Erwerb der Erbanteile der beiden Miterben an der noch nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft durch die Beigeladene ist kein solches entgeltliches Rechtsgeschäft.
1. Um einen solchen Erbanteilserwerb handelt es sich im Streitfall.
a) Die Beigeladene hatte mit dem Tode ihrer Mutter die rechtliche Stellung einer Miterbin innerhalb der noch ungeteilt fortbestehenden Erbengemeinschaft erlangt. Die Erbengemeinschaft war zu diesem Zeitpunkt nicht nur bürgerlich-rechtlich, sondern auch nach Einkommensteuerrecht noch nicht aufgelöst. Dem steht nicht entgegen, daß sie bereits 28 Jahre bestand. Zwar hat der BFH gerade auch in seiner neueren Rechtsprechung betont, daß eine Erbauseinandersetzung dann nicht mehr angenommen werden könne, wenn die Erbengemeinschaft längere Zeit fortbesteht (Urteile vom 17. September 1970 VI R 178/67, BFHE 100, 360, BStBl II 1971, 87; vom 8. September 1971 I R 191/69, BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12, zuletzt vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84, mit weiteren Nachweisen). Ein längerer Zeitablauf zwischen Erbanfall und Erbauseinandersetzung begründet aber nur eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft (§§ 15 Abs. 2, 16 EStG). Diese setzt voraus, daß sich die Miterben gesellschaftlich zusammengeschlossen haben, um gewerbliche Einkünfte zu erzielen und sie sich aus dieser Zwecksetzung heraus entweder endgültig nicht auseinandersetzen wollen oder daß aus der tatsächlich nicht erfolgten Auseinandersetzung auf eine solche Zwecksetzung geschlossen werden muß. Ein entgeltliches Rechtsgeschäft kann deshalb nur angenommen werden, wenn mit dem - bürgerlich-rechtlichen - Erbanteil der abgefundenen Miterben zugleich deren - steuerlicher - Gesellschaftsanteil erworben wird (BFH-Entscheidung I R 191/69).
Ob und inwieweit die Auseinandersetzung auch hinsichtlich ererbter Grundstücke im Privatvermögen zeitlich beschränkt und nach Zeitablauf eine Gesellschaft oder Bruchteilsgemeinschaft anzunehmen ist - deren Auseinandersetzung durch Anteilserwerb dann zu einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft beim Erwerber führen würde (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 25. September 1959 VI 213/57, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 23, Rechtsspruch 4) -, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Zwischen den Miterben bestanden hinsichtlich der beiden von der Beigeladenen übernommenen Grundstücke weder solche gesellschaftlichen Beziehungen noch wurden sie gemeinschaftlich genutzt. Liegt aber eine über die bloße Vermögensgemeinschaft hinausgehende Zwecksetzung der Erbengemeinschaft nicht vor, ist die Frage, ob die Zuweisung der ererbten Vermögensgegenstände noch im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erfolgt, jedenfalls für Rechtsverhältnisse i. S. des § 23 EStG nach bürgerlichem Recht zu beurteilen.
b) Die Hingabe des Miteigentumsanteils der Beigeladenen an dem im Jahre 1961 durch gegenständlich beschränkte Erbauseinandersetzung aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedenen Grundstück A (i. V. m. einer Wertausgleichszahlung) gegen Einräumung des Alleineigentums an den der Erbengemeinschaft noch verbliebenen beiden Grundstücken kann weder rechtlich noch wirtschaftlich als Naturalteilung der Erbmasse (mit Baraufgabe) beurteilt werden. Die das Grundstück A betreffende Erbauseinandersetzung war spätestens mit Bildung der Miteigentumsanteile an diesem Grundstück abgeschlossen. Mit ihr ändert sich die Zurechnung der (Teil-) Erbmasse nicht nur bei bürgerlich-rechtlicher, sondern auch bei wirtschaftlicher Betrachtung. Die spätere schuldrechtliche und dingliche Übertragung der Miteigentumsanteile ist deshalb "Verwendung ererbter Mittel" (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1962 VI 82/61 U, BFHE 75, 330, BStBl III 1962, 387), die nur in mittelbarem Zusammenhang mit dem Erbfall steht. Geht man davon aus, daß sich die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in zwei voneinander unabhängigen Phasen vollzogen hat, so stellt sich die Frage nach der Besteuerung eines evtl. Spitzenausgleichs im Streitfall nicht. Ein Anschaffungsgeschäft i. S. des § 23 EStG liegt vielmehr nur dann - dann aber in voller Höhe der erbrachten Gegenleistung - vor, wenn der Erwerb von Miterbenanteilen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB) durch einen Miterben als entgeltlicher Erwerb anzusehen ist.
2. Setzen sich Miterben entsprechend dem tatsächlichen Wert ihrer Erbanteile in Natur auseinander (wie z. B. im Falle des BFH-Urteils vom 29. Mai 1969 IV R 238/66, BFHE 96, 182, BStBl II 1969, 614, mit weiteren Nachweisen) oder geben sie - zwar nicht entsprechend dem Wert ihrer Erbanteile, aber ohne Wertausgleichszahlungen - ihre Anteilsrechte an den anderen Gegenständen jeweils gegenseitig auf (wie im Falle des BFH-Urteils vom 15. Januar 1965 VI 233/63 U, BFHE 82, 13, BStBl III 1965, 252), kann ein entgeltlicher Erwerb nicht angenommen werden. Der Senat ist der Ansicht, daß für § 23 EStG nichts anderes gelten kann. Denn für die Einkommensbesteuerung ist davon auszugehen, daß die im Wege der Erbauseinandersetzung zugeteilten Nachlaßgegenstände unmittelbar vom Erblasser erworben wurden (BFH-Urteile IV R 238/66; I R 191/69; vom 5. August 1971 IV 243/65, BFHE 103, 345, BStBl II 1972, 114; vom 18. Juli 1972 VIII R 17/68, BFHE 106, 436, BStBl II 1972, 876; zuletzt vom 7. März 1974 IV R 232/71, BFHE 112, 141, BStBl II 1974, 483). Dieser Erwerb ist keine Anschaffung i. S. des § 23 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1964 VI 300/63 U, BFHE 80, 479, BStBl III 1964, 647, und vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520).
Die Zuweisung von Vermögensgegenständen gegen Abfindungsleistung oder der Erwerb eines Erbanteils durch einen Miterben sind nicht anders zu beurteilen als die Naturalteilung (vgl. schon BFH-Urteil vom 26. Juli 1963 VI 334/61 U, BFHE 77, 435, BStBl III 1963, 480, sowie BFH-Entscheidung VIII R 17/68 mit weiteren Nachweisen). Wie bei dieser nach Einkommensteuerrecht keine Tauschgeschäfte anzunehmen sind, handelt es sich hier nicht um einen (Erbschafts-)Kauf. Sind Miterben, die bestimmte Vermögensgegenstände erhalten haben, an diesen als von Anfang an dinglich berechtigt anzusehen, so kann es auch auf die im Einzelfall gewählte Form der Abfindungsleistung nicht ankommen. Es ist unerheblich, ob der übernehmende Miterbe in bar oder mit einem Grundstück abgefunden wird und ob die Abfindung aus der Erbmasse geleistet wird oder zu ihrem Zweck Vermögenswerte außerhalb derselben herangezogen werden (vgl. BFH-Entscheidung VIII R 17/68). Auch in der Aufgabe des Bruchteilseigentums am Grundstück A und in der zusätzlich geleisteten Barzahlung in Höhe von 4 406 DM (der auf den Garten B entfallende Anteil der zusätzlichen Abfindung) ist nur eine solche Zahlungsmodalität zu sehen.
Auch die Berücksichtigung der besonderen Zielsetzung des § 23 EStG führt in diesen Fällen nicht zur Annahme eines Anschaffungsgeschäfts. Zwar ist es Sinn dieser Vorschrift, alle Vermögensübertragungen in der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zu erfassen, die wesentlich von dessen Willen abhängen (BFH-Urteil VI 107/60 U; vgl. auch Urteil vom 17. Februar 1965 I 400/62 U, BFHE 82, 296, BStBl III 1965, 354). Von einer solchen Willenserklärung hängt auch die im Streitfall gewählte Form der Auseinandersetzung ab. Das könnte z. B. bei einem Erwerb gegen Abfindung auf Grund einer Teilungsanordnung des Erblassers nicht angenommen werden. Wenn der BFH die vertragliche Auseinandersetzung ebenso behandelt hat wie die Auseinandersetzung entsprechend einer Teilungsanordnung, so hauptsächlich deshalb, weil damit eine einheitliche Besteuerung ähnlich liegender Fälle erreicht wird (Entscheidungen IV R 238/66 und IV 243/65). Davon ist auch bei der Auslegung des § 23 EStG auszugehen (vgl. auch BFH-Urteile vom 6. Dezember 1957 VI 166/56 U, BFHE 66, 82, BStBl III 1958, 33, und VI 233/63 U für die Beurteilung eines Erwerbsvorgangs nach § 7 und 7 b EStG).
Die Vorentscheidung steht mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang. Die Sache ist spruchreif, so daß der Senat selbst entscheiden kann (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71337 |
BStBl II 1975, 411 |